Vom Verlieren und den Fragen danach: Der Klopp in uns
© Reuters/Molly Darlington
Vom Verlieren und den Fragen danach: Der Klopp in uns
Liverpools deutscher Trainer reagiert in einem Interview nach einer Niederlage wenig souverän und wird dafür nun kritisiert. Hat er den Bogen überspannt? Versuch einer Erklärung.
Ein Kommentar von Jörg Leopold
Verlieren will gelernt sein, heißt es so schön. Einige Menschen schaffen das sehr gut, womöglich, weil es einfach zum Leben dazu gehört. Und weil es ja durchaus öfter mal passiert, dass andere manche Dinge eben besser beherrschen.
Im Sport, wo es im Profibereich um Gewinnen oder Verlieren geht, wo es heißt: Alles oder nichts, ja zuweilen sogar „Do or Die“, stellt sich die Lage etwas anders dar. Und so entsteht zuweilen der Eindruck, dass sich einige Protagonisten besonders schwer damit tun, Niederlagen zu akzeptieren.
Womit wir bei Jürgen Klopp wären. Der Trainer des FC Liverpool grätschte nach dem dramatischen 3:4 am Sonntag im FA Cup gegen Manchester United einen Reporter verbal rüde ab. Dieser hatte Klopp dessen Auffassung zufolge eine „dumme Frage“ gestellt und als der Mann anschließend trotzdem nicht lockerließ, brach Klopp das Interview mit den Worten ab: „Du bist anscheinend nicht in guter Form und ich habe keine Nerven für dich.“
Was folgte, war ein veritabler Shitstorm für Klopp. So wie das heutzutage nun einmal ist. Letztlich steht die Frage im Raum: Ist der Deutsche ein schlechter Verlierer? Und muss er als erfahrener Trainer eine solche Situation nicht souveräner lösen?
Du bist anscheinend nicht in guter Form und ich habe keine Nerven für dich.
Jürgen Klopp zum dänischen Reporter Christian Frederiksen, ehe er das Interview abbrach.
Hinterfragen wir uns einmal selbst: Wie gehen wir mit Kritik um, wie war das früher im Freizeitsport, wenn mal wieder einer an der Tischtennisplatte besser war? Haben wir dann immer freundlich gratuliert und hinterher darüber mit aller Welt gesprochen? Tragen wir nicht alle irgendwo den Klopp in uns?
Ja, klar. Klopp kassiert Millionen. Er sollte sich und seine Emotionen im Griff haben. Auf der anderen Seite aber werden immer Typen gefordert. Menschen also, die genau jene Leidenschaft verkörpern und nicht vorhersehbar auf alles und jeden reagieren.
Der dänische Reporter Christian Frederiksen von Viaplay zeigte nach dem misslungenen Interviewversuch Größe, er erklärte, mit der Reaktion von Klopp „überhaupt kein Problem“ zu haben. In gewisser Weise ist er damit binnen 24 Stunden vom Deppen zum Helden aufgestiegen. Und wird weiter seine Fragen stellen, denn eine Selbstzensur aus Angst vor der Antwort des Gegenübers darf es für einen Journalisten nicht geben. Sonst hätte er seinen Beruf verfehlt.
Man muss Klopps Ausbruch nicht gutheißen, aber wenn ihn nun deswegen Dritte kritisieren, wirkt das ein wenig scheinheilig. Natürlich gibt es eine Vorgeschichte, der Liverpool-Coach wirkte schon so manches Mal ein wenig dünnhäutig, wenn ihm Fragen nicht so recht in den Kram passten.
Doch es ist etwas anderes, ob man direkt nach einem nervenaufreibenden Spiel, das bitter endete, einen Interviewmarathon absolvieren muss oder ob zum Beispiel vor einem Wettbewerb locker im Rahmen einer Pressekonferenz geplaudert wird. Auch hier – auch das gehört zur Wahrheit – hat Jürgen Klopp zuvor schon mal den falschen Ton getroffen.
Aber wechseln wir an dieser Stelle auf die Gewinnerseite, wo es selbst im Moment des Triumphs noch Sportler gibt, die schlechte Laune verbreiten. Erinnert sei stellvertretend an Per Mertesacker und die legendäre Eistonne oder Toni Kroos nach seinem mit Real Madrid gewonnenen Finale in der Champions League. Auch Gewinnen will eben gelernt sein.
Jürgen Klopps Verhalten mag arrogant wirken, aber es ist vielleicht einfach nur menschlich. Und er zeigt damit, dass er bei allem Kult um seine Person eben immer noch in erster Linie Sportler ist. Als solcher stand er am Sonntag in Manchester mit leeren Händen da.
Zur Startseite
- Jürgen Klopp
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de