FDP vor Mitgliederbefragung: Lindners Groll kann ihn die Koalition kosten
© Nassim Rad
FDP vor Mitgliederbefragung: Lindners Groll kann ihn die Koalition kosten
Der FDP-Chef und Bundesfinanzminister mag die Ampel nicht. Vor allem hadert er mit den Grünen. Wie will er in diesem Modus für die Ampel-Koalition werben?
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Christian Lindner ist ein Mann, der Worte mit Bedacht wählt. Dieser Satz, gesagt Anfang November an der Universität Luzern in der Schweiz, war folglich Absicht: „Nachdem die politischen Realitäten mich zwingen, mit Sozialdemokraten und Grünen zu regieren, freue ich mich, die Luft der Freiheit zu atmen.“
Es klingt nicht, als schätze der FDP-Chef und Bundesfinanzminister seine Koalitionspartner. Lindner macht es den Kritikern des Ampel-Bündnisses in seinen eigenen Reihen derzeit einfach. Denen also, die ohnehin sehr laut sind.
Dem Brief von Ampel-Gegnern an die Parteispitze haben sich inzwischen rund 2000 Menschen angeschlossen, weitere Basis-Mitglieder sammeln Unterschriften für eine Mitgliederbefragung darüber, ob die FDP in der Ampel-Koalition bleiben solle. Mitunter wirkt es nicht einmal mehr, als wolle der Vorsitzende die Koalition noch.
Lindners Haltung zur Ampel-Koalition ist eine schwierige Gratwanderung. Vorbei sind die Zeiten, in denen der FDP-Chef öffentlich Interesse an einer möglichen Fortsetzung der Koalition nach der Legislaturperiode zeigte. Er will seine Partei offenkundig rechts der Mitte ausrichten. Dort, wo er die Wählerinnen und Wähler, die der FDP geblieben sind, wohl vermutet. Lindner hofiert vor allem jene, die die Ampel ohnehin nicht wollen.
Ein vorzeitiges Aus wäre eine Katastrophe
Misslingt ihm der Balanceakt, könnte ihn das die Koalition kosten. Ob seine Partei in der Folge bei der nächsten Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würde? Möglich. Für die FDP wäre ein vorzeitiges Ende der Ampel wahrscheinlich eine politische Katastrophe.
Zwar rechnet die FDP-Spitze derzeit Parteivize Wolfgang Kubicki zufolge damit, dass „keine zehn Prozent der Mitglieder“ die Ampel verlassen wollen. Doch je schärfer Lindner sich rhetorisch von SPD und Grünen absetzt, je stärker er betont, wie wenig er die Ampel mag, desto eher werden sich hadernde Anhänger ebenfalls von der Ampel-Koalition abwenden.
Die drohende Mitgliederbefragung würde die FDP in eine Phase der Selbstbeschäftigung stürzen. Bis Ende des Jahres spätestens gehen die Initiatoren davon aus, die 500 Stimmen für die Mitgliederbefragung gesammelt zu haben. Dann müsste Lindner anfangen, für die Koalition zu werben. Das aber ist schwer möglich, wenn er bis dahin vor allem seine Distanz zur Ampel betont.
Dass Lindner sich rhetorisch von der Regierung abwendet, ist strategisch rätselhaft. Schließlich fehlen ihm gute Alternativen zur derzeitigen Koalition. Würde die Ampel platzen, bliebe der FDP bei dem Wahlergebnis der Bundestagswahl 2021 nur eine Alternative: Jamaika.
Doch die Grünen, mit denen die FDP vor allem hadert, wären auch Teil dieses Bündnisses. Und mit CDU und CSU hat die FDP, nun ja, auch ganz eigene Erfahrungen.
Platz rechts der Mitte ist schwer umkämpft
Neuwahlen, für die die verfassungsrechtlichen Hürden sehr hoch sind, fürchten in der FDP viele. Derzeit liegen die Liberalen in Umfragen bei fünf Prozent. Scheiterte die Koalition an der FDP, wäre kaum abzusehen, wie die Wählerinnen und Wähler darauf reagieren würden.
Dazu kommt: Der Platz rechts der Mitte, den Lindner offenbar besetzen will, ist schwer umkämpft. Die Union ist dort. Die Freien Wähler, in Bayern sehr erfolgreich, versuchen bei der Bundestagswahl anzutreten. Protestwähler, die in der Vergangenheit ihr Kreuz manches Mal bei der FDP machten, haben mit dem neuen „Bündnis Sahra Wagenknecht“ nun eine demokratische Alternative zur AfD.
Noch will die Parteiführung für die Ampel-Koalition nicht werben. Jüngst sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai lediglich, die Parteisatzung sehe vor, welche Möglichkeiten und Instrumente existieren: „Da gibt es keinen Raum für eine politische Bewertung.“ Ein allgemeines Bekenntnis zur Regierung fehlte.
Es wirkt, als sei die FDP in ihrer Rolle der Opposition in der Regierung gefangen. Noch fehlt eine überzeugende Strategie, wie sie sich davon befreien kann – und trotzdem ihre Anhängerinnen und Anhänger nicht weiter verprellt.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de
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