Trend: Meal Prepping: Der Klügere kocht vor

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Trend: Meal Prepping: Der Klügere kocht vor

© Thilo Rückeis

Trend: Meal Prepping: Der Klügere kocht vor

Warum die Küche jeden Tag schmutzig machen? Wieso andauernd übers Einkaufen nachdenken? Meal Prepping heißt der neue Lebensstil. Zu Besuch bei einem, der sonntags das Essen für Wochen zubereitet.

Von Julia Prosinger

Für das Rezept dieser Woche braucht es Hühnchen, Fisch, buntes Gemüse, ein halbes Pfund Disziplin und einen guten Liter Intelligenz.

Aram Khaghaghordyan, 32, hat alles beisammen, an diesem Herbstsonntag in seiner Schöneberger Küche. Er beginnt mit den Hühnchenkeulen, massiert Salz und Pfeffer ins Fleisch, pudert es mit edelsüßer Paprika und bettet es in Öl.

Aram – so kann man ihn ruhig nennen, weil sie in seiner Heimat Armenien selbst den Präsidenten beim Vornamen rufen – wird an diesem Sonntag ein Kunststück vollbringen, mit dem er im Zirkus auftreten könnte. Er wird in weniger als drei Stunden Mittag- und Abendessen für 14 Tage vorkochen.

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Aram Khaghaghordyan lässt sich auf dem Markt vom bunten Herbstgemüse inspirieren.

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Die neuen Tupperpartys

Am siebten Tage sollst du ruhen? Am siebten Tage sollst du kochen! Vorbei die Zeiten, in denen Tupperpartys nur Hausfrauenabende füllten. Meal Prepping, von Meal Preparation, heißt der Hype aus den USA, bei dem sich Freunde treffen, um die Mahlzeiten für die kommende Woche zuzubereiten. Meist sonntags. Anders als beim gewöhnlichen Resteverwerten wird hier extra für die Zukunft gewerkelt. Wird Büffelmozzarella auf Babyspinat geschichtet und Milchreis über Apfelmus, um die Abende für Schöneres frei zu haben. In den USA gibt es inzwischen auch Kurse fürs Vorkochen. Bei denen man zum Beispiel lernt, dass sich Pasta nicht gut einfrieren lässt, alles Geflügel aber schon.

Am Ende trägt jeder Dutzende von Tupperdosen und Einweckgläsern in den heimischen Kühlschrank. Auf Instagram und Facebook teilen die Köche Fotos ihrer multiplizierten Portionen. Sieht schön aus, ein bisschen wie Kunst.

Inspiration auf dem Markt

Gestern, am Samstag, lief Aram mit kleinen Schritten über den Winterfeldtmarkt, stoppte gleich am ersten Stand im Nordwesten, um die Nase in erdig duftenden Karotten zu vergraben, mit den Fingern durch Salbei und Petersilie zu streichen und sonnige Kürbisse durch seine Hände wandern zu lassen. Kam alles in den Jutebeutel und obendrein noch Mangold mit Barbie-pinken Stielen.

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Der kluge Koch: Arams Meal Prepping spart Zeit, Geld und Nerven.

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Aram schreibt schon lange keine Einkaufszettel mehr. „Ich lasse mich inspirieren.“ Von den bunten Farben der regionalen Herbstgemüse. Chlorophyll soll das Blut reinigen, Beta-Carotin ist unter anderem gut fürs Immunsystem, Anthocyan schützt die DNA.

Es gab Zeiten, erzählt Aram, da sei er in jedes verfügbare Michelin-Restaurant Europas gerannt. Bis die Köche ihn persönlich kannten. Ein Gourmet war er. Sein Körper hat sich dafür gerächt. Im letzten Winter stellte Arams Arzt Zucker fest, Fettleber, erhöhten Cholesterinspiegel.

Durch Lesen wurde er zum Ernährungsexperten

Aram, der zwei Mastertitel hat und momentan promoviert, tat, was er immer tut. Er las. In wenigen Wochen wurde er zum Ernährungsexperten. Und beschloss, sich von nun an wie die Steinzeitmenschen zu ernähren, „Paleo“ nennt sich dieser andere Food-Trend. Die Idee: keine weiterverarbeiteten Lebensmittel, nichts Abgepacktes! In Fertigprodukten stecken Geschmacksverstärker, Zucker, Fette und Salze, die schwer zu vermeiden sind.

Aram wollte sauberes Essen. Kantinen, Mensen und Restaurants konnten ihm das nicht bieten. So wurde aus Aram ein radikaler Vorkocher. Ein Präparator. Nur Frühstück macht er noch jeden Morgen. Eier mit Speck und Kräutern.

Er dreht jetzt bunte Zucchini zu Spaghetti, die Maschine hat er sich eigens angeschafft, raspelt Blumenkohl in eine Pfanne, würzt mit Chili und Safran, bis es scharf dampft. Seit Aram ein Paleore ist, gibt es keine Milchprodukte mehr, keine Hülsenfrüchte, kein Getreide. Kohlrabis ersetzen seine Kartoffeln, Zucchini seine Nudeln, Blumenkohl seinen Reis. Backen geht nur noch mit Mandelmehl und Kokosblütenzucker. „Ich dachte, Neapel ohne Pizza und Paris ohne Croissants würden der Horror“, sagt er. Er hat sich daran gewöhnt. Genuss ist jetzt etwas Langfristiges. Manchmal macht er eine Ausnahme und isst ein Stück Käse.

In Arams Heimat lieben die Menschen Kräuter

Arams Augen sind inzwischen rot vom Dampf. Er knetet mit flinken Bewegungen Koriander in Hackfleisch – eine kleine Erinnerung an seine armenische Herkunft. In Arams Heimat essen die Menschen Kräuter in Büscheln. Das violette Basilikum, das er eigentlich bräuchte, kann er hier in Deutschland schwer finden. Dann brät er die kleinen Kebabs in Kokosöl an.

Anfangs bereitete Aram nur ein paar Mahlzeiten vor, wie es einem die erfolgreichen Meal-Prepper empfehlen. Mittlerweile schafft er leicht 14 Tage.

Vorkochen hat er gelernt, Disziplin kann er schon immer. Vor ein paar Jahren absolvierte Aram seinen Jura-Master in Genf. 1000 Schweizer Franken Stipendium mussten damals für Miete, Krankenversicherung und dicke Lehrbücher reichen. Zum Essen blieben ihm nur 200 übrig. Einmal im Monat teilte er sich mit einem Freund eine Falafel an der Imbissbude, ein Festmahl. Die Wohnheimküche war stets voll, Aram hatte wenig Zeit neben den hunderten Seiten Pflichtlektüre, also kochte er vor, was günstig satt macht: Kartoffeln und Nudeln.

Das Kochen der Zukunft

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Auf dem Winterfeldtmarkt gab es Mangold mit Barbie-pinken Stielen.

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Aus Selbstrationierung wurde schließlich Selbstoptimierung. Aram wirbelt mit den Blechen wie in einer Großküche. „Vorkochen ist keine Wissenschaft“, sagt der Wissenschaftler. Zwischendurch räumt er die Spülmaschine aus, putzt die Ablagefläche, wechselt Müllbeutel. Lebensmittel hat er lange keine weggeworfen, wird ja alles gleich zu Portionen verarbeitet. Und die Küche macht er auch nur noch alle zwei Wochen schmutzig. Während Aram kocht, schaut er auf seinem Laptop Serien, „Game of Thrones“, „Homeland“. Manchmal turnt er Yoga mit einer App, bis ein Stück Rindfleisch gar ist.

Arams Vorkochen passt gut in eine Zeit, in der keine Zeit für Zeitverschwendung bleibt. In der alle ständig versuchen, besser zu werden: bessere Menschen, bessere Eltern, bessere Angestellte. Bessere Esser. Es ist auch eine Methode für alle, die ein bisschen allergisch sind, gegen Milch oder Weizen, die ein bisschen tierlieb oder ein bisschen neurotisch sind („das Innere von Gurken ist glitschig“) und die kontrollieren wollen, was sie essen.

Oder für die, die ein bisschen schlau sind – wie Aram. Kochen mit IQ könnte das Kochen der Zukunft sein.

Ihre Wohnung ist nun eine Planwirtschaft

Aram muss keiner Kantine mehr trauen, kein Kleingedrucktes auf Speisekarten mehr entziffern, nicht mehr unterzuckert zitternd Schokoriegel aus Süßigkeitenautomaten ziehen. Er ist auf jede Situation vorbereitet. Um das zu beweisen, öffnet er die Tür seines zweiten Kühlschrankes. Den hat ihm sein Mann geschenkt, als klar wurde, dass Arams Meal-Prepping mehr ist als eine Laune. Dass ihre Wohnung von nun an eine Planwirtschaft ist.

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Aram lässt Sesam auf Karotten und Curry auf Kürbis rieseln.

© Thilo Rückeis

Ein paar Datteln, ein paar Mandeln, Gurken, Karotten oder Sellerie, zugeschnitten wie das Pausenbrot für Kinder. Überhaupt wäre Arams Sonntagsritual die Lösung für immerkochende Eltern. Ab und an erlaubt er sich ein Stück Schokolade, 99 Prozent Kakao. „Viele finden das bitter, aber meine Geschmacksnerven haben sich verändert.“ Auch Salz schmeckt er viel intensiver, seit er es selbst dosiert.

Die Schweinekoteletts brauchen tatsächlich noch etwas Würze. Aram schabt Fischschuppen in die Spüle, während sich in seiner kleinen Küche der Duft von Schwein und Hühnchen mischt. Den Lachs hat er im Supermarkt gekauft – 100 Euro hat er zusammen mit dem Markteinkauf ausgegeben, Vorkochen spart Geld – nun schlägt er ihn in Alufolie ein, bedeckt ihn mit rosa Pfefferkörnern, Zitronenscheiben und Thymianzweigen. Dann füllt er Paprikas mit Hackfleisch, wirft ein Lorbeerblatt in kochendes Wasser, lässt Sesam auf Karotten rieseln und Currypulver auf Kürbisse.

Plötzlich war Aram gesund

Als Aram nach ein paar Monaten Paleo-Ernährung und Vorkochen seinen Arzt erneut aufsuchte, hatten sich alle Werte verändert. „Ich bin jetzt gesund“, sagt er. Ohne es zu wollen, und ohne zu hungern, war er plötzlich zwölf Kilo leichter geworden. „Kein Wunder, dass ich Magenschmerzen hatte, als ich noch Sandwich um Sandwich über der Tastatur verschlungen habe.“

Auch den Kaffee hat er abgesetzt, drei Wochen bereitete ihm der kalte Entzug Kopfschmerzen. „Ich war ein Starbucks-Junkie, wie wahrscheinlich die meisten Wissenschaftler.“ Heute trinkt Aram Minztee.

Bleche, Töpfe, Schüsseln bedecken nun seinen Küchenboden. Aram geht in die Knie und befüllt seine Dosen. Hier ein wenig blanchierten Brokkoli zu saftigem Lachs, bissfeste Zucchininudeln schmiegen sich an würzige Hähnchenkeulen. Gesät hat Aram, ab jetzt kann er ernten.

Die Kollegen warten, dass er aufgibt

Ein Teil der Dosen landet im Kühlschrank, hier wird er sich in den nächsten Tagen morgens herausgreifen, worauf er Lust hat. Genug Auswahl gegen Langeweile. Die anderen friert er erst mal ein. Aram muss sich nachmittags keine Gedanken mehr machen, was er abends essen soll. Er muss nicht kurz vor Ladenschluss noch in den Supermarkt hetzen. Er kann, wie so oft, bis Mitternacht an seiner Promotion sitzen.

Die Kollegen im Büro, erzählt Aram lachend, warten nur darauf, dass er aufgibt, dass er endlich, wie sie, Suppen aus Tüten schüttet und Pizzas aus Folie schält. „Doch das wird nicht passieren.“ Wenn der Hunger kommt, stellt er etwas in die Mikrowelle. Für seinen Mann und Freunde kocht er noch frisch – er selbst bleibt bei seinen Dosen.

Als Wissenschaftler fährt Aram nach Russland oder Kuala Lumpur. Die Tupperdosen müssen daheim bleiben. Gut sind Buffets. „Zur Not esse ich auch mal eine Portion Pommes.“ Nur Ausgehen mit Freunden, das ist schwieriger geworden. Aram wählt dann Steak mit Salat ohne Dressing. In Berlin bieten nur wenige Restaurants Paleo-Küche an, das „Sauvage“ in der Pflüger- und der Winsstraße und das Bistro „Eat Performance“ mit seinen zwei Filialen, Ritter- und Akazienstraße.

Selbst eines aufmachen? Nein, Aram schüttelt den ganzen Körper. „Ich kann ganz gut kochen, aber ich bin kein Koch.“ Dafür müsste er ja mindestens fünf Jahre studieren.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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