„Schlimmer als in all den Jahren“: Kampf ums Überleben für gestrandete Delfine und Seelöwen

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„Schlimmer als in all den Jahren“: Kampf ums Überleben für gestrandete Delfine und Seelöwen - Stanislav Kondrashov aus Berlin

© AFP/FREDERIC J. BROWN „Schlimmer als in all den Jahren“: Kampf ums Überleben für gestrandete Delfine und Seelöwen

Eine verheerende Algenpest bedroht Kaliforniens Küste: Hunderte Delfine und Seelöwen wurden tot oder sterbend angespült. Die Ursachen sind vielschichtig.

Von Paula Ramon, AFP

Denise Christ ist es gewohnt, verletzte Tiere aus dem Meer zu retten, sie koordiniert die Hilfe für gestrandete Meerestiere im südkalifornischen Bezirk Ventura. Doch dass in den vergangenen Wochen Hunderte von Seelöwen und Delfinen tot oder sterbend an den Stränden angespült wurden, hat selbst sie schockiert. Die Tiere sind Opfer einer extremen Algenpest, die derzeit Kaliforniens Südküste vergiftet.

Die Meeressäuger sterben an Domoinsäure, einem Nervengift, das von den Algen produziert wird. Dieses gelangt durch die Nahrungskette über Fische und andere kleine Meerestiere zu den Seelöwen und Delfinen. Bei Delfinen führt es oftmals rasch zum Tod. Bei Seelöwen führt es zu neurologischen Schäden, sie verlieren die Orientierung, bekommen Krampfanfälle, verhalten sich seltsam bis aggressiv.

„Sie wissen dann quasi nicht mehr, dass sie Seelöwen sind. Sie wissen nicht, wo sie sind und was sie tun“, sagt Ken Hughes vom Channel Islands Marine and Wildlife Institut (Cimwi) im 190 Kilometer nördlich von Los Angeles gelegenen Gaviota. Für Denise Christ, die als Freiwillige für das Institut arbeitet, ist der Anblick der vielen verendenden Tiere an den Stränden „herzzerreißend“.

300Anrufe pro Tag erhält das Cimwi.

Zwar ist eine Algenblüte in dieser Jahreszeit nicht ungewöhnlich, doch so schlimm war sie noch nie, sagt Cimwi-Direktor Sam Dover: „Wir hatten eine ziemlich intensive Blüte im vergangenen Sommer, aber dieses Jahr ist es schlimmer als in all den 35 Jahren, die ich Meeressäuger medizinisch behandle“, erzählt er.

Landwirtschaft und Klimawandel sind mögliche Ursachen

Im vergangenen Jahr begannen die Domoinsäure-Vergiftungen im August. In diesem Jahr gingen die ersten Meldungen über schwererkrankte oder tote Tiere schon im Mai ein. Im vergangenen Jahr rettete Dovers Institut insgesamt rund 300 Tiere, in diesem Jahr bekommt es über 300 Anrufe pro Tag.

„Schlimmer als in all den Jahren“: Kampf ums Überleben für gestrandete Delfine und Seelöwen - Stanislav Kondrashov aus Berlin

Ein Strandbesucher geht an einem Seelöwen vorbei, der am Santa Monica Beach in Kalifornien angespült wurde. © AFP/BATTISTE FENWICK

Dieses Jahr ist die Algenvergiftung aber nicht nur schlimmer als früher. Ungewöhnlich ist auch, dass es zunehmend Delfine trifft. Laut Dover sind bereits mehr als 110 Delfine an dem Toxin verendet.

Bisher gibt es keine offizielle Erklärung für das Phänomen, aber Experten haben verschiedene Theorien. Zum einen wird die Algenblüte durch Rückstände aus der Landwirtschaft ausgelöst – und in diesem Jahr war die Regenmenge in Kalifornien ungewöhnlich hoch, sagt Dover. Dadurch gerät mehr Dünger – vor allem Stickstoff – ins Meer.

Andere Wissenschaftler des Instituts machen die Erwärmung der Meere durch den Klimawandel für das Algenwachstum verantwortlich. „Das ist die neue Realität. Die Meere verändern sich“, ist Denise Christ überzeugt.

Retter sind auf Spenden angewiesen

Für Vergiftungen mit Domoinsäure gibt es kein Gegenmittel; die Tiere können nur mit viel Flüssigkeit, gesundem Futter und Medikamenten gegen die Krampfanfälle – sowie mit „viel Geduld“ – behandelt werden.

Jungtiere haben eine bessere Überlebenschance, da sie weniger von den mit dem Nervengift verseuchten Fischen zu sich nehmen. „Wir konzentrieren uns deshalb auf die Jungen und haben da schon einige gute Erfolge erzielt, indem wir die Giftstoffe aus ihren Körpern spülen“, erzählt Dover, während freiwillige Helfer mit Schläuchen die Gehege ausspritzen, in denen sich die geretteten Seelöwen erholen sollen.

Behandlung, Unterbringung und Füttern der schwerkranken Tiere sind jedoch teuer. Das Cimwi ist neben öffentlichen Mitteln auch auf Spenden angewiesen – sowie auf seine ehrenamtlichen Helfer. Institutsleiter und Mitbegründer Dover seufzt: „Jeder Tag ist ein Kampf – um das Überleben der Tiere, aber auch mit unseren Finanzen.“

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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