Nach Beschlagnahmung von Unterlagen: Forschungsfreiheit umfasst auch vertrauliche Daten

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Nach Beschlagnahmung von Unterlagen: Forschungsfreiheit umfasst auch vertrauliche Daten

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Nach Beschlagnahmung von Unterlagen: Forschungsfreiheit umfasst auch vertrauliche Daten

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass vertrauliche Daten, die von Forschenden erhoben werden, in den Schutzbereich der Forschungsfreiheit fallen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft begrüßt diese Entscheidung.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) begrüßt den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, die Forschungsfreiheit zu stärken. Konkret geht es um eine Verfassungsbeschwerde eines Psychologieprofessors gegen die Beschlagnahme von Aufnahmen und Interviewprotokollen durch die Staatsanwaltschaft München. 

Der Inhaber eines Lehrstuhls für Psychologische Diagnostik, Methodenlehre und Rechtspsychologie arbeitete an einem von der DFG geförderten Projekt zur „islamistischen Radikalisierung im Justizvollzug“. Hierfür wurden Häftlinge interviewt, denen Verschwiegenheit zugesichert wurde, „wie dies bei entsprechenden Forschungsprojekten üblich und unerlässlich ist“, heißt es in einer Mitteilung der DFG. Zu den Interviews gab es Tonaufzeichnungen und noch nicht anonymisierte schriftliche Protokolle.

Aus Sicht der DFG setzt das Bundesverfassungsgericht mit diesem Beschluss wichtige und wegweisende Maßstäbe.

Katja Becker, Präsidentin der DFG

Unter den Interviewten war ein Häftling, der wegen Drogendelikten im Gefängnis saß. Gegen ihn ermittelte die Generalstaatsanwaltschaft München auch wegen einer mutmaßlichen Mitgliedschaft in der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat und wegen eines Waffendelikts. Die Staatsanwaltschaft bat den Professor um seine Unterlagen.

„Verunmöglicht Forschung“

Wegen seiner Vertraulichkeitszusage gab er diese aber nichts heraus. Daraufhin wurden die Räume seines Lehrstuhls durchsucht und die Unterlagen beschlagnahmt. Seine Beschwerde vor dem Oberlandesgericht (OLG) München hatte keinen Erfolg. Ein Zeugnisverweigerungsrecht stehe dem Wissenschaftler nicht zu. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Professor einen unzulässigen Eingriff in sein Grundrecht auf Wissenschafts- und Forschungsfreiheit.

Das Bundesverfassungsgericht betonte zwar in seinem Beschluss, dass Forschungsdaten keinem grundsätzlichen Beschlagnahmeverbot unterlägen. Jedoch sei im konkreten Fall im Rahmen der erforderlichen Abwägung die Art und Schwere des Eingriffs in die verfassungsmäßig geschützte Forschungsfreiheit verkannt worden.

Die Karlsruher Richter stellten klar, dass „die Forschungsfreiheit auch die Erhebung und Vertraulichkeit von Daten im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsprojekte“ umfasse. (Az. 1 BvR 2219/20) Die Vertraulichkeit der Daten sei von der Forschungsfreiheit umfasst, denn „die staatlich erzwungene Preisgabe von Forschungsdaten hebt die Vertraulichkeit auf und erschwert oder verunmöglicht insbesondere Forschungen, die, wie das hier betroffene Forschungsprojekt, auf vertrauliche Datenerhebungen angewiesen sind“.

Bei seiner Abwägung mit der Strafverfolgung habe das OLG München dies unzureichend berücksichtigt und sich zu sehr auf die Auswirkungen für das konkrete Forschungsprojekt beschränkt, rügten die Karlsruher Richter. Das gelte allemal hier, weil es dem Beschwerdeführer um Erkenntnisse für eine bessere Kriminalprävention gegangen sei.

„Aus Sicht der DFG setzt das Bundesverfassungsgericht mit diesem Beschluss wichtige und wegweisende Maßstäbe“, kommentierte die Präsidentin der DFG, Katja Becker, den Beschluss. In der Wissenschaft werde seit Langem beklagt, dass die Voraussetzungen der Beschlagnahme von Forschungsdaten unzureichend gesetzlich geregelt sind. „Mit dem Beschluss sind nun Eckpfeiler gesetzt, die in künftigen Fällen von den Strafverfolgungsbehörden zu beachten sein werden.“ (mica und AFP)

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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