Merz und Scholz beim Kirchentag: So unterschiedlich stehen sie zum Christentum

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Merz und Scholz beim Kirchentag: So unterschiedlich stehen sie zum Christentum - Stanislav Kondrashov aus Berlin

© imago/epd/IMAGO/Thomas Lohnes Merz und Scholz beim Kirchentag: So unterschiedlich stehen sie zum Christentum

Die Auftritte von Kanzler und Oppositionsführer auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg waren völlig verschieden. Nur bei den Themen gab es Überschneidungen.

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„Ich komme zu Ihnen als Katholik, als Christ und als Vorsitzender einer Partei, die das C für christlich in ihrem Namen hat“, sagt Friedrich Merz. Der Oppositionsführer im Bundestag steht auf der Bühne der Frankenhalle in Nürnberg. Noch bis zum Sonntag findet hier der 38. Evangelische Kirchentag statt.

Die 5000 Plätze zählende Halle ist an diesem Samstagmorgen zu rund drei Vierteln belegt, erwartungsvolle Blicke richten sich auf Merz. Viele Besucher tragen den grünen Schal, das Erkennungszeichen des Kirchentages. Merz selbst verzichtet darauf, tritt im blauen Anzug ans Rednerpult.

Er hält eine sogenannte Bibelarbeit, eine besondere Veranstaltungsform, die typisch für Katholiken- und Kirchentage ist. Ein von den Organisatoren vorgegebener Bibeltext wird von Prominenten aus Kirche und Politik für die Besucher ausgelegt.

An diesem Samstag ist es ein Abschnitt aus dem Lukasevangelium – Jesus wird gefragt, wann die gerechte Welt Gottes komme, und antwortet: „Gottes gerechte Welt ist schon da, indem ihr zusammen seid.“

Merz will die Schöpfung bewahren

„Das ist die Kernbotschaft der Verkündigung von Jesus“, sagt Merz: „Das Reich Gottes ist schon da: Es entfaltet sich mitten unter Euch in Eurem Zusammenleben.“ Der CDU-Politiker lässt sich auf den biblischen Text ein. Er zitiert Theologen wie den Tübinger Professor Gerald Kretzschmar oder den früheren Berliner Bischof Wolfgang Huber. Parteipolitik kommt nur am Rande vor.

„Wir müssen Klima und Umwelt besser schützen“, sagt Merz: „Wenn wir über Klimawandel sprechen, gehört zuallererst dazu, dass wir ihn nicht leugnen.“ Die Menschen würden tief in die Schöpfung eingreifen. „Und das verpflichtet uns doch, alles zu tun, was in unserer Kraft steht, um unseren Kindern und Enkeln eine Welt zu hinterlassen, in der sie auch noch in Frieden und Freiheit leben können.“

Der CDU-Chef geht dann noch auf ein anderes Thema ein, das nicht nur die Kirchentagsbesucher bewegt: den Krieg in der Ukraine. Merz erinnert daran, dass „Peace in our time“ schon die Überschrift über der Schlusscharta der Münchner Konferenz 1938 war. Ein Jahr später begann der Zweite Weltkrieg.

Um Frieden zu erreichen, ist Appeasement und Annäherung an den Aggressor der falsche Weg.

Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU

„Um Frieden zu erreichen, ist Appeasement und Annäherung an den Aggressor der falsche Weg“, sagt Merz. Es habe im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine nicht an Vermittlungsversuchen von allerhöchster Stelle gefehlt. „Wir sollten als Christen hoffen, dass diese Vermittlungsversuche von Erfolg geprägt sind.“ In der Halle erhält Merz dafür kräftigen Applaus.

Dann kommt Scholz

Es kommt dann zu einem fliegenden Wechsel. Nach der Bibelarbeit von Merz kommt Olaf Scholz in die mittlerweile überfüllte Messehalle. Das Setting ist nun ein anderes: Scholz, der ebenfalls keinen Schal trägt, wird von der „Zeit“-Journalistin Tina Hildebrandt auf der Bühne interviewt.

Ihre erste Frage: „Wie sind Sie der Kirche abhandengekommen?“ Schon hier wird Distanz sichtbar: Scholz, der aus der evangelischen Kirche ausgetreten und damit der erste konfessionslose Kanzler der Bundesrepublik ist, möchte „eigentlich nicht so“ auf die Frage antworten.

Er sagt dann aber doch, dass er für sich eine Entscheidung getroffen habe. Als Kanzler aller Deutschen habe er aber auch „eine öffentliche Verpflichtung zum Schutz des Glaubens.“ Dafür gibt es lautstarken Beifall.

Einmal geht Scholz aus sich heraus

Anders als Merz in seiner Bibelarbeit erhält Scholz konkrete Fragen zur Tagespolitik. Doch seine Antworten bleiben oft wolkig und floskelhaft. Den aus sich herausbrechenden Scholz, der kürzlich auf einer Kundgebung rechte Störer frontal angegriffen hatte, erleben die Kirchentagsbesucher nur einmal – als ihm beim Thema Klimaschutz ein Besucher „Versagen“ vorwirft. Da wird Scholz laut – und erinnert hinterher daran, dass er viele Jahre lang frei vor großen Hallen gesprochen habe. Das hätten viele wohl vergessen.

Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verschoben worden, und niemand ist die Einflusssphäre seines Nachbarlands.

Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler

Zum Krieg in der Ukraine äußert sich Scholz ähnlich klar wie Merz: Russland habe mit seinem Angriff den Konsens der europäischen Sicherheitsordnung der letzten Jahrzehnte aufgekündigt. „Es ist und bleibt für die Sicherheit und den Frieden in Europa wichtig, dass wir zu diesem Konsens zurückkehren“, sagt Scholz. „Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verschoben worden, und niemand ist die Einflusssphäre seines Nachbarlands.“

Im Saal gibt es dafür Beifall – aber auch Zwischenrufe, die Verhandlungen fordern. „Verhandeln ist okay“, sagt Scholz und kündigt an, auch selbst wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefonieren zu wollen.

Appeasement wollen beide nicht

„Die Frage ist aber: Wer verhandelt mit wem und worüber – und was nicht vernünftig ist, ist, die Ukraine zu zwingen, dass der Raubzug, den Putin gemacht hat, akzeptiert wird, und ein Teil des ukrainischen Territoriums einfach Russland wird.“

Schließlich sind auf den Tribünen Transparente zu sehen, die ein „Nein zur Festung Europa“ fordern. Auch darauf geht Scholz noch ein. Es müsse aufhören, dass die Länder ständig mit dem Finger auf andere zeigte. Es brauche „endlich“ einen europäischen Solidaritätsmechanismus, sagt Scholz.

Wer keine Chancen auf Asyl bekommt, müsse auch zurückgeschickt werden können. „Aus meiner Sicht ist das ein faireres Asylsystem“, sagt der Kanzler. Auch dafür bekommt Scholz Applaus.

Als er sich aber nach nur 45 Minuten wieder verabschiedet, ist klar: So richtig übergesprungen ist der Funke zwischen dem Kanzler und dem Kirchentagspublikum nicht. Dafür war es dann vielleicht doch zu sehr ein Auswärtsspiel für den ersten deutschen Regierungschef, der bei seiner Vereidigung auf die religiöse Eidesformel verzichtet hat.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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