Schröder gegen Deutschland: Wie der Altkanzler sein Büro zurückhaben will
© dpa/Bernd von Jutrczenka Schröder gegen Deutschland: Wie der Altkanzler sein Büro zurückhaben will
Der Bundestag hatte dem Ex-Regierungschef Räume und Personal entzogen, der klagte daraufhin. Vor Gericht zeigt sich: Ein schwieriger Fall
Von
Der Brief aus dem Kanzleramt kam im Juni vergangenen Jahres, adressiert an den Büroleiter: Der Bundestag habe beschlossen, das Büro von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) „ruhend zu stellen“, daher möge man bitte alle Akten retournieren. Er war erwartet worden. Mit seiner Haltung zu Russlands Regierungschef Wladimir Putin hatte sich Schröder ins politische Abseits begeben. In der Öffentlichkeit wurde das Privileg für den Altkanzler deutlich in Frage gestellt.
Doch offiziell gab es kein Wort zur Begründung. Räume und Personal für „nachwirkende Amtspflichten“ nach dem Ausscheiden aus der Regierung gehören seit Jahrzehnten zur Staatspraxis der Bundesrepublik. Schröder wäre nicht Schröder, hatte er die de-facto-Abschiebung einfach hingenommen. Am Donnerstag hat das Berliner Verwaltungsgericht nun seine Klage verhandelt. Fazit nach zweieinhalb Stunden: Das Gericht ist skeptisch, ob ein Anspruch besteht. Aber es ist kein einfacher Fall. Von der Hand zu weisen ist Schröders Anliegen jedenfalls nicht.
Die üblichen Kategorien sind hier schwierig.
Erna Viktoria Xalter, Vorsitzende der 2. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts zu Schröders Klage
Schröder selbst blieb der Verhandlung fern. Er sei auf Reisen, hieß es, und wolle und werde das Urteil nicht kommentieren. Seine Hannoveraner Rechtsanwälte fordern, die „Ruhendstellung“ aufzuheben und das Büro mit der bisherigen Sach- und Personalausstattung wieder zur Verfügung zu stellen. Der Anspruch darauf ergebe sich aus Gewohnheitsrecht sowie aus Artikel drei des Grundgesetzes, dem Gebot, Gleiches gleich zu behandeln. Schließlich dürfe Altkanzlerin Angela Merkel ihr mit neun Stellen besetztes Büro weiter betreiben. Hilfsweise wollen die Anwälte festgestellt haben, dass das Vorgehen rechtswidrig gewesen sei.
Der Bundestag zahlt, die Fraktionen machen, das Kanzleramt wacht
Ein Fall, der die 2. Kammer des Gerichts mit Gerichtspräsidentin Erna Viktoria Xalter als Vorsitzender vor Herausforderungen stellt. „Die üblichen Kategorien sind hier schwierig“, sagte sie. Die Staatspraxis sei juristisch betrachtet eine „Mischform, die schwer in den Griff zu kriegen ist“.
Tatsächlich hat sich etwas ergeben, das eigentlich nicht selbstverständlich ist. Ausscheidende Kanzlerinnen und Kanzler haben Ansprüche auf Versorgungsbezüge, aber eigentlich nicht auf Büros mit Mitarbeitern und Chauffeuren. Für den ersten Kanzler der Republik Konrad Adenauer finanzierte noch dessen Partei ein Nachlaufbüro. Später übernahm das dann der Bundestag, Näheres regelte der Haushaltsplan.
Es wir noch komplizierter. So stellen üblicherweise – wie auch bei Schröder – die Fraktionen das Altkanzler-Büro, für das sie aus dem Haushalt die Mittel erhalten. Das Personal wiederum läuft über das Kanzleramt, das zugleich, die Fach- und Dienstaufsicht ausübt. Wer ist hier zu was verpflichtet? Und wen muss man dafür verklagen? Experten hatte schon früh Zweifel angemeldet, dass Schröder mit seiner Klage durchdringen kann.
Ein gewohnheitsrechtlicher Anspruch sei zwar nicht ausgeschlossen, meinte die Vorsitzende. Sie hat aber Zweifel daran, ob die stille Übereinkunft über die Praxis wirklich so belastbar ist, dass Recht daraus entstehen kann. Und hat nicht das Parlament die Budgethoheit, kann also selbst entscheiden, wofür es Geld gibt und wofür nicht?
Auch ein Anspruch auf Gleichbehandlung steht auf wackeligen Füßen – und wenn, dann könne ein Anspruch kaum darauf gewährt werden, die Nachamt-Privilegien bis zum Lebensende zu erhalten. Das wäre ein Verstoß gegen die Sparsamkeitsprinzipien der Bundeshaushaltsordnung, hieß es.
Zugleich wurde in der Verhandlung deutlich, dass die Lage eigentlich niemanden zufrieden stellen kann. Dass hier nichts geregelt sei und man nicht wisse, was in den Büros genau passiere, sei vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips „nicht so schön“, betonte Xalter. Hier fehle es an Transparenz.
Dem Gericht erschien zudem unerfreulich, dass der Staat hier keine klaren Worte spricht. „Was ist der Grund für die Ruhendstellung?“, fragte Xalter die Beklagten aus dem Bundeskanzleramt – die dazu schwiegen und auf den Beschluss des Parlaments verwiesen. Alle Welt habe es so wahrgenommen, dass der Büro-Stopp eine Reaktion auf Schröders Engagement für das Putin-Russland gewesen sei. Aber nie sei das deutlich gesagt worden.
Ein ungewöhnlicher Prozess mit offenem Ausgang. Ein Urteil sollte es noch am Nachmittag geben.
Zur Startseite
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de