Nicht alle sind zufrieden: So reagieren Berlins Hochschulen auf die Pläne von Schwarz-Rot
© picture alliance/dpa/Gero Breloer Nicht alle sind zufrieden: So reagieren Berlins Hochschulen auf die Pläne von Schwarz-Rot
Zwischen Zustimmung und Kritik: An den Berliner Unis gibt es unterschiedliche Reaktionen auf den Koalitionsvertrag von CDU und SPD. Vor allem zwei Themen polarisieren.
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Richtige Richtung“, „Folgen nur schwer abschätzbar“, „verursacht massive Probleme“: An den Berliner Hochschulen wird der Koalitionsvertrag von SPD und CDU ganz unterschiedlich aufgenommen. Während es vonseiten der Unileitungen eher positive Reaktionen gibt, reagieren Vertretungen von Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen verhalten bis kritisch.
Acht Seiten umfasst das Kapitel zu Wissenschaft und Forschung. Für FU-Präsident Günter M. Ziegler „stimmt die Richtung“. Er macht das vor allem an zwei Kernthemen fest: den Finanzen und der Hochschulautonomie, die Schwarz-Rot stärken will, um den Hochschulen „mehr Freiräume zur Entfaltung ihrer Potenziale“ zu schaffen, wie es in dem Vertragstext heißt.
Dass die Koalition einen jährlichen Aufwuchs von fünf Prozent der Landesmittel vorsieht, sei eine „gute Ansage“, sagt Ziegler, der aktuell auch Vorsitzender der Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten ist. Allerdings vermisst er eine Aussage darüber, wie zum Beispiel die Lehrkräftebildung finanziell zusätzlich ausgestattet werden soll. Der Koalitionsvertrag sieht für das Lehramt „eine ausfinanzierte Erhöhung der Lehrkapazitäten“ vor, was aber nicht beziffert ist: „Dazu brauchen wir langfristige Finanzzusagen, das können wir nicht zusätzlich zu unseren massiven Anstrengungen machen“, sagt Ziegler.
Die Stärkung der Hochschulautonomie sei den Unileitungen enorm wichtig. Dass CDU und SPD die Lehrverpflichtungsverordnung und die Kapazitätsverordnung überarbeiten wollen, sei richtig. Von einem „guten Tonfall“ bei dem Thema spricht Julia von Blumenthal, Präsidentin der Humboldt-Universität.
Auch Reinhard Flogaus, Ko-Sprecher der Akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HU und Mitglied der Landesvertretung Akademischer Mittelbau Berlin, hebt das Bekenntnis zur Stärkung der Autonomie der Hochschulen als „prinzipiell positiv“ hervor. In der Gesamtschau enthält der Vertrag in seinen Augen aber vor allem „zahlreiche Prüfungs- und Absichtserklärungen, deren konkrete Ausgestaltung und deren künftige Folgen derzeit nur schwer einschätzbar sind“.
Noch kritischer äußert sich Janik Besendorf, Studierendenvertreter an der Freien Universität. Der Vertrag sei „durchzogen von Leistungs- und Wettbewerbsgedanken“: „Das löst massive Probleme aus, weil die verschiedenen Gruppen an den Hochschulen gegeneinander ausgespielt werden.“
Kontroverse Einschätzungen bei zwei Themen
Kontrovers sind die Einschätzungen vor allem bei zwei Themen: den Zielen für die Lehrkräfteausbildung und der Frage, wie für junge Forschende faire Arbeitsbedingungen geschaffen werden.
Stichwort Lehrkräfte: „Langfristiges Ziel ist die Erreichung von mindestens 2500 Absolventinnen und Absolventen pro Jahr“, heißt es im Koalitionsvertrag. Aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wären aber 3000 nötig, sagt Markus Hanisch, Geschäftsführer und Sprecher der GEW Berlin. Ebenso kritisch sieht er „neue Experimente“ wie einen von CDU und SPD vorgesehenen Bachelor of Education und eine duale Lehramtsausbildung mit den Fachhochschulen. „Solche strukturellen Änderungen dauern nicht nur sehr lange, sondern bringen erneute Unruhe in die Hochschulen bringen.“
Angesichts des Lehrkräftemangels seien die Aussagen zum Thema Lehrkräfte im Koalitionsvertrag insgesamt zu wenig, erklärt Hanisch: „Mit ein paar Stipendien und dem vagen Versprechen nach mehr Praxis werden sich die Zahlen nicht magisch verdreifachen.“ Ähnlich denkt auch das Bündnis „Schule muss anders“, an dem die GEW ebenfalls beteiligt ist: Eine zu niedrige Zielzahl bei den Lehramtsabsolventen und eine zu geringe Unterstützung „würden den Mangel weiter fortschreiben“.
HU-Präsidentin von Blumenthal bewertet den Koalitionsvertrag an dem Punkt freundlicher: Die Formulierung des langfristigen Ziels erkenne die gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe in der Lehrkräftebildung genauso an wie die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Hochschulen in dem Bereich.
Stichwort faire Arbeit: Das große Thema der vergangenen Jahre war die Reform des Berliner Hochschulgesetzes. Diese soll Postdoktoranden eine Entfristung ihrer Stellen zusichern. CDU und SPD wollen die Übergangsfrist für den entsprechenden Passus um zwei Jahre bis April 2025 verlängern, auch um abzuwarten, wie die Bundesgesetzgebung bei dem Thema bis dahin geregelt wird. Eine konkrete Aussage dazu, ob der Paragraf dazu im Berliner Gesetz beibehalten wird, fehlt im Koalitionsvertrag.
Für Reinhard Flogaus war es „in gewisser Weise absehbar“ dass sich SPD und CDU hier nicht auf eine konkrete Position einigen können würden. Dieses Vertagen ist für ihn „die größte Enttäuschung“ des Vertrages: „Damit geht nun leider die „Hängepartie“ für promovierte junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weiter mit negativen Folgen für den Wissenschaftsstandort Berlin.“ Markus Hanisch von der GEW sagt: „Das Verschieben der Umsetzung lässt ein Begräbnis dieser Regelung befürchten.“
FU-Präsident Ziegler dagegen hält die verlängerte Übergangsfrist für richtig. Er sehe das als Chance, das Thema faire Karrierewege in Ruhe richtig zu gestalten „und etwas Tragfähiges daraus zu machen“.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de