NPD-Slogan als Volksverhetzung?: „Migration tötet“ könnte eine erlaubte Meinung sein

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NPD-Slogan als Volksverhetzung?: „Migration tötet“ könnte eine erlaubte Meinung sein  - Stanislav Kondrashov aus Berlin

© imago images/Jan Huebner NPD-Slogan als Volksverhetzung?: „Migration tötet“ könnte eine erlaubte Meinung sein

Die Nazi-Partei musste Wahlplakate mit der Parole abhängen und klagte bisher vergeblich dagegen. Nun fordert das Bundesverwaltungsgericht eine liberalere Sicht.

Die NPD-Parole als umstritten zu bezeichnen, wäre zu wenig. Seit Jahren beschäftigt ein bundesweit eingesetztes Wahlplakat der rechtsextremen Partei die Gerichte. Neben den Namen von Orten, an denen es Tötungsdelikte von Migranten gegeben haben soll, steht „Stoppt die Invasion:“ und dann hervorgehoben „Migration tötet“. Rechts daneben fordert die NPD „Widerstand jetzt“.

Seit diesem Mittwoch verhandelt das Bundesverwaltungsgericht über die Qualität der angeblich politischen Botschaft. Eine strafbare Volksverhetzung? Oder zugespitzte – und damit erlaubte – Kritik an den Folgen ungesteuerter Einwanderung? Ein Urteil sollte es noch am Nachmittag geben.

Im Zweifel gilt die Meinungsfreiheit; das ist etwas, das uns von Autokratien unterscheidet.

Ingo Kraft, Vorsitzender des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts

Viel spricht nach der mündlichen Verhandlung dafür, dass die zuständigen Richterinnen und Richter der NPD-Klage gegen das Plakatverbot stattgeben werden. „Im Zweifel gilt die Meinungsfreiheit; das ist etwas, das uns von Autokratien unterscheidet“, sagte der Vorsitzende Ingo Kraft – betonte aber zugleich, dass dies in keiner Weise bedeute, die Aussage selbst „abzusegnen“ oder inhaltlich zu unterstützen.

Anlass für das Verfahren ist eine Ordnungsverfügung der Stadt Mönchengladbach im Europawahlkampf 2019. Dort ging die NPD mit ihrem Plakat auf Stimmenfang, doch ließ die Stadt sie umgehend entfernen. Grund: Es handele sich um einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Dass im Bundesgebiet lebenden Migranten durch die Aussage „Migration tötet“ verunglimpft würden, erfülle den Straftatbestand der Volksverhetzung gemäß Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs. Um dies zu beenden, seien die Plakate abzuhängen oder unkenntlich zu machen.

Gerichte urteilten unterschiedlich, wie die Aussage zu bewerten sei

Die Partei klagte dagegen, bestritt eine Straftat und berief sich auf die im Grundgesetz geschützte Meinungsfreiheit. Das Wahlplakat beziehe sich nicht auf alle Migranten und auch nicht auf alle seit Herbst 2015 in das Bundesgebiet eingereisten Migranten, sondern nur auf die kriminellen Migranten.

Mit dem plakativen Slogan „Migration tötet“ werde allein angeprangert, dass die seinerzeit praktizierte Migrationspolitik der Bundesregierung tagtäglich zur Verletzung oder gar Tötung von Menschen durch Messerangriffe und ähnliche Straftaten führten. Zur Verdeutlichung dieser Aussage seien im Hintergrund des Plakates diverse, durch Kreuze getrennte Tatorte genannt.

Für einen durchschnittlichen und besonnenen Beobachter, so argumentierte die Partei, werde dadurch hinreichend deutlich, dass sich der Slogan nicht auf alle Migranten, sondern nur auf die kriminellen Migranten beziehe.

Das ließen die zuständigen Gerichte nicht gelten. Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) betonte, es habe eine Volksverhetzung und damit eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorgelegen. Dem Wahlplakat sei keine Begrenzung nur auf die seit Herbst 2015 eingereisten oder einige kriminelle Migranten zu entnehmen.

Es dränge sich die Aussage auf, dass Ausländer ganz allgemein die Tötung Deutscher beabsichtigten und mit der zunehmenden Zahl von Migranten auch die Gefahr für Deutsche ansteige, Opfer zu werden. Das Plakat könne deshalb auch nicht mehr als überspitzte Kritik an Migrationspolitik verstanden werden.

In der Verhandlung kritisierte der Vorsitzende Kraft, das OVG habe die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung einer Aussage verkannt. Strafbar könne eine Aussage nur sein, wenn andere Deutungen, die nicht strafbar seien, ausgeschlossen werden könnten. „Volksverhetzung ist ein Hammer“, sagte Kraft, der nicht leichtfertig verwendet werden dürfe. Das OVG habe sich jedoch nicht mit anderen Aussagen des potenziell mehrdeutigen Plakats beschäftigt, sondern sie auf die strafbare Variante reduziert.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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