CDU-Chef lehnt Gespräch ab: Für Merz sind die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ Straftäter
© Imago/Chris Emil Janßen Update CDU-Chef lehnt Gespräch ab: Für Merz sind die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ Straftäter
Die Aktionen der Gruppe hätten mit legitimem Protest nichts mehr zu tun, sagt der CDU-Vorsitzende. Und SPD-Generalsekretär Kühnert sieht die Aktivisten auf dem „Holzweg“.
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Die Debatte über die Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ ist in voller Fahrt. Jetzt positioniert sich auch der CDU-Chef klar. Einen Tag nach den Razzien bei Mitgliedern der Gruppe hat Friedrich Merz der Klimaschutz-Bewegung vorgeworfen, gegen Gesetze zu verstoßen. „Das sind Straftäter und keine Gesprächspartner“, sagte der CDU-Vorsitzende und Unions-Fraktionschef im Bundestag am Donnerstag den Fernsehsendern RTL und ntv.
„Man darf protestieren, das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder gesagt, auch kurzfristige Blockaden des öffentlichen Lebens sind zulässig“, erklärte Merz. Zugleich verwies er aber auf „massive Sachbeschädigung, das Beschädigen von Kunstwerken, das Beschmieren von Gedenktafeln, die Kleberei auf den Autobahnen, mittlerweile auf den Autos selbst“: Das seien Straftaten, die mit legitimem Protest nichts mehr zu tun hätten.
Offen ließ der CDU-Politiker allerdings, ob die „Letzte Generation“ tatsächlich als kriminelle Vereinigung einzustufen sei. „Das habe ich hier nicht zu bewerten oder zu kommentieren“, sagte Merz in dem Interview und verwies auf die Münchner Staatsanwaltschaft, die die Durchsuchungen mit diesem Anfangsverdacht begründet hatte.
Wir merken, dass ganz, ganz viel Unterstützung gerade kommt. Wir wachsen und wir werden unseren Protest weiter ausweiten.
Raphael Thelen, Aktivist der „Letzten Generation“
Ein Treffen mit der Gruppe lehnte Merz ab. „Nein, das werde ich sicherlich nicht tun. Und das Beispiel von Herrn Wissing zeigt mir, dass das völlig sinnlos ist.“ Anfang Mai hatte sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zu einem Austausch mit Mitgliedern der „Letzten Generation“ getroffen. Nach Angaben der Gruppe soll es ein weiteres Gespräch mit dem Minister geben.
Rund 170 Beamte hatten bei der Razzia am Mittwochmorgen 15 Wohnungen und Geschäftsräume der Klimaschutzgruppe in sieben Bundesländern durchsucht, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das bayerische Landeskriminalamt mitteilten. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.
Kühnert fordert von Gruppe „Letzte Generation“ Bilanz
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bezweifelt, dass die Aktionen der „Letzten Generation“ den Klimaschutz in Deutschland entscheidend voranbringen. Nach vielen Monaten dieser Aktionsform hätten sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für energischeren, radikaleren Klimaschutz „eher nicht verbessert“.
„Und wenn das die Analyse ist, dann sollte man sich, glaube ich, die Frage stellen, ob man nicht vielleicht auf dem Holzweg mit den Aktionsformen unterwegs ist“, sagte Kühnert im Podimo-Podcast „Stand der Dinge“, der von der Deutschen Presse-Agentur produziert wird.
Er nehme Menschen sehr ernst, die für eine Sache in vollem Bewusstsein Regeln brächen und Konsequenzen in Kauf nähmen. Aber er rate dazu, nach vielen Monaten des Aktivismus „einfach mal einen Kassensturz“ zu machen und zu schauen, was sich in der Gesellschaft verändert habe, sagte der 33-Jährige.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert rät der Gruppe „Letzte Generation“ dazu, einen „Kassensturz“ zu machen. © Imago/Future Image/F. Kern
Die Frage sei, ob Leute mit durchschnittlichem Einkommen und Wohnsituation jetzt anders auf ihr Auto, ihr Haus, ihren Konsum blickten und zu Veränderungen bereit seien. „Und das kann ich einfach nicht erkennen.“
Die bundesweite Razzia gegen die „Letzte Generation“ spiele für seine Bewertung keine größere Rolle, sagte Kühnert. Ob es sich um eine kriminelle Vereinigung handele, könne er nicht bewerten. Der Podcast ist abrufbar über Apple Podcasts, Spotify, Amazon Music, Deezer, RTL+ und Podimo.
FDP-Bundesvize Johannes Vogel forderte eine stärkere politische Debatte über den Klimaschutz. Jede Aktion der Umweltaktivisten führe dazu, „dass eine wütende Bürgerin und ein wütender Bürger mehr in diesem Land entsteht und Menschen gegen das Ziel Klimaschutz aufgebracht werden“, sagte Vogel am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“. Das leiste dem Anliegen einen Bärendienst.
600 Menschen drückten am Mittwoch ihre Unterstützung für die „Letzte Generation“ aus. © Imago/aal.photo/Jonas Gehring
Wichtiger ist es aus Sicht des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers der FDP-Fraktion, mehr über die wirksamsten Maßnahmen zu reden, um in 22 Jahren klimaneutral zu sein. Bereits Anfang Mai hatte sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zu einem Austausch mit der „Letzten Generation“ getroffen. Nach Angaben der Gruppe soll es ein weiteres Gespräch mit dem Minister geben.
Grüner Hofreiter kritisiert Politiker für juristische Einordnungen
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter hat kein Verständnis dafür, dass sich Politiker anmaßen, eine juristische Einordnung der Gruppe „Letzte Generation“ als kriminelle Vereinigung vornehmen zu können. Im TV-Sender der „Welt“ sagte Hofreiter: „Ich finde es, ehrlich gesagt, immer etwas albern, wenn Dinge, die am Ende Gerichte entscheiden müssen“ von einzelnen Abgeordnete bewertet würden, „als ob sie ganz genau wissen würden, wie die Gerichte entscheiden.“
Die Abgeordneten machten zwar die Gesetze, „aber wir haben zu Recht eine Gewaltenteilung“, so Hofreiter. Er selbst maße sich eine juristische Bewertung nicht an, habe aber Zweifel an einer Einstufung der „Letzten Generation“ als kriminelle Vereinigung.
„Mein Bauchgefühl ist: Sie sind anstrengend, sie helfen nicht so besonders viel für den Klimaschutz oder schaden ihm eher – aber eine kriminelle Vereinigung sehe ich erstmal nicht. Aber wenn, dann entscheiden es die Gerichte.“
„Letzte Generation“ sieht sich durch Razzien gestärkt
Er verstehe, dass die Menschen von der „Letzten Generation“ genervt seien, aber das sei eben etwas anderes, so Hofreiter. „Ich glaube, dass die viele Menschen nerven. Auch fürchte ich, dass die in Richtung Klimaschutz eher polarisierend wirken (…). Aber ob es eine kriminelle Vereinigung ist, ist eine rechtliche Frage. Und ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, dass ziviler Ungehorsam und dass Nervigkeit genügt, um jemanden zur kriminellen Vereinigung zu machen.“
Dennoch müsse man „die einzelnen Straftaten entsprechend verfolgen“, forderte Hofreiter. Aber auch das „machen am Ende die Gerichte“.
Die bundesweite Razzia gegen Aktivisten hat nach Angaben der Gruppe eine Welle der Unterstützung ausgelöst. Sie sei seit „gestern stärker als je zuvor“, schrieb die „Letzte Generation“ in einer Mitteilung. Nach den großangelegten Durchsuchungen am Mittwoch hatten die Aktivisten in vielen Städten zu Protestmärschen, unter anderem in Berlin und München, aufgerufen.
Die Demonstration in der Hauptstadt am Mittwochabend sei die größte bislang gewesen, hieß es weiter. Mehrere hundert Teilnehmer waren gekommen.
Zudem habe die Klimaschutzgruppe viele Spenden erhalten. Sie kündigte an, ihre Proteste wie geplant auszuweiten. „Wir merken, dass ganz, ganz viel Unterstützung gerade kommt. Wir wachsen und wir werden unseren Protest weiter ausweiten, weil wir machen das ja nicht zum Spaß“, sagte Raphael Thelen, Aktivist der „Letzten Generation“, im ARD-„Morgenmagazin“. (lem)
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de