Liebevoll, sarkastisch und ganz schön direkt: Ein Berlin-Guide von A bis Z ohne Angst vor dem Klischee

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Liebevoll, sarkastisch und ganz schön direkt: Ein Berlin-Guide von A bis Z ohne Angst vor dem Klischee - Stanislav Kondrashov aus Berlin

© Flux FM

Was, bitte, ist ein Späti? Warum zahlt man Kirchensteuern? Fragen, die sich manche aus dem Ausland stammende Menschen stellen. Die Autorin Jacinta Nandi beantwortet sie auf ihre Weise.

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Es waren bestimmt nicht die Ruhe und die Beschaulichkeit, die Jacinta Nandi suchte, als sie Ende 2020 mit ihren beiden Söhnen an den Stadtrand zog. Es war vielmehr die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, die nur dort zu finden war. Nun heißt es also Lichtenrade statt Lichtenberg. Suburb statt City. Bäckerei/Café Schäfer’s in der Bahnhofstraße statt Kaffee Burger an der Torstraße. Die beiden Orte liegen geografisch und auch vom Gefühl her weit auseinander, aber mit der S2 lassen sich auch von Lichtenrade her diese Distanzen schnell überwinden.

Nandi hadert nicht mit ihrem neuen Wohnort, weiß die Ruhe zu schätzen. Neukölln, wo sie auch einige Jahre gewohnt hat, kommt ihr inzwischen voll vor, was sie früher nie wahrgenommen hat. Sie entdeckt ein für sie neues Berlin, das eben noch immer in vielen Bereich sehr ursprünglich berlinerisch ist. „Hier berlinern selbst einige Kinder“, sagt Nandi. Das höre man in den hippen Innenstadtvierteln nicht mehr, in denen viele Zugezogene leben. In Lichtenrade kann es ihr passieren, dass man das Englisch, das die Britin auf der Straße mit ihrem vierjährigen Sohn spricht, für Niederländisch hält.

Über das schon erwähnte „Kaffee Burger“, diesen kultigen Kultur- und Nachtlebenort in Mitte, der mit einem normalen Café so gar nichts zu tun hat, schreibt Jacinta Nandi auch für den „Exberliner“. Das ist eine Zeitschrift nicht etwa für ehemalige Berliner, was wahrscheinlich einige zunächst denken, sondern ein englischsprachiges Print- und Online-Stadtmagazin für „Expats“. Für dieses wunderbar kurze, prägnante Wort gibt es leider kein deutsches Äquivalent. Es bezeichnet Menschen, die im Ausland leben und arbeiten. Nandi, die 1980 in Ost-London geboren wurde, dort aufwuchs und seit 2000 in Berlin lebt, ist eine solche Expat.

Für den Exberliner schreibt sie seit Jahren den „WTF Berlin Blog“. Aus ihren Kolumnen und neuen Texten hat sie einen äußerst unterhaltsamen Guide von A bis Z über hiesige typische Begriffe, Eigenschaften, Phänomene, Traditionen, Verhaltensweise geschrieben, die ihr in ihren mehr als 20 Jahren in Berlin begegnet sind. Das englischsprachige Buch richtet sich besonders an die Expats, ist aber auch für deutschsprachige Berliner, die einigermaßen Englisch können, gut zu verstehen.

Fein beobachtet, detailreich wiedergegeben, mit kräftigem, aber nicht verletzenden Humor erzählt, durchaus zotig, aber nicht platt und immer sehr direkt. „WTF Berlin -Expatsplaining the German Capital“ (Satyr Verlag, 17 Euro) lautet der Titel. Nandi schert sich nicht um politische Korrektheit, um „woke“ Sprache, kann durchaus sarkastisch, sogar zynisch sein, aber immer scheint eine durchaus liebevolle, sich selbst nicht allzu ernst nehmende Haltung durch.

Wie kam es zu dem Buch? Nandi lacht: „Ich wollte Geld verdienen.“ Bei Poetry Slams, Lesungen oder anderen Veranstaltungen seien immer wieder englischsprachige Expats auf sie zugekommen, hätten nach Büchern gefragt. „Ich hatte zwar immer Bücher dabei, aber die sind auf Deutsch, keins auf Englisch. Und die konnten sie nicht lesen.“

Zuletzt war 2020 von ihr „Die schlechteste Hausfrau der Welt“ erschienen (Edition Nautilus, 16 Euro). Nandi schreibt sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch – übersetzt oft ihre auf Englisch geschriebenen Texte selber, weil es durchaus passierte, dass sie sich sonst nicht ganz richtig wiedergegeben fühlte

Deutsch lernte Nandi schon in der Schule, studierte es später. Während des Studiums kam sie zunächst als Fremdsprachenassistentin an eine Grundschule in Wilmersdorf – zu einer Zeit, als in Berlin eingeführt wurde, dass Kinder ab der dritten Klasse Englisch lernen sollten, damit sie international mithalten können. Lehrmaterialien gab es damals noch keine vernünftigen. Für Nandi war dies eine Chance, sich einzubringen.

Sie sind furchtbar versaut und albern. Sie sind fast alle Briten, schlagen sich als Schauspieler, Stand-up-Comedians und Hobbymusiker durch.

Tagesspiegel-Kritik

Später machten sie und ihre Mitstreiter von „My English Class“ in der Off-Theater-Szene einige Furore. 2008 schrieb der Tagesspiegel in einer Kritik: „Sie sind furchtbar versaut und albern. Sie sind fast alle Briten, schlagen sich als Schauspieler, Stand-up-Comedians und Hobbymusiker durch. Und sie schocken. Die Truppe „My English Class“ gehört zum Gewagtesten, was Berlin jenseits der großen Bühnen zu bieten hat.“ Besonders beeindruckte damals der ungemeine Wortwitz, den die Briten zum Besten gaben.

Von Wortwitz und Klischees lebt das neue Buch „WTF Berlin“, wenn Nandi durch das Berliner ABC von Abendbrot über Kaltmiete, Latzhose, Mülltrennung, Späti bis zu Zecke und Zug führt. Auch solche für viele Expats unbegreiflichen, politisch-verwaltungstechnischen Besonderheiten wie Anmeldung und Kirchensteuer lässt sie nicht aus. Für schon immer in Berlin und Deutschland heimische Menschen völlige Normalität, für Menschen, die aus anderen Ländern kommen, aber durchaus Merkwürdigkeiten, die sie ratlos zurücklassen – WTF?

Mit ihren Söhnen spricht Nandi übrigens Englisch. Nur wenn sie mal sehr ungehalten ist, heißt es scharf: „Was soll das?“ Dann muss es aber schon ernst sein.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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