Hoffen auf den „Gamechanger“: Wie bekommt Berlin mehr Lehrkräfte?
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Hoffen auf den „Gamechanger“: Wie bekommt Berlin mehr Lehrkräfte?
Das Lehramtsstudium soll attraktiver werden – nur wie? Eine Anhörung im Abgeordnetenhaus zeigt: Die Probleme beginnen manchmal schon vor dem Studium.
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Wie schaffen es die Berliner Universitäten, mehr Lehrkräfte auszubilden, um den eklatanten Mangel in der Stadt zu beheben? Dass Handlungsbedarf besteht, ist unstrittig – das wurde am Montag bei einer Expertenanhörung im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses erneut klar.
„Wir brauchen schnell mehr Lehrkräfte – die auch langfristig bleiben“, sagte Stephan Breidbach, Direktor der Professional School of Education der Humboldt-Universität. Von einer kleinen Steigerung sprach die Berliner GEW-Vorsitzende Martina Regulin. Aber „Wir sind noch weit weg vom gewünschten Ziel.“
Tatsächlich sprechen die Zahlen eine eindeutige Sprache. Rechnet man das Wintersemester 2022/23 und das Sommersemester 2023 zusammen, brachten die Hochschulen in dem Zeitraum nur 1167 Lehramtsabsolventen hervor, wie aus der Antwort der Wissenschaftsverwaltung auf eine Anfrage der Linkenfraktion hervorgeht. Das sind zwar rund 130 mehr als in dem vergleichbaren Zeitraum ein Jahr zuvor – aber die Marke liegt immer noch weit von den 2500 Absolventen entfernt, die die neuen Hochschulverträge den Unis vorgeben.
Die Probleme beginnen schon vor dem Studium: Den Hochschulen brechen die Bewerberinnen und Bewerber weg. „Die Realität ist: Die Menschen stehen nicht Schlange, um Lehramt zu studieren“, sagte Christian Schröder, Vizepräsident der Technischen Universität für Studium und Lehre. Tatsächlich sind die Bewerbungszahlen im Vergleich zu vor der Coronapandemie um ein Drittel eingebrochen, wobei sie sich seit 2022 eher zu stabilisieren scheinen. Die HU lag in diesem Jahr mit 9197 Bewerbungen sogar auf einmal wieder auf dem Niveau von 2019/20.
Trendwende erst 2038?
Auch gibt es noch immer Fächer, in denen mehr Bewerbungen eintreffen als Studienanfänger zugelassen werden. Die Demografie weist dennoch auf einen Abwärtstrend hin. Die Lehramtsfächer könnten das, anders als andere Studiengänge, auch schwer mit internationalen Bewerbern kompensieren, sagte Felicitas Thiel, Schulentwicklungs-Forscherin an der FU. Wenden werde sich der Trend erst dann, wenn die Jahrgänge 2013/14 mit ihrem Studium fertig ist: Mit diesen Jahrgängen steigt die Geburtenrate wieder. „Die sind aber erst ab 2038 im System“, sagte Thiel.
Die Hochschulen werben so verstärkt um Interessenten. Eva Terzer, Geschäftsführerin der Dahlem School of Education (Freie Universität), berichtete von Scouting-Programmen insbesondere für MINT-Fächer. Die FU gebe Interessierten mit Videos Einblicke, was sie im Lehramtsstudium erwartet. Gerade für das Bachelor-Studium müssten die Unis analysieren, wo Hürden für die Studierenden sind. „Wenn sie erst einmal im weiterführenden Master angekommen sind, studieren sie den meistens auch zu Ende“, sagte Terzer.
Große Hoffnungen setzten die Hochschulvertreterinnen und -vertreter auf die Ein-Fach-Lehrkraft. Bisher müssen zwei Fächer vorgewiesen werden, die Unis und auch die zuständigen Senatsverwaltungen wollen das wie berichtet ändern. Ein Ein-Fach-Master könnte ein „Gamechanger“ sein, sagte Felicitas Thiel. Schon jetzt gebe es entsprechende Anfragen von Bewerbern, die sich nur für ein Fach interessierten, aber zurückgewiesen werden müssten.
Skeptischer bei dem Thema war die GEW-Vorsitzende Regulin: „Ein-Fach-Lehrkräfte sind kein Allheilmittel.“ Diese dürften keinesfalls schlechter bezahlt werden, sie bräuchten zudem eine Perspektive, sich für ein zweites Fach weiterbilden zu können.
Noch eine Baustelle: Viele Studierende arbeiten bereits parallel zum Studium in der Schule, ohne dabei selber betreut zu werden. Schleiften sich dabei einmal „dysfunktionale“ Arbeitsweisen ein, seien diese oft nur schwer zu beheben, sagte Eva Terzer von der FU. Nicht alle machten positive Erfahrungen: „Die sagen: Das ist ein Beruf, den ich mir nicht auf Dauer vorstellen kann.“ Die Unis wollen hier die angeleiteten Praxisanteile im Studium flexibilisieren, um auch die besser anleiten zu können, die im Nebenjob an Schulen unterwegs sind.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de