Liebesbeziehung von Regierungschef und Senatorin: Berliner Opposition wirft Wegner Interessenkonflikte vor
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Update Liebesbeziehung von Regierungschef und Senatorin: Berliner Opposition wirft Wegner Interessenkonflikte vor
Eine Woche lang wurde gerätselt, am Anfang waren es nur Liebesgerüchte. Am Freitag nun gaben der CDU-Politiker und Bildungssenatorin Günther-Wünsch über einen Anwalt eine Erklärung ab.
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Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner und Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (beide CDU) haben ihre Beziehung öffentlich gemacht. Wie Rechtsanwalt Christian Schertz am Freitag der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, entschieden beide im Herbst 2023, eine Beziehung einzugehen. Sie hätten ihn gebeten, „dieses aus Gründen der Transparenz zu bestätigen, um Klarheit für alle Beteiligten in der professionellen Zusammenarbeit sicherzustellen“.
Der Anwalt erklärte weiterhin: „Unabhängig davon, dass eine derartige Konstellation keinen rechtlichen Bestimmungen widerspricht, ist es natürlich selbstverständlich, dass die Beteiligten im Zusammenhang mit ihrer Amtsführung Privates und Berufliches strikt trennen.“ Der Anwalt bat zudem darum, die Privatsphäre des 51-Jährigen und der 40-Jährigen auch im Interesse ihrer Familien zu respektieren.
Zentrale Fragen blieben mit der Erklärung unbeantwortet, etwa nach einem möglichen Interessenskonflikt im Senat. Wegner und Günther-Wünsch stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis. Der Regierende kann Senatoren laut Berliner Verfassung ernennen und auch wieder entlassen.
Grüne sehen erhebliche Probleme mit der Liaison im Senat
„Dass sie nun Transparenz schaffen, war überfällig, löst aber die Frage der Interessenkonflikte nicht“, sagte Bettina Jarasch, Co-Fraktionschefin der Grünen, dem Tagesspiegel. Es gäbe absehbar Interessenkonflikte für die Zusammenarbeit im Senat „Wir freuen uns, wenn sich Liebende finden, diese Liebe ist aber keine reine Privatsache. Sie betrifft die Arbeit des Senats. Die Beziehung nur einzugestehen, reicht nicht aus.“
Das betreffe etwa Konflikte zum Haushalt und im Umgang mit der Richtlinienkompetenz des Regierenden. Ebenso sei die Frage offen, wie bei Konflikten zwischen Senatsmitgliedern entschieden wird, ob Wegner dann noch die Führung übernehmen könne oder ob er befangen sei. „Der Regierende ist in der Pflicht, jetzt Klarheit zu schaffen, wie der Senat mit diesen Konflikten umgehen wird. Diese Transparenz ist er den Berlinerinnen und Berlinern, dem Parlament und der Demokratie schuldig“, sagte Jarasch.
Die AfD-Fraktion bereitet nach Tagesspiegel-Informationen einen Antrag zur Einführung von Compliance-Regeln vor. „Privates und Regierungsamt können gemäß der Natur des Menschen nicht im gebotenen Maß getrennt werden“, sagte AfD-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker.
Die Landesvorsitzende der Berliner Linken, Franziska Brychcy, äußerte sich ebenfalls kritisch. Man erwarte vom Regierenden und der Bildungssenatorin, „dass Interessenkonflikte zwischen Privatleben und dem Wohl der Stadt ausgeschlossen werden“, sagte sie.
Auch der FDP-Vize Wolfgang Kubicki äußerte Kritik. „Es ist deshalb ein Problem, weil Herr Wegner und Frau Günther-Wünsch immer dem Verdacht entgegenwirken müssen, ihr Privatleben von ihrer politischen Arbeit nicht trennen zu können“, sagte Kubicki der „Rheinischen Post“, bevor der Regierungschef und die Senatorin ihre Beziehung bestätigten. In einem börsennotierten Unternehmen wäre eine solche Konstellation undenkbar, erklärte Kubicki. „Es wäre besser, der Regierende Bürgermeister würde diese Compliance-Regeln auch beherzigen“, meinte der FDP-Politiker und Bundestagsvizepräsident.
Die CDU sieht kein Problem
Die CDU hat offenbar kein Problem mit der Liaison im Senat – und stärkt dem Liebespaar den Rücken. Der CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus äußerte sich bereits kurz nach der offiziellen Erklärung. „Glückwunsch an das glückliche Paar“, sagte er dem Tagesspiegel. „Ich hab in den letzten Monaten positiv erleben dürfen, dass wir eine hervorragende Bildungssenatorin haben und einen sehr guten Regierenden Bürgermeister, die jeweils bewiesen haben, dass sie ihren Mann, ihre Frau stehen, auch in streitiger Situation, in Vertretung der Sache.“ Er sei überzeugt davon, dass das in Zukunft auch der Fall sein werde, sagte Stettner.
Ich bin fest überzeugt, dass Privates und Berufliches von beiden sehr wohl getrennt wird, so wie ich es bisher auch von ihnen kenne.
Dirk Stettner, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus
Auf die Frage, ob nicht gewisse Interessenskonflikte bei der Zusammenarbeit im Senat entstehen könnten, sagte der Fraktionschef: „Ich bin fest überzeugt, dass Privates und Berufliches von beiden sehr wohl getrennt wird, so wie ich es bisher auch von ihnen kenne.“ Mit Blick auf anstehende Haushaltsentscheidungen und mögliche Bevorteilungen des Bildungsressorts sagte er, über den Haushalt würden nicht der Regierende Bürgermeister, sondern das Parlament und vor allem die Regierungsfraktionen entscheiden. „So gesehen sehe ich da überhaupt keine Probleme.“
Bedenken mit Blick auf die Auflösung der Pauschalen Minderausgaben, die von den Ressorts eingespart werden müssen, habe er nicht. „Das verhandeln die einzelnen Senatorinnen und Senatoren mit dem Finanzsenator und nicht mit dem Regierenden Bürgermeister“, sagte Stettner.
Bis zu 20 Prozent der Paare lernen sich im Job kennen
Der Berliner Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak (CDU) sagte: „Die Liebe hat zwei Menschen zueinander geführt. Das ist etwas höchst Privates, wegen ihrer Regierungsämter aber auch politisch. Es ist gut, dass nun Klarheit herrscht – ich freue mich für die beiden. Als starkes Paar machen beide zusammen einen hervorragenden Job für Berlin.“
Kritik kommt hingegen von der „Jungen Union“. „In einem Unternehmen ginge das nicht“, sagte der JU-Landeschef Harald Burkart, zu der Liaison. „Leider sind Abhängigkeitsverhältnisse in der Berliner CDU keine Seltenheit.“
Kollegen, Opposition, Medien werden das Paar nun kritischer beobachten. Den Wählerinnen und Wählern hingegen könnten Wegner und Günther-Wünsch womöglich gar sympathischer werden. Je nach Umfrage lernten sich zehn bis 20 Prozent der Paare im Job kennen. Die beiden knüpften also ans Alltagsverständnis an. Auf der anderen Seite bleibt das Risiko: Wegner und Günther-Wünsch haben sich politisch angreifbar gemacht. Jeder Vorstoß Wegners in der Bildungspolitik könnte den Vorwurf unlauterer Motive hervorrufen.
Druck auf Wegner stieg zuletzt
Dazu kommt, dass Wegner die Beziehung erst nach großem öffentlich Druck bekannt gemacht hat. Am vergangenen Freitag ließ der Regierende über die Senatssprecherin verkünden, dass er sich bereits im September von seiner bisherigen Partnerin und Mutter seiner beiden jüngsten Kinder getrennt habe. Am Dienstag dann wurde erklärt, dass er sich fortan „bei allen Angelegenheiten hinsichtlich seiner Privatsphäre“ von einem Anwalt vertreten lasse. Der wollte sich aber nicht zu „Gerüchten“ über Wegners Privatleben äußern.
Am Freitag verdichteten sich die Hinweise, dass Wegner nach einer Woche nun die Reißleine ziehen wird und sein Schweigen bricht. Denn der Druck stieg zuletzt immens, am Sonntag sind die Ferien vorbei, der Politikbetrieb nimmt die Arbeit wieder auf. Bis dahin, so hieß es aus der CDU und dem Koalitionspartner SPD im Vorfeld, müsse die Sache geklärt sein.
Bestand die Beziehung schon, als der Senat ins Amt kam?
Auch der Tagesspiegel hatte seit mehreren Wochen mit zahlreichen Christdemokraten gesprochen, die von der Liaison wussten: Wegner und Günther-Wünsch hätten im Jahr 2023 öfter privaten Kontakt gepflegt, was auch in Sicherheitskreisen bekannt ist.
Zugleich mehrten sich in den vergangenen Tagen die Hinweise darauf, dass die Beziehung zwischen Wegner und Günther-Wünsch bereits vor der Bildung des neuen Senats Ende April und damit anders als behauptet vor dem Amtsantritt der beiden begann. Die Beziehung der beiden sei „schon lange kein Geheimnis mehr“, hieß es übereinstimmend. Von „Jahresanfang“ sprachen mehrere Abgeordnete, andere wollten das nicht bestätigen.
Sollte dies zutreffen und bestätigt werden, könnte der Fall für Wegner und Günther-Wünsch noch heikler werden, als er ohnehin schon ist.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de