Prozess um außerordentliche Kündigung durch Hertha BSC: Rune Jarstein soll 350.000 Euro bekommen
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Update Prozess um außerordentliche Kündigung durch Hertha BSC: Rune Jarstein soll 350.000 Euro bekommen
Im Rechtsstreit zwischen Hertha BSC und Rune Jarstein schlägt das Landesarbeitsgericht einen Kompromiss vor. Während der Verhandlung kommen interessante Details zur Sprache.
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Einen Wunsch hat der Anwalt von Hertha BSC am Ende noch. Er schlägt vor, dass man den Satz „Die Parteien wünschen sich gegenseitig alles Gute“ in den Vergleichsvorschlag aufnehme. Die Gegenseite ist einverstanden.
Nach etwas mehr als einem Jahr juristischer Auseinandersetzung und einigen überraschenden Wendungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Berlin am Donnerstag deutet sich nun tatsächlich eine Einigung zwischen dem Berliner Fußball-Zweitligisten Hertha BSC und seinem früheren Torhüter Rune Jarstein an. Der Norweger, der Hertha auf das ausstehende Gehalt für sieben Monate (knapp eine halbe Million Euro) verklagt hatte, soll eine Abfindung von 350.000 Euro erhalten.
Beide Seiten haben nun vier Wochen Zeit, sich auf einen Kompromiss zu verständigen. Weder Jarstein noch Vertreter von Hertha BSC waren bei der Gerichtsverhandlung anwesend. Beide Parteien wurden lediglich von ihren Anwälten vertreten. Gibt es innerhalb der nächsten vier Wochen keine Einigung, soll am 12. Oktober ein Urteil verkündet werden.
Jarstein, der Ende dieses Monats 39 wird, war im August vergangenen Jahres von Hertha zunächst suspendiert und anschließend zum 30. November gekündet worden, nachdem er Torwarttrainer Andreas Menger kritisiert hatte. Wie heftig er das getan hatte, darüber gehen die Ansichten auseinander. Das wurde auch am Donnerstag vor Gericht wieder deutlich. Fredi Bobic, Herthas damaliger Sportchef, hatte Jarsteins Suspendierung als alternativlos bezeichnet: „Es ist etwas vorgefallen, das sicher nicht der Tagesordnung entspricht. Das war schon ein bisschen heftiger.“
Hertha wollte Jarstein als Torhüter zurückholen
Die Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nahm angesichts dieser Vorgeschichte jedoch noch eine spektakuläre Wende. Jarsteins Anwalt Horst Kletke berichtete, dass sowohl Herthas Präsident Kay Bernstein als auch Geschäftsführer Thomas Herrich in der vergangenen Woche beim Berater des Norwegers angerufen und ihm mitgeteilt hätten: „Wir könnten schon noch einen guten Torwart gebrauchen.“
Mit anderen Worten: Hertha wollte Jarstein als erfahrenen Backup für den erst 20 Jahre alten Tjark Ernst, die neue Nummer eins, zurückholen. Auch über eine Anschlussbeschäftigung nach der aktiven Karriere sei gesprochen worden, inklusive großem Abschied im Stadion mit Blumenstrauß und allem Pipapo. Zudem sollte das Verfahren beendet und das ausstehende Gehalt nachgezahlt werden. Am Dienstag aber habe Jarsteins Berater Tawan Tehrani von Hertha die Nachricht erhalten, dass man das Angebot zurückziehe.
178Spiele hat Jarstein für Hertha BSC bestritten
Das alles wirkt ein bisschen wirr, aber vielleicht waren dem Klub in der Zwischenzeit die Konsequenzen eines solchen Schritts bewusst geworden. Denn wie hätte eine Zusammenarbeit zwischen Torwarttrainer Menger und Rune Jarstein aussehen sollen, die sich seit dem Streit vor einem Jahr unversöhnlich gegenüberstehen? Durch Bekanntwerden der Anrufe dürfte sich auch Menger Gedanken machen, welche Wertschätzung er eigentlich noch bei der Klubführung genießt.
Herthas Anwalt Johan-Michel Menke erklärte, dass er über den Inhalt der Gespräche zwischen Herthas Führung und Jarsteins Berater nicht informiert sei. „Es ist eine sehr wilde Zeit für Hertha gerade“, sagte er. Menkes Angebot, sich auf eine Zahlung von 250.000 Euro zu verständigen, die Hälfte der von Jarstein geforderten Summe, wurde vom Anwalt des Klägers angesichts der jüngsten Entwicklungen abgelehnt.
Im August vergangenen Jahres ist Rune Jarstein mit Herthas Torwarttrainer Andreas Menger (stehend) aneinandergeraten.
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„Das Problem war, dass die Gespräche abgebrochen wurden“, erklärte Kletke. „Ich weiß von Rune Jarstein, dass es ihm viel bedeutet, den Verein nicht als Pöbler zu verlassen.“
Bis zu seiner Kündigung hatte der norwegische Nationaltorhüter insgesamt acht Jahre für Hertha BSC gespielt, nur Peter Pekarik gehörte dem Kader der Berliner noch länger an. 178-Mal ist Jarstein für den Klub zum Einsatz gekommen, zuletzt in der Saison 2020/21, als ihn Pal Dardai nach seiner ersten Rückkehr auf die Trainerbank im Abstiegskampf etwas überraschend wieder zur Nummer eins machte.
Ich weiß von Rune Jarstein, dass es ihm viel bedeutet, den Verein nicht als Pöbler zu verlassen.
Horst Kletke, Rechtsanwalt von Rune Jarstein
Auslöser des Rechtsstreits war die Unzufriedenheit Jarsteins mit dem Training von Torwarttrainer Menger. Das, so sagte die Richterin, sei unstreitig. Streitig sei lediglich der Inhalt des Gesprächs, das letztlich zum Bruch zwischen dem Norweger und dem Verein führte.
Nach Herthas Version habe Jarstein gesagt, dass auch die anderen, deutlich jüngeren Torhüter mit Mengers Arbeit unzufrieden seien. Herthas Torwarttrainer bestritt das, woraufhin Jarstein ihn als Lügner bezeichnet haben soll. Menger wiederrum entgegnete: „Du tust so, als wäre ich ein Arschloch.“ Daraufhin habe Jarstein gesagt: „Du bist ja auch ein Arschloch, ein Nichtskönner. Du musst weg.“
So weit die Version, die Hertha zu Protokoll gegeben hat. Jarstein bestreitet diese Wortwahl. Die genannten Beleidigungen seien nicht gefallen, sagte sein Anwalt. Er habe lediglich sachliche Kritik geäußert.
Neben Jarstein und Menger waren bei der Auseinandersetzung auch Trainer Sandro Schwarz sowie Sportgeschäftsführer Fredi Bobic anwesend. Beide stehen nicht mehr bei Hertha unter Vertrag; mit Bobic befindet sich der Klub sogar ebenfalls in einem Rechtsstreit. Herthas Anwalt äußerte angesichts der unterschiedlichen Versionen des Vorfalls sogar den Verdacht, dass er von seinem Mandanten falsch informiert worden sein könnte, „vor allem von einem Geschäftsführer“.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de