Nach Farbattacke auf Berliner Weltzeituhr: Senat sieht Klimaaktivisten „als Sicherheitsrisiko für die Stadt“ – Bezirk stellt Strafanzeige
© IMAGO/dts Nachrichtenagentur/IMAGO/dts Nachrichtenagentur Update Nach Farbattacke auf Berliner Weltzeituhr: Senat sieht Klimaaktivisten „als Sicherheitsrisiko für die Stadt“ – Bezirk stellt Strafanzeige
Nach Straßenblockaden färbt die „Letzte Generation“ zusehends bekannte Wahrzeichen ein. Nun traf es ein weiteres Denkmal. Für den Senat ist „das Maß voll“. Und ob die Farbe komplett abgeht: unklar.
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Der Berliner Senat verurteilt die erneute Farbaktion der „Letzten Generation“ scharf. „Das Maß ist übervoll“, erklärten Regierungschef Kai Wegner (CDU) und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) im Anschluss an die Senatssitzung vom Dienstag. Nur wenige Stunden zuvor hatten Mitglieder der Gruppe die als Wahrzeichen bekannte Berliner Weltzeituhr mit Farbe besprüht.
Wegner und Spranger begründeten ihre Haltung mit der Sondersituation, in der sich die Berliner Polizei seit den terroristischen Angriffen der Hamas auf Israel befindet.
„Seit zehn Tagen sind die Polizistinnen und Polizisten unserer Stadt Tag für Tag und Nacht für Nacht im Einsatz – zum Schutz jüdischen und israelischen Lebens, zum Schutz der Sicherheit auf unseren Straßen und zum Schutz unseres Zusammenlebens. Sie befinden sich im Dauereinsatz für uns alle“, erklärten die beiden. Sie warfen der „Letzten Generation“ vor, mit ihren Attacken den Schutz israelischen und jüdischen Lebens zu gefährden.
„Statt sinnloser Aktionen hätten sie jetzt die Chance, sich klar zu menschlicher Rücksichtnahme und humanitären Werten zu bekennen“, schlossen die beiden. Senatssprecherin Christine Richter hatte im Anschluss an die Senatssitzung ergänzt: „Die Letzte Generation ist spätestens jetzt ein Sicherheitsrisiko für unsere Stadt.“
Matthias Kollatz, Sprecher für Denkmalschutz der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, teilte mit: „Auch für die Kunst aus der DDR-Zeit gilt: Der Grad der Zivilisation lässt sich gut daran erkennen, wie sie mit ihren Denkmalen, mit der Frauengleichberechtigung und der Freiheit von Andersdenkenden umgeht.“ Die Aktivist:innen legten eine „unzivilisierte Verachtung gegenüber Denkmalen“ an den Tag. Dies schade auch dem „Anliegen Klimaschutz“.
Farbe aus vier Feuerlöschern
Zuvor war die Weltzeituhr auf dem Berliner Alexanderplatz von der Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ mit oranger Farbe besprüht worden. Mehrere Mitglieder der Gruppe versprühten die Farbe am Dienstagmorgen gegen 9 Uhr aus vier Feuerlöschern auf die bekannte Touristenattraktion, die danach fast komplett orange war. Auch die Säule, auf der die Uhr steht, und der Boden unter der Uhr, bekamen viel Farbe ab.
Zudem kletterten zwei Demonstranten über eine lange Leiter auf die Uhr und postierten sich dort mit einem Transparent, auf dem stand: „Uns läuft die Zeit davon.“ Dazu teilte die Gruppe mit: „Die Bundesregierung verschwendet kostbare Zeit mit fadenscheinigen Klimaschutzmaßnahmen und verlogenen Lippenbekenntnissen.“
Orange Weltzeituhr: Geht die Farbe wieder ab?
Die Aktion fand nur wenige Meter neben der Polizeiwache am Alexanderplatz statt. Die Polizei war im Einsatz und entsandte auch Höhenretter. Gegen Mittag seien beide Personen von der Weltzeituhr heruntergeholt worden, hieß es. Eine Reinigungsfirma hatte anschließend im Auftrag des Bezirksamtes Mitte begonnen, den Boden rund um die Uhr und dann auch die Uhr selbst mit einem Hochdruckreiniger sauberzumachen.
„Bislang ließ sich die Farbe gut entfernen“, sagte ein Sprecher des Bezirksamtes dem Tagesspiegel. Allerdings sei an einigen Stellen Lackfarbe aufgetragen worden, die sich nicht so leicht entfernen lasse. Am Donnerstag soll ein Bauzaun aufgestellt werden, um mithilfe einer Hebebühne den oberen Teil zu reinigen. Das Bezirksamt habe Strafanzeige gegen die Verursacher gestellt, sagte der Sprecher.
Von neun Demonstranten wurden die Personalien festgestellt, wie ein Polizeisprecher sagte. Im Internetkanal der Gruppe auf der Plattform X (früher Twitter) äußerten sich viele Leser spontan sehr sauer und höchst empört. Sie beschimpften die Klimaaktivisten oder drohten ihnen mit Gewalt. Viele bezweifelten den Sinn der Aktionen.
© Nina Breher
Die Weltzeituhr, ein Werk des DDR-Formgestalters Erich John, steht nahe dem Bahnhof Alexanderplatz und wurde 1969 der Öffentlichkeit übergeben. Sie zeigt die Zeitzonen der Erde und darin liegende Städte. Oberhalb der Uhr in Form einer dicken Scheibe zeigt ein Modell das Sonnensystem. Die Uhr steht unter Denkmalschutz und ist seit Jahrzehnten ein beliebter Treffpunkt bei Verabredungen auf dem großen Alexanderplatz.
Die Aktivisten der „Letzten Generation“ hatten am Montag zum Semesterbeginn Gebäude der Technischen Universität (TU) und der Freien Universität (FU) ebenfalls großflächig mit oranger Farbe besprüht. Einige Täter wurden von der Polizei festgenommen. In der vergangenen Woche gab es bereits mehrere Farbaktionen der Gruppe an anderen deutschen Universitäten. Wie teuer die jeweiligen Reinigungen werden, stand noch nicht fest.
Mitte September hatte die Gruppe das Brandenburger Tor besprüht. Die Polizei nahm damals 14 Klimaaktivisten fest. Die aufwendige und komplizierte Reinigung des Denkmals aus Sandstein soll nach Angaben des Senats mehr als 100.000 Euro kosten. Berlin will sich das Geld von der Gruppe zurückholen.
Für den 28. Oktober kündigte die Gruppe eine „Massenbesetzung“ der Straße des 17. Juni in Berlin an. Seit Anfang 2022 blockierte sie vor allem Straßen, um Staus zu erzeugen und so auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam zu machen. Inzwischen laufen Hunderte Strafverfahren in der Justiz und es gab bereits zahlreiche Verurteilungen. Außerdem wurden die Glasscheiben vor Kunstwerken in Museen mit Essen beworfen.
Die „Letzte Generation“ erklärte immer wieder, dass sie vor allem Aktionsformen nutzt, die eine besonders hohe Aufmerksamkeit in den Medien und der Öffentlichkeit erzeugen. (mit dpa)
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de