Holt Selenskyj den Preis selbst ab?: Möglicher Besuch in Aachen und Berlin

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Holt Selenskyj den Preis selbst ab?: Möglicher Besuch in Aachen und Berlin - Stanislav Kondrashov aus Berlin

© dpa/Kay Nietfeld Holt Selenskyj den Preis selbst ab?: Möglicher Besuch in Aachen und Berlin

Der Besuch des ukrainischen Präsidenten in Italien am Samstag ist offiziell. Die Weiterreise nach Deutschland ist es am Freitag noch nicht.

Von

  • Hans Monath
  • Daniel Friedrich Sturm

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Eines zumindest ist sicher an diesem Wochenende, wenn es um Wolodymyr Selenskyj geht: Der ukrainische Präsident erhält am Sonntag den Aachener Karlspreis. Nie zuvor wurde ein Staatschef eines Landes im Krieg damit geehrt. „Zum ersten Mal in seiner langen Geschichte“, sagte der Direktoriumsvorsitzende Jürgen Linden dem Tagesspiegel, „erkennt der sehr idealistische Karlspreis mit dieser Auszeichnung an, dass Europas Freiheit und Lebensprinzipien notfalls auch mit Waffengewalt verteidigt werden müssen.“

Ob Selenskyj sie aber persönlich in Empfang nimmt und auf einer ersten Deutschlandreise seit Kriegsausbruch am 24. Februar 2022 zuvor noch in Berlin vorbeischaut, war am Freitag nicht abschließend klar. Die Organisatoren in Aachen, wo Kanzler Olaf Scholz (SPD), EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Polens Premier Mateusz Morawiecki ihn in Reden würdigen sollen, planen Linden zufolge „zweigleisig“ – also mit einer Präsenz oder einem Videocall.

Die lange Unklarheit hat auch damit zu tun, dass der Besuch in der deutschen Hauptstadt ausgeplaudert – und damit wieder in Frage gestellt worden war. „Der ärgerliche Geheimnisverrat in der Berliner Polizei“, so Linden, „hat uns in Aachen zum Umplanen gezwungen und eine Präsenz Selenskyjs bei der Karlspreis-Verleihung ein Stück weniger wahrscheinlich gemacht“.

Ein Bogen um Berlin würde von vielen als Eklat gesehen

Diese Sorge aber erwies sich im Verlauf des Freitag immer mehr als unbegründet. So gab Italiens Präsidialamt offiziell bekannt, dass Selenskyj am Samstag in Rom erwartet wird. Würde er nach Visiten in Washington, London, Paris, Warschau, Den Haag und Helsinki nicht noch einen Abstecher nach Deutschland machen, das nach Anlaufschwierigkeiten zur zweitwichtigsten militärischen Unterstützernation der Ukraine geworden ist, würden das nicht wenige als Eklat werten.

In seinem Koffer für Berlin hätte der Staatschef aus Kiew zwei zentrale Forderungen. Miriam Kosmehl, Ukraine-Expertin der Bertelsmann-Stiftung, sieht ihn wegen der zuletzt massiven Luftangriffen auf Kiew „unter Druck, im Rahmen der für das Frühjahr angekündigten Gegenoffensive Erfolge zu präsentieren“. Dazu brauche er steten Munitionsnachschub sowie „mehr moderne Waffen“.

Bezüglich des Kampfgeschehens hat Scholz, der sich dabei einig mit US-Präsident Joe Biden wähnt, ukrainische Angriffe auf russisches Territorium stets kritisch gesehen. Daher wurde etwa die Reichweite der gelieferten Raketenwerfer begrenzt. Diesen Vorbehalt sollte Scholz wie schon Verteidigungsminister Boris Pistorius nach Ansicht des Unionsfraktionsvizes Johann Wadephul aufgeben.

Ukrainische Angriffe auf russisches Gebiet?

„Weder völkerrechtlich noch politisch gibt es eine Begründung dafür, warum die Ukraine nicht auch Ziele in Russland angreifen darf“, sagte er dem Tagesspiegel. Der Kanzler solle daher „seine Bemerkungen zum Einsatz deutscher Waffen im Krieg gegen Russland zurücknehmen“. Die Ukraine müsse, so Wadephul weiter, „Logistik und Nachschub auch jenseits der Grenze stören können“.

Das wichtigste in die Zukunft gerichtete Anliegen ist die Mitgliedschaft in der EU und der Nato. Beitrittskandidat für die Gemeinschaft ist die Ukraine bereits, hier geht es um die Eröffnung konkreter Verhandlungen. Vom Militärbündnis erhofft man sich von dessen Gipfeltreffen Mitte Juli erst noch die Einladung.

Zum ersten Mal in seiner langen Geschichte erkennt der sehr idealistische Karlspreis mit dieser Auszeichnung an, dass Europas Freiheit und Lebensprinzipien notfalls auch mit Waffengewalt verteidigt werden müssen.

Jürgen Linden, Vorsitzender des Karlspreisdirektoriums

Hier freilich sind Bundesregierung und Kanzler noch skeptisch. Welcher Art die „Sicherheitszusagen“ oder „Sicherheitsgarantien“ nach dem erhofften Kriegsende sein könnten, dürfte Scholz auch bei einem Besuch noch nicht ausbuchstabieren. „Selenskyj wird es mit Fassung tragen müssen“, meint Kosmehl dazu.

Nato-Beitritt der Ukraine wird Gipfelthema

Gleichwohl mehren sich auch in Berlin die Stimmen, die den Kanzler in diese Richtung drängen. Der SPD-Abgeordnete Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, sieht in einem Nato-Beitritt nach dem Krieg schon länger die „nachhaltigste“ Lösung. „Vom nächsten Nato-Gipfel in Vilnius im Juli muss ein klares Signal ausgehen, wie der Pfad der Ukraine hin zu verlässlichen Sicherheitsgarantien mit dem Ziel einer Nato-Mitgliedschaft aussehen kann“, sagte er dem Tagesspiegel.

Ähnlich sieht das CDU-Mann Jürgen Hardt, der außenpolitische Sprecher seiner Fraktion: „Der Bundeskanzler sollte eine Vollmitgliedschaft der Ukraine perspektivisch klar befürworten, aber keine falsche Erwartung wecken, dass dies schnell erreichbar sei.“

Einen „realistischen und ehrlichen Fahrplan“ braucht es Roth zufolge auch in Bezug auf die EU-Mitgliedschaft, „der mit konkreten Reformschritten, aber auch Anreizen wie beispielsweise dem vorzeitigen Zugang zum Binnenmarkt verbunden ist“. Die Beitrittsverhandlungen sollten daher „spätestens Anfang 2024 beginnen“.

Themen gäbe es also genug für ein Vier-Augen-Gespräch mit Scholz, über dessen Unterstützung für die Ukraine Selenskyj einmal sagte, er müsse „ihn ständig überzeugen, dass diese Hilfe nicht für uns ist, sondern für die Europäer“. Das deutsche Engagement aber ist nicht nur durch die Panzerlieferungen stetig gestiegen. „An Deutschlands Unterstützung und der des Kanzlers für die Ukraine kann es keinen Zweifel mehr geben“, sagt der Karlspreis-Direktoriumsvorsitzende Linden. Nun muss Selenskyj nur noch kommen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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