Zeitenwende auch bei der Marine: Nato-Flotte begrüßt den Kanzler an Bord
Zeitenwende auch bei der Marine: Nato-Flotte begrüßt den Kanzler an Bord
Bei allen Debatten um Panzer und Kampfjets gerät leicht aus dem Blick, dass auch die Marine vor neuen Aufgaben steht. Olaf Scholz hat sich auf der Ostsee ein Bild davon gemacht.
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Militärisch ist am Montagmittag einiges los gewesen vor der deutschen Küste. Nur rund zehn Seemeilen nördlich des Ostseebads Kühlungsborn tummelten sich ein spanisches und portugiesisches Kriegsschiff, die Deutsche Marine hatte das Minenjagdboot „Bad Bevensen“ entsandt, dazu die Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“, das Flaggschiff der schnell einsetzbaren Nato-Flotte. Schließlich war der Kanzler da.
Sein Antrittsbesuch bei der Marine hat lange auf sich warten lassen. Die eigene Flotte hat der Kanzler aber tatsächlich schon länger auf dem Radar, nicht zuletzt wegen der völlig veränderten Sicherheitslage seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.
Kanzler Olaf Scholz ist am Montag mit einem Hubschrauber auf die Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ geflogen worden. © dpa/Kay Nietfeld
Erst kürzlich bei einem Besuch im Baltikum versuchte er mit Hinweis auf die deutsche Marinepräsenz in der Ostsee Esten, Letten und Litauern die Angst vor einer Moskauer Aggression gegen ihre Länder zu nehmen. Und tatsächlich geht das Engagement über den maritimen Anteil der schnellen Nato-Eingreiftruppe namens VJTF hinaus, die in diesem Jahr unter deutschem Kommando steht. Gerade hat auch eine große Nato-Übung, genannt Baltops, unter deutscher Beteiligung begonnen, auf die die russische Seite mit einer eigenen Übung reagierte. „Diese Befürchtung habe ich nicht“, sagte Scholz am Montag auf die Frage, ob sich dadurch die sicherheitspolitische Lage zwischen der Nato und Russland verschärfe.
Militärische Dauerpräsenz auf See
Aber auch der Alltag ist jenseits solcher Großmanöver ein anderer geworden. „Aktuell sind durchschnittlich immer vier bis sechs Einheiten der Deutschen Marine in der Ostsee“, erklärt Flottillenadmiral Stephan Haisch dem Tagesspiegel: „Wir haben schon nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 begonnen, den Fokus wieder stärker auf die Landes- und Bündnisverteidigung zu legen, und haben diesen Prozess nun intensiviert.“ Dazu gehört auch, dass gerade erstmals seit 2006 keine „seegehende Einheit“, wie das bei der Marine heißt, am UNIFIL-Einsatz vor der Küste Libanons teilnimmt..
Mit einem Schnellboot ging es für Olaf Scholz zwischendurch zu einem Minenjagdboot in der Nähe der „Mecklenburg-Vorpommern“.. © REUTERS/Pool
Der verstärkte Einsatz im Ostseeraum ist auch für Scholz eine Reaktion auf die Zeitenwende. Er wandte sich am Montag an die Seeleute auf der Fregatte Mecklenburg-Vorpommern und dankte ihnen für Ihren Dienst: „Gerade diejenigen, die hier tätig sind, müssen ganz lange Einsatzzeiten akzeptieren, sind oft ganz lange nicht zu Hause und tun das für unser Land.“
Der Kanzler hat diese Veränderungen selbst angekündigt beim Nato-Gipfel vor einem Jahr in Madrid. Deutschland werde seinen Verteidigungsbeitrag, so Scholz damals, „zu Land, zur See und in der Luft weiter ausbauen. Wir bieten an, in Rostock ein maritimes Regionalkommando für die Ostsee aufzubauen“.
Der Kanzler beobachtet an Bord der „Mecklenburg-Vorpommern“ den Überflug eines Eurofighter-Kampfjets. , © dpa/Kay Nietfeld
Das neue Ostsee-Hauptquartier in Rostock steht
Letzteres ist mittlerweile operativ. „Wir haben bereits Soldaten aus Dänemark, Finnland, Schweden, Litauen, Großbritannien und Frankreich bei uns integriert“, berichtet Haisch, der den Stab mit dem Kürzel DEU MARFOR leitet. Noch ist es ein nationales Projekt, die Einbettung ins Bündnis steht noch aus. „Die Erarbeitung einer neuen Kommandostruktur der Nato ist ein sehr komplexer Vorgang, daher rechne ich beim bevorstehenden Nato-Gipfel in Vilnius noch nicht mit einer diesbezüglichen Entscheidung“, so Haisch weiter: „Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir ab dem Jahreswechsel im offiziellen Auftrag der Nato hier in Rostock ein regionales maritimes Hauptquartier für die Ostsee betreiben“.
Entschlossenes Gestikulieren – Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Marinemanöver der Nato auch als „Zeichen“ der Stärke gegenüber Russland gedeutet. © REUTERS/Pool
Bei seinem Besuch in Rostock und auf See hat der Kanzler der Marine versprochen, für die neuen Aufgaben „gut ausgestattet“ zu sein. Dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Aktuell verfügt die Bundeswehr etwa über fünf Korvetten, die bisherigen Planungen sehen bis 2031 zehn Stück vor, die ab 2035 laut Langfristplanung um bis zu 18 möglicherweise unbemannte Future Combat Surface Systeme ergänzt werden – womit die Marine auch dem Nachwuchsmangel Rechnung tragen will.
Die Zeitenwende erreicht das Meer. „Die Marine muss und wird aufwachsen, viele Rüstungsprojekte wie die Fregatte 126 sind bereits angestoßen“, sagt Haisch. Er meldet jedoch zusätzlichen Bedarf an. Man habe „noch keine Tauchroboter oder autonome U-Boote – zuletzt hat die Anfrage zur Unterstützung bei der Untersuchung der gesprengten Nord-Stream-Röhren gezeigt, warum wir welche bräuchten.“ Der Kanzler wünschte am Montag jedenfalls schon einmal stets eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de