Schreiners Radwegestopp: Fördermittel drohen zu verfallen – Berliner Bezirke könnten Millionen Euro verlieren
© imago/Jürgen Ritter Schreiners Radwegestopp: Fördermittel drohen zu verfallen – Berliner Bezirke könnten Millionen Euro verlieren
Die Verkehrsstadträtinnen der Grünen halten die Anweisung von Verkehrssenatorin Schreiner für rechtswidrig. Sie warnen vor enormen finanziellen Folgen.
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Den Berliner Bezirken könnte durch den von Verkehrssenatorin Manja Scheiner (CDU) verhängten Radwege-Bau- und –Planungsstopp ein zweistelliger Millionenbetrag verloren gehen. Das ergibt sich aus der Aufstellung nun gefährdeter Projekte, die mehrere Grünen-Verkehrsstadträtinnen am Dienstag beschrieben. Bereits bei sehr konservativer Schätzung ergebe sich eine Summe von mindestens zehn Millionen Euro, die zu verfallen drohe.
Das Ausmaß der Verluste hängt nach Darstellung der Stadträtinnen davon ab, wie schnell die Senatsverwaltung den verhängten Stopp aufhebe; der Schaden wachse mit jedem Tag. Bei einem regulären Treffen mit Schreiner am Montagabend habe man „viele Fragen gestellt, aber leider wenige Antworten bekommen“, berichtete Stadträtin Almut Neumann aus Mitte. Sie sprach von „verantwortungslosem Handeln“ der CDU-Senatorin.
Nach Auskunft von Neumann bauen die Bezirke die Radwege und -spuren auf Hauptstraßen in der Regel mit 75 Prozent Geld vom Bund und 25 Prozent vom Land. „Wir sind auf diese Fördermittel, die wir beim Bund eingeworben haben, angewiesen. Wenn wir in diesem Jahr das Geld nicht ausgeben, verfällt es.“ Da Baustellen mit Firmen und der BVG koordiniert, Beschilderungen organisiert und Aufträge ausgeschrieben werden müssten, komme es auf jeden Tag an; der Zeitplan sei oft ohnehin eng. Stadträtin Claudia Leistner aus Treptow-Köpenick forderte „eine schriftliche Zusicherung“, dass der Senat für Folgekosten aufkomme. Vertragsstrafen und Schadensersatzansprüche von Bauunternehmen seien zu befürchten.
© Stefan Jacobs/TSP
Welche Vorhaben im Einzelnen gefährdet sind, wissen die Stadträtinnen noch immer nicht – auch, weil die Senatsverwaltung widersprüchliche und unklare Kriterien für die Rücknahme ihrer Finanzierungszusage genannt habe. Die Lichtenberger Stadträtin Filiz Keküllüoglu nannte als Beispiel aus ihrem Bezirk die Siegfriedstraße, auf der 2020 ein Radfahrer von einem Lkw angefahren und tödlich verletzt wurde.
Die Planung der Radfahrstreifen dort inklusive Parkplatz-Ersatz stamme von ihrem CDU-Amtsvorgänger und habe bereits mehr als 100.000 Euro gekostet. Für die Umsetzung seien 1,1 Millionen Euro zugesagt gewesen. Gefährdet seien auch die bereits „sehr weit fortgeschrittene Planung“ für einen Teil der Hansastraße und die Umgestaltung der Scheffelstraße.
In Treptow-Köpenick steht der Radstreifen am Adlergestell zur Disposition
In Tempelhof-Schöneberg sind nach Auskunft von Stadträtin Saskia Ellenbeck die geplanten Radwege auf Grunewald- und Hauptstraße durch den Stopp gefährdet. „Wir haben klargemacht, dass wir die Freigabe der Mittel bis Mittwoch Dienstschluss brauchen.“
In Treptow-Köpenick steht nach Auskunft von Leistner der mit zweimal 2,4 Kilometern besonders lange Radstreifen an der Köpenicker Landstraße zur Disposition, außerdem der am Adlergestell stadteinwärts. Für den gebe es 800.000 Euro vom Bund; die Markierungen seien schon beauftragt. „Wir hatten geplant, mit der Umsetzung der Baumaßnahme Anfang Juli zu beginnen.“
Die Stadträtinnen verwahrten sich auch gegen die Darstellung der Senatsverwaltung, wonach bisher „schablonenartig“ geplant worden sei: Alle Projekte seien jahrelang erarbeitet und abgewogen worden. Wie die Senatorin die von ihr angekündigte Neuabwägung „zügig“ schaffen wolle, sei ihnen völlig unklar.
Ein Bezirk prüft, ob die Anweisung der Senatsverwaltung rechtswidrig ist
Das Friedrichshain-Kreuzberger Rechtsamt prüft nach Auskunft von Stadträtin Annika Gerold, ob der verhängte Stopp rechtswidrig ist. Denkbar seien ein haushaltsrechtlicher Verstoß, weil ins vom Parlament beschlossene laufende Budget nur die Finanzverwaltung nachträglich eingreifen dürfe. Zum anderen verstoße der Stopp an mehreren Punkten gegen das Mobilitätsgesetz und betreffe obendrein auch Nebenstraßen, für die laut Gesetz allein die Bezirke zuständig seien. Als Beispiele aus ihrem Bezirk nannte Gerold Infrastruktur in Scharnweber-, Frieden-, Stallschreiber-, Prinzen- und Revaler Straße, Michaelkirchbrücke und Stralauer Platz, die nun womöglich nicht gebaut werden könne.
Damit die Arbeit für mehr Verkehrssicherheit nicht zum Stillstand kommt, setzen die Stadträtinnen auf den Druck der Straße – auf die „wache Zivilgesellschaft, die sich das Mobilitätsgesetz mühsam erkämpft hat“. Für die nächsten Tage sind bereits mehrere Demonstrationen in diesem Sinne angemeldet.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de