Trotz Stopp-Regelung: Berlin hat im Winter 157 Menschen abgeschoben
© dpa/Michael Kappeler Exklusiv Trotz Stopp-Regelung: Berlin hat im Winter 157 Menschen abgeschoben
Nach einem Koalitionsstreit hatte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) einen Abschiebestopp für den Winter ausgerufen – davon gab es 157 Ausnahmen. Die Linke kritisiert das scharf.
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Das Land Berlin hat trotz eines erklärten Winterabschiebestopps zwischen Dezember 2022 und März dieses Jahres 157 Personen abgeschoben. Das geht aus der Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Elif Eralp (Linke) hervor, die dem Tagesspiegel vorab vorliegt. Knapp ein Drittel der abgeschobenen Personen sind Menschen mit moldauischer Staatsangehörigkeit.
Insgesamt wurden Menschen aus 30 Nationen abgeschoben, darunter 22 Personen mit georgischer, 14 mit polnischer und acht mit afghanischer Staatsangehörigkeit. Alle Abschiebungen wurden nach Aussage der Verwaltung auf Grundlage der gesetzlichen Ausnahmeregelungen durchgeführt. In welche Länder die Personen abgeschoben wurden, werde vom Landesamt für Einwanderungen, das die betreffende Statistik führt, nicht erfasst.
Stopp erfolgte nach Streit in der Koalition
Anfang Dezember des vergangenen Jahres hatte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) einen Abschiebestopp für die Wintermonate angeordnet. Dem vorausgegangen war ein koalitionsinterner Streit zwischen SPD, Grünen und Linken. Grüne und Linke hatten dem sozialdemokratischen Partner vorgeworfen, gegen den Koalitionsvertrag zu verstoßen. Im Winter solle auf Abschiebungen verzichtet werden, war dort verabredet worden. Spranger hatte schließlich eingelenkt.
Insgesamt befinden sich nach der Statistik des LEA 18.399 ausreisepflichtige Personen in Berlin. Die Innenverwaltung begründet die trotz des Stopps erfolgten Abschiebungen auf Anfrage mit Ausnahmeregelungen, die dem Koalitionsvertrag entsprechen, sowie der „bei bundesweiten Abschiebungsstoppregelungen üblichen Praxis“.
35 der 157 zwischen Dezember und März abgeschobenen Personen wurden demnach in andere EU-Mitgliedstaaten abgeschoben, weil sie dort zuerst registriert worden waren. Bei allen anderen erfolgten Abschiebungen lagen strafrechtliche Verurteilungen vor, „oder es handelte sich um aufenthaltsrechtliche Gefährder oder Personen, die sich hartnäckig der Identitätsfeststellung verweigern“.
Die Verurteilungen seien solche oberhalb der sogenannten „Bagatellgrenze“. Diese liegt bei 50 Tagessätzen beziehungsweise in bestimmten Fällen bei 90 Tagessätzen.
Die migrationspolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Elif Eralp, kritisiert die erfolgten Abschiebungen scharf. In über zwei Dritteln der Fälle seien Menschen auch wegen geringster Delikte wie mehrfaches Fahren ohne Fahrschein oder kleinen Ladendiebstählen betroffen gewesen. Aus Sicht der Linken seien die Straftaten-Grenzen viel zu niedrig angesetzt.
Wir fordern, dass alle Spielräume für ein Bleiberecht von Berlin genutzt werden.
Elif Eralp, migrationspolitische Sprecherin der Links-Fraktion im Abgeordnetenhaus
Die vergangenen Wochen, in denen vor allem in Moldau stark diskriminierte Romn:ja abgeschoben worden seien, zeigten schon, „dass die Innenverwaltung nun mit der CDU an ihrer Seite eine entfesseltere Abschiebepolitik vornehmen wird“, sagt Eralp. Auch der neue Koalitionsvertrag von CDU und SPD, in dem die Abschiebehaft wieder eingeführt und Nachtabschiebungen nicht mehr ausgeschlossen seien, verweise darauf.
Auch zwischen Dezember und März erfolgten Abschiebungen mitten in der Nacht: Bei 59 Personen begannen die Abschiebungen nach Angaben der Verwaltung zwischen 21 Uhr und 6 Uhr morgens. Abgeordnete Eralp kritisiert diese „besonders traumatisierende“ Praxis. „Wir fordern, dass alle Spielräume für ein Bleiberecht von Berlin genutzt werden“, sagt die Abgeordnete.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de