Restaurantkritik „Trio“ in Berlin: Wo Erinnerungen an Omas gute Küche wach werden

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Restaurantkritik „Trio“ in Berlin: Wo Erinnerungen an Omas gute Küche wach werden

© Robert Rieger Restaurantkritik „Trio“ in Berlin: Wo Erinnerungen an Omas gute Küche wach werden

Ansturm auf ein Wirtshaus: Das „Trio“ hinter der Volksbühne brummt, serviert Wein vom Hahn und spart nicht an der Nussbutter.

Von Ulrich Amling

Es ist zurzeit leichter, in Berlins profilierten Menü-Restaurants wie dem „Nobelhart & Schmutzig“ einen Tisch zu ergattern als im „Trio“, das sich der Neuinterpretation des Wirtshauses verschrieben hat. Ist die Stadt des Hochpreis-Tafelns müde? Verspürt sie latente Sehnsucht nach bodenständigen, im weitesten Sinne fairen Orten, die Essen nicht zelebrieren, sondern gesellige Sättigung bereitstellen?

Das „Trio“, das im Schatten der Volksbühne hinter einer elegant geschwungenen 20er-Jahre-Fassade eingezogen ist, wird jedenfalls berannt. Und da der Gastraum auf eine schallschluckende Holzvertäfelungen verzichtet, ist er so laut wie die Tagesspiegel-Kantine an einem Schnitzeltag, irgendwann vor Corona.

Die Wirtsleute haben sich im „Otto“ von Vadim Otto Ursus kennengelernt, dort Erfahrungen mit regionalen Produkten und ihrer preisbewussten Zubereitung zu einem Mittagstisch gesammelt. Auch im weitaus größeren „Trio“ machen sie sich Gedanken über Nachhaltigkeit, neben den Fässern der Barnimer Brauerei lagern Gebinde, die jeweils 30 Liter Wein fassen. Das ist ökologisch wie ökonomisch sinnvoll, auch wenn erst zwei Hausweine mit leichtem Naturweineinschlag vom Hahn laufen.

Restaurantkritik „Trio“ in Berlin: Wo Erinnerungen an Omas gute Küche wach werden

Ruhe vor dem Sturm: Das „Trio“ vor Dienstbeginn. © Robert Rieger

Der knackige Weißburgunder von Brand aus der Pfalz und ein Müller-Thurgau von Eschenhof Holzer aus dem Wagram, der auch nach kurzer Maischegärung eine charakteristische Muskatnote behalten hat, decken zusammen schon ein paar Essensbegleitungen ab. Das Achtel kostet 4 Euro, die große Flasche Wasser dazu 1,50 Euro. Das passt.

Einladung zur Brotzeit ohne Unterlage

Verwunderlich bei einer Karte, die mit Soleiern, Handkäs mit Musik und einem Salat-Quartett von Matjes, Eiern, Wurst und Roten Beeten (12 Euro) intensive Brotzeiten ermöglicht, ist die Qualität des Brotes. Für eine Scheibe mit einem Klacks Butter werden 2,50 Euro aufgerufen, das krümelige Backwerk liegt aber deutlich unter dem handwerklichen Standard.

Auch werden jene enttäuscht, die auf eine eigenständige vegetarische Küche hoffen: Die Teller ohne Fleisch sind nur Varianten, also gebackener Austernseitling statt Hendl zum Kartoffel-Gurken-Salat (20,30/23,80 Euro), Pilz statt Wild im Szegediner Gulasch (16,50/18,80 Euro).

Das schmeckt zwar auch, doch das Wohlgefühl verbreitet sich überraschend stark und etwas aus der Zeit gefallen übers Tiere-Essen, etwa mit wunderbar herzhaften Wildhasenkroketten von der Tageskarte (10,40 Euro) oder fluffigen Königsberger Klopsen (18,80 plus 3 Euro mit Rote-Beete-Salat). Dazu rinnt die Nussbutter, als wären andere, womöglich gar aromatisierte Öle aus der Region gar nicht denkbar.

Das „Trio“ weckt Gefühle von Oma-meint-es-gut-mit-dir, obwohl man genau weiß, dass Oma nie wieder ihre Klopse kochen wird (es werden immer die besten bleiben). Aus diesem geselligen, emotionalen Moment heraus könnte man einen Blick riskieren auf eine nachhaltige Ernährung, regionale Wertschöpfung, faires Handeln. Und auch mal Produkte servieren, die anderswo unter den Tisch fallen. Genuss und Erkenntnis schließen sich nicht aus. Aber um zum Kern des Wirtshauses vorzudringen, ist im „Trio“ gerade wohl zu viel los.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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