Unfähig zu kämpfen: Warum die Schockstarre ins Gesetz muss

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Unfähig zu kämpfen: Warum die Schockstarre ins Gesetz muss

© AdobeStock/Woraphon Unfähig zu kämpfen: Warum die Schockstarre ins Gesetz muss

Opfer einer Vergewaltigung berichten oft darüber, während der Tat „erstarrt“ gewesen zu sein. Dahinter steckt ein Schutzmechanismus, der von den Gerichten dieser Welt unbeachtet bleibt.

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Wieso haben Sie sich nicht gewehrt? Warum sind Sie nicht einfach geflohen? Weltweit müssen sich Betroffene sexualisierter Gewalt derartige Vorwürfe anhören. Ihnen wird eine Mitschuld zugeschrieben, sie sollen für die Gewalttat mitverantwortlich sein, weil sie „passiv“ geblieben sind.

Ein schreckliches Narrativ, das nicht nur von den Tätern, sondern teilweise auch von der Polizei oder den Gerichten gepflegt wird. Dem Opfer einer Gruppenvergewaltigung in Pamplona (Spanien) 2016 etwa wurde stillschweigendes Einverständnis unterstellt, weil es sich nicht gewehrt hatte.

Das liegt auch daran, dass weder allgemein bekannt ist noch in Gesetzen berücksichtigt wird, dass Körper und Psyche in der Ausnahmesituation einer Vergewaltigung nicht funktionieren. Der Mensch verfällt in eine Schockstarre, die eine Abwehrreaktion bei vielen unmöglich macht.

Zwei Forschende plädieren nun in der Fachzeitschrift „Nature Human Behaviour“ dafür, dass diese neurowissenschaftliche Erkenntnis endlich auch juristisch berücksichtigt wird.

Das ist in der Tat dringend nötig. Rund 70 Prozent der Frauen, die nach einem sexuellen Übergriff eine Notfallklinik aufsuchen, berichten, dass sie während der Tat „erstarrt“ waren, unfähig, sich zu bewegen, geschweige denn zu schreien, schreiben Ebani Dhawan und Patrick Haggard vom University College London.

Es sei eine natürliche Reaktion auf eine potenziell lebensbedrohliche Situation. Das Gehirn blockiere unter anderem neuronale Schaltkreise, die für die willkürliche Bewegungssteuerung zuständig sind. Außerdem werde der Körper in einer solchen Situation mit Stresshormonen überschwemmt, die wiederum die Aktivität in jenen Hirnregionen unterdrücken, die eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung und der Verarbeitung von Emotionen spielen.

Der Körper stellt sich tot

Die Folge: Der Körper wird steif oder schlaff. Er stellt sich tot, um zu überleben – und lässt die Grausamkeit über sich ergehen. Eine bewusste Entscheidung gegen Abwehr, gegen Flucht ist das nicht.

Dennoch nutzen es manche Verteidiger als Argument vor Gericht, gar als stillschweigende „Zustimmung“, wenn am Körper der Opfer keine Kampfspuren nachzuweisen sind – wie in Pamplona.

Das Phänomen der Schockstarre zu ignorieren, führt nicht nur zu unfairen Schuldzuweisungen. Weil Betroffene fürchten, dass ihnen ihre fehlende Gegenwehr vorgeworfen wird, erstatten sie keine Anzeige, Täter werden nicht verurteilt.

Die Schockstarre als wissenschaftlichen Fakt anzuerkennen und in den nationalen Gesetzen zu verankern, könnte mehr Mut machen. Mut, sich Hilfe zu suchen. Mut, zur Polizei zu gehen. Mut, den Täter nicht ungestraft davonkommen zu lassen. Denn die Schuld liegt einzig und allein bei ihm.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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