Bodycam-Pläne für Polizei und Retter in Berlin: Schwarz-Rot mit Gesetzentwurf vor dem Showdown
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Bodycam-Pläne für Polizei und Retter in Berlin: Schwarz-Rot mit Gesetzentwurf vor dem Showdown
Die geplante flächendeckende Einführung von Bodycams in Berlin stößt wegen möglicher Verfassungswidrigkeit auf Hindernisse. Muss die rot-schwarze Koalition ihren Gesetzentwurf in zentralen Punkten überarbeiten?
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Der von der rot-schwarzen Koalition in Berlin geplante flächendeckende Einsatz von Bodycams bei Polizei, Feuerwehr und Ordnungsämtern steht am Montag bei einer Anhörung im Innenausschuss vor dem Showdown. Die Koalition wird vermutlich nicht umhinkommen, zentrale Punkte ihrer Gesetzesinitiative – und eines ihrer zentralen Vorhaben in der Innenpolitik – nachzubessern.
Grund sind gravierende Mängel, die bis an den Rand der Verfassungswidrigkeit reichen. Die Bodycams sind Teil eines schwarz-roten Sicherheitspaketes, das in Teilen noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll. Die Landesdatenschutzbeauftragte Meike Kamp hatte bereits im Vorfeld in einer schriftlichen Stellungnahme erklärt, dass die geplanten Regelungen zur Nutzung von Bodycam-Aufnahmen aus Wohnungen auch für die Strafverfolgung verfassungswidrig seien. Denn dafür sehe das Grundgesetz einen Richterbeschluss vor.
Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist ein Grundrecht, jedwede Überwachung durch die Staatsgewalt benötigt zumindest nachträglich eine Gerichtsentscheidung. Auf diesen Richtervorbehalt hat Schwarz-Rot im Gegensatz zu anderen Bundesländern verzichtet, wenn es um die Nutzung der Videos für strafrechtliche Ermittlungen geht.
Der Datenschutzbeauftragte Meike Kamp sieht zudem gravierende handwerkliche und rechtliche Fehler im Entwurf der Koalition. So etwa bei Bodycam-Einsätzen in Geschäftsräumen von Berufsgeheimnisträgern wie Ärzten oder Anwälten oder beim Einsatz der Geräte durch Feuerwehr und Ordnungsämter.
Zum besseren Schutz der Beamten sei die Bodycam nötig
Für Aufsehen und Kopfschütteln in Politik, Polizei und Justiz hat die Reaktion der Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf die vom Tagesspiegel publik gemachte Kritik der Datenschutzbeauftragten gesorgt. „Wir haben das zur Kenntnis genommen, aber es gibt auch so ziemlich keine Maßnahme zur Erhöhung der Sicherheit in dieser Stadt, bei der die Datenschutzbeauftragte die Sektkorken knallen lässt“, sagte GdP-Landeschef Stephan Weh.
Schwarz-Rot verkündet mehr Sicherheit, liefert jedoch eine Aushöhlung von Grundrechte. Die einzige Evidenz, die sie haben, ist ihr Bauchgefühl.
Vasili Franco, Innenexperte der Grünen
Die Bodycam sei nötig – und zwar „genau mit der jetzt angedachten Gesetzesgrundlage“. Es gehe darum, den Schutz der Beamten vor Übergriffen zu erhöhen und Betroffenen von Straftaten, wie etwa Opfern häuslicher Gewalt, helfen zu können, um Kriminalprävention und Strafverfolgung nachhaltig zu verbessern. „Wenn die Datenschutzbeauftragte denkt, dass die Sicherheitsbehörden unsachgemäß und rechtswidrig mit dem Material umgehen, können die Aufnahmen auch gerne alle bei ihr gelagert werden.“
Koalition müsse Warnungen ernst nehmen
Der Grünen-Innenexperte Vasili Franco erinnerte daran, dass die bestehende Bodycam-Regelung der rot-grün-roten Vorgängerkoalition erst noch gesetzlich evaluiert werden müsse. Doch jegliche Fristen dafür wolle Schwarz-Rot streichen. „Die angeblich eilbedürftige Änderung des Polizeigesetzes entpuppt sich als gefährlicher Schnellschuss. Ohne Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse riskiert die Koalition ein verfassungswidriges Gesetz“, sagte Franco. Und: „Schwarz-Rot verkündet mehr Sicherheit, liefert jedoch eine Aushöhlung von Grundrechte. Die einzige Evidenz, die sie haben, ist ihr Bauchgefühl.“
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Die Koalition müsse die Warnungen der Datenschutzbeauftragten ernst nehmen und die umfassende Kritik berücksichtigen. Auch die Ausweitung der Bodycam auf Feuerwehr, Rettungsdienste und Ordnungsämter sei weder rechtlich noch tatsächlich praktikabel. „Der Schutz von Grundrechten scheint unter Schwarz-Rot keine Priorität zu haben. Verfassungswidrige Gesetze führen nicht zu mehr Sicherheit, sondern sind zum Schaden von Polizei und Bürger:innen“, sagte Franco.
Polizeiberufsverband kritisiert den Gesetzesentwurf
Niklas Schrader, Innenexperte der Linksfraktion, hatte bereits kritisiert, dass der Gesetzentwurf der Koalition zu deutlich schärferen Grundrechtseingriffen führe. „Die Datenschutzbeauftragte zeigt, dass CDU und SPD sich mit vielen verfassungsrechtlichen Problemen nicht einmal ernsthaft auseinandergesetzt haben“, sagte Schrader. Selbst der Polizeiberufsverband „Unabhängige“ kritisierte den Gesetzentwurf von Schwarz-Rot.
„Unser Berufsverband hatte bereits 2020 in einer Anhörung im Abgeordnetenhaus darauf hingewiesen, dass Bodycam-Videos aus Wohnungen bei Ermittlungen dem Richtervorbehalt unterliegen“, so Verbandssprecher Jörn Badendick. „Keinem unserer Kollegen ist geholfen, wenn er sich aufgrund einer unsicheren Rechtsgrundlage nach Einschalten der Bodycam auf der Anklagebank wiederfindet.“
Datenschutzbeauftragte der Polizei in Verfahren involviert
Mit Argwohn sieht der Berufsverband, dass Schwarz-Rot die Datenschutzbeauftragten von Polizei, Feuerwehr und bei den Ordnungsämtern der Bezirke darüber entscheiden lassen will, ob Bodycam-Videos aus Wohnungen für Ermittlungen genutzt werden dürfen. „Dass die Regierungsfraktionen die behördliche Datenschutzbeauftragte anstelle des gesetzlichen Richters als Kontrollinstanz implementieren möchte, wird dem verfassungsrechtlichen Anspruch nicht gerecht werden“, sagte Badendick.
Die Datenschutzbeauftragte der Polizei sei selbst in Verfahren involviert und blockiere die Überprüfung, ob die Polizei rechtmäßig vorgehe. So etwa bei Klagen zur Freigabe von Protokollen, die Abfragen in Datensystemen der Polizei belegen.
Dass die Regierungsfraktionen die behördliche Datenschutzbeauftragte anstelle des gesetzlichen Richters als Kontrollinstanz implementieren möchte, wird dem verfassungsrechtlichen Anspruch nicht gerecht werden.
Jörn Badendick, Gründungsmitglied und Sprecher des Polizeiberufsverbandes „Unabhängige“
Auch die Landesdatenschutzbeauftragte Kamp kritisierte, dass die Beauftragten der Behörde anstelle von Richtern Aufnahmen freigeben sollen. Dies falle „nicht in die Kernkompetenz“ der behördlichen Datenschutzbeauftragten, die dazu „weder ermächtigt noch qualifiziert“ seien, erklärte Kamp.
Koalitionspolitiker bemühten sich, die Sache kleinzureden. Was die Datenschutzbeauftragte finde, sei nur „eine Meinung“. Und es werde auch andere Meinungen geben, so der SPD-Innenexperte Martin Matz. Dazu gebe es jetzt Anhörungen und deren Auswertung im Gesetzgebungsprozess. Für Polizisten seien die geplanten Neuregelungen „in jedem Fall solide und klar“, sagte Matz. Und ob da ein Richter oder eine behördliche Datenschutzbeauftragte ran müsse, mag „eine Frage von Effektivität versus politisches Risiko sein.“
CDU-Innenexperte Burkard Dregger sprach von einem üblichen parlamentarischen Ablauf im Gesetzgebungsverfahren. Nach der Anhörung werde man die Expertenmeinungen auswerten und bei Bedarf nachsteuern. Klar sei aber auch, dass es sich bei den Vorhaben der Koalition und der Ausweitung des Bodycam-Einsatzes um einen großen sicherheitspolitischen Schritt für Berlin handele.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de