Kirchentag: Die neue Frau Käßmann kommt aus Schwerin
© Benjamin Lassiwe Kirchentag: Die neue Frau Käßmann kommt aus Schwerin
Manuela Schwesig hält mit der Influencerin Lilly Blaudszun eine Bibelarbeit. Manches erinnert dabei an Margot Käßmann, die bei dem Laientreffen in Nürnberg fehlt.
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„Ich komme mal zu Ihnen“, sagt Manuela Schwesig. Mit dem Mikrophon in der Hand verlässt die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern die Bühne in der Halle 6 das Nürnberger Messegeländes. Sie streift durch die Reihen voller Papphocker, auf denen rund 2.000 Menschen mit grünen Kirchentagsschals Platz genommen haben. „Was sind Ihre Hoffnungen für die Zukunft?“, will die SPD-Politikerin von Simone aus Schwerin, Priscilla aus der Schweiz und Martin aus Nordrhein-Westfalen wissen.
Tradition Bibelarbeit
Drei Besucher des Deutschen Evangelischen Kirchentags, die am Morgen einfach nur zur Bibelarbeit mit Schwesig und der jungen SPD-Influencerin Lilly Blaudszun in die Halle gekommen waren. Einem Format, das eine lange Tradition hat: An jedem Morgen eines Kirchentags sprechen Prominente aus Kirche und Gesellschaft über eine vorgegebene Bibelstelle – neben Schwesig und Blaudszun in diesem Jahr auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) oder Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm.
Dagegen fehlte in der Reihe der Bibelarbeiter in Nürnberg erstmals Margot Käßmann. Am Donnerstag aber schien es, als hätte die Ex-Bischöfin, die regelmäßig für überfüllte Messehallen sorgte, würdige Nachfolgerinnen gefunden. Denn Schwesig und Blaudszun gelang es, mit einer spritzigen Auslegung eines schweren Textes, der biblischen Erzählung über die Hochzeit zu Kana, bei der Jesus Wasser in Wein verwandelt, ihr Publikum mitzunehmen.
„Kein billiger Wein von der Tankstelle“
„Das ist meine erste Bibelarbeit und dann ist Jesus ein Zauberer, der seine Kräfte für Alkohol einsetzt“, sagte die 22-jährige Viadrina-Studentin Blaudszun und sorgte für den ersten Lacher. „Das Fest drückt die Freude und Fülle aus, wie es sein wird, wenn Gottes Reich anbricht – und es geht nicht um billigen Wein von der Tankstelle.“
Schwesig mit Lilly Blaudszun bei der Bibelarbeit © Benjamin Lassiwe
Doch es wurde auch ernster, etwa als ein Besucher aus Nordrhein-Westfalen Schwesig ins Mikrophon sagte, er wünsche sich, „dass die Menschen, die die ganz rechte Partei wählen, vernünftig werden.“ In der Messehalle gab es dafür donnernden Applaus. Und Blaudszun und Schwesig reagierten: „Ich komme aus MV und wohne in Brandenburg, und die AfD war in der letzten Infratest-Umfrage bei uns stärkste Kraft“, sagte Blaudszun. „Das macht mir jeden Tag Magenschmerzen, aber wir müssen einfach auf dem Platz bleiben, und etwas dagegen tun.“
„Der andere kann Recht haben“
Schwesig sprach sich dafür aus, die gesellschaftliche Debatte zu beleben. „Wir sollten mit mehr Respekt voreinander die großen Themen unserer Gesellschaft diskutieren“, sagte sie. „Wir müssen so in die Diskussionen hineingehen, dass wir immer davon ausgehen müssen, dass der andere auch recht haben könnte.“ Das ist auch einer der Gründe, warum sich Schwesig beim Kirchentag engagiert: „Wir brauchen wieder Räume und Orte, wo alle zusammenkommen, und über Themen, wie den Klimaschutz, Krieg und Frieden oder den Umgang mit Flüchtlingen reden“, sagte sie nach der Bibelarbeit dieser Zeitung. „Und der Kirchentag gibt uns diesen Raum.“
Ein großes, aktuelles Thema, der Krieg in der Ukraine, wurde von Schwesig und Blaudszun allerdings nicht diskutiert. Schwesig war in den Jahren vor dem Krieg mit einer Russland-freundlichen Politik aufgefallen. Sie und ihr Vorgänger Erwin Sellering (SPD) feierten „Russlandtage“, bürsteten Putin-Kritiker ab und konzipierten eine Stiftung mit falscher Etikette („Klimastiftung“), um die inzwischen gescheiterte deutsch-russische Ostsee-Pipeline Nordstream 2 zu flankieren. Zu all dem also kein Wort.
„Das Gefühl absoluter Hoffnungslosigkeit“
Dafür wurde die Ministerpräsidentin persönlich: Den Kirchentagsbesuchern berichtete sie, wie es ihr ging, als sie nach ihrer ersten Brustkrebsoperation von ihren Ärzten erfuhr, dass der Krebs noch nicht komplett besiegt war. „Da saß ich mit meinem Mann auf einer Parkbank und hatte das Gefühl absoluter Hoffnungslosigkeit.“
In dieser Situation habe ihr das von dem evangelischen Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer 1944 im Kellergefängnis des Reichssicherheitshauptamtes gedichtete Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ geholfen, bekannte Schwesig. „Margot Käßmann hat mal gesagt: Du kannst nicht tiefer fallen, als in Gottes Hand – das sagt auch dieses Lied.“ Woraufhin der die Bibelarbeit begleitende Gospelchor das Lied auf Bitten Schwesigs noch einmal sang, „damit Sie alle daraus Kraft schöpfen können.“ Margot Käßmann hätte es nicht besser machen können.
- Deutscher Evangelischer Kirchentag
- Manuela Schwesig
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de