Heute vor 99 Jahren: Die tödliche Gefahr des Joggens in sengender Hitze
© Hulton Archive/Getty Images Heute vor 99 Jahren: Die tödliche Gefahr des Joggens in sengender Hitze
Laufen trotz Hitze? Keine gute Idee. Das lehrt nicht nur die olympische „Hitzeschlacht von Colombes“, es gibt auch ganz aktuelle, traurige Beispiele junger Sportler, die ihren Körper überschätzten.
Eine Kolumne von
Laufen ist gesund – und hip. 261 Marathonwettkämpfe gab es 2019 allein in Deutschland. 20 Millionen Menschen joggen regelmäßig bis zu 60 Minuten in der Woche, meistens draußen bei jedem, auch heißem Wetter wie derzeit. Und das kann gefährlicher sein, als viele annehmen würden.
Während vor Kälte die geeigneten Klamotten schützen, hat das Ablegen derselben an heißen Sommertagen natürliche – und kulturell bedingte – Grenzen. Zwar ist es in der Regel nur so ein Gefühl mancher Läufer – etwa des viel zu selten trainierenden Autors dieser Zeilen –, dass sich ihr schon nach wenigen Metern hochroter Kopf in Kürze selbst entzünden könnte. Aber hohe Temperaturen beim Joggen können tatsächlich drastische Folgen haben. Selbst bei gut trainierten, jungen Läufern.
Tod durch 3000-Meter-Lauf
Da gibt es etwa den Fall des 28-Jährigen, der an einem nur 28 Grad Celsius warmen Tag an einem Drei-Kilometer-Rennen teilnahm, kollabierte und mit Gehirnkrämpfen und über 40 Grad Körpertemperatur in die Intensivstation der nächsten Klinik gebracht werden musste. Nach ein paar Stunden entwickelte er eine Gerinnungsstörung seines Blutes, woraufhin seine Organe versagten. Trotz intensiver Behandlung starb er am nächsten Tag an einem Hirnödem.
Ein 23-jähriger Ruderer, der vor einem Wettkampf durch Joggen in warmer Kleidung Gewicht verlieren wollte, kurbelte seine Körpertemperatur auf 43 Grad, was ihm einen Hitzschlag, Bewusstlosigkeit, Gerinnungsstörungen und multiples Organversagen mit Leberstillstand und akutem Nieren- und Lungenversagen einbrachte. Auch er starb.
Mehr Glück hatten die 38 Teilnehmer des olympischen Crosslaufs im französischen Colombes am 12. Juli 1924, heute vor 99 Jahren. Gestartet am Mittag, bei Temperaturen von 45 Grad Celsius, ging das Rennen als „Hitzeschlacht von Colombes“ in die Geschichte ein. Von den 38 gestarteten Läufern erreichten nur 15 das Ziel des zehn Kilometer langen Querfeldeinparcours entlang der Seine, der vor allem über unwegsame, ungemähte Wiesen führte und kaum Schatten bot.
Die Läufer torkelten, verloren die Orientierung, stürzten, rappelten sich auf, stürzen wieder. Der Schwede Sven Thuresson erlitt einen schweren Hitzschlag, erholte sich aber später wieder. Die meisten brachen den Wettkampf rechtzeitig ab. Dass der favorisierte Paavo Nurmi aus Finnland gewann, geriet danach in der Debatte über die „unmenschlichen Bedingungen“ fast zur Randnotiz. Nurmi blieb bis heute ungeschlagen: Seit der Hitzeschlacht von Colombes gab es keinen Querfeldeinlauf mehr bei Olympia.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de