Grüne und Letzte Generation: Klima der Entfremdung
© picture alliance/dpa/Paul Zinken Grüne und Letzte Generation: Klima der Entfremdung
Die Aktivisten kämpfen auf der Straße für mehr Klimaschutz, die Grünen in der Regierung. Trotzdem sehen in der Partei viele die Bewegung zunehmend kritisch.
Es ist eine Sommernacht im Regierungsviertel. Unter einem Pavillon sitzt Robert Habeck im Scheinwerferlicht und diskutiert mit Henning Jeschke und Lea Bonasera über wirksamen Klimaschutz. Die beiden Gründer der Letzten Genreration befinden sich seit Tagen im Hungerstreik, Habeck ist spontan gekommen. Er macht sich Sorgen, wechselt zwischen Sie und Du und beschwört die Aktivisten, ihren Protest zu beenden. „Ihr seid zu Ikonen geworden.“ Es sei besser nach der Wahl weiter um das Klima zu kämpfen.
Fast zwei Jahre sind seit der Szene vergangen. Die Grünen sind in die Regierung gewechselt, Habeck ins Wirtschaftsministerium und die Letzte Generation kämpft noch immer für mehr Klimaschutz. Seit Donnerstag versuchen die Aktivisten, mit Blockaden Berlin lahmzulegen. Das Verhältnis zwischen Grünen und Letzter Generation hat sich verändert.
Am Mittwochabend ist der Vizekanzler zu Gast bei RTL und kritisiert die Letzte Generation scharf: „Dieser Protest macht Klimaschutz nicht mehrheitsfähig, sondern verärgert Leute, spaltet die Gesellschaft, und insofern ist es kein hilfreicher Beitrag zum Klimaschutz“, sagt Habeck. „Ich finde die Aktion falsch.“
Es gab Zeiten, da verteidigte die Grünen-Spitze die Aktivisten, wenn sie sich an die Straße klebten, die Spitze des Berliner Weihnachtsbaums kappten oder von Politikern anderer Parteien mit der RAF, den Taliban oder Terroristen verglichen wurden. Letzteres tut die Partei weiter, doch die Aktionen der Letzten Generation werden zunehmend verurteilt.
„Sich vor das Auto der Krankenschwester zu setzen, die von der Nachtschicht nach Hause fährt, um sie für den Kampf gegen die Klimakrise zu gewinnen, das wird nicht funktionieren“, sagt Konstantin von Notz, Vize-Fraktionschef der Grünen. Menschen müssten mit Argumenten und Bildern überzeugt werden. „Nur Demokratien und Parlamente sind in der Lage, effektiv auf den Klimawandel zu reagieren, dafür brauchen wir aber Mehrheiten“, sagt von Notz dem Tagesspiegel. Die gewinne man mit Fakten und Argumenten. „Nicht dadurch, dass man ihren Alltag obstruiert.“
Die Blockaden bringen die Menschen gegen die Bewegung und ihre politischen Ziele auf.
Konstantin von Notz (Grüne) über die Letzte Generation.
Die Aktionen der Letzten Generation würden dem Klimaschutz nicht dienen. „Die Blockaden bringen die Menschen gegen die Bewegung und ihre politischen Ziele auf.“
Es ist eine Sorge, die die Partei umtreibt. Seit Monaten erleben die Grünen, dass konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz extrem polarisieren. Fast 80 Prozent sind gegen das neue Heizungs-Gesetz, ohne das die Wärmewende jedoch nicht gelingen kann. In Berlin endeten die Wahl für das Abgeordnetenhaus und der Klimavolksentscheid enttäuschend für die Grünen. Es wirkt nicht so, als würden die radikalen Aktionen der Letzten Generation das politische Handlungsfeld der Grünen erweitern. Auch deshalb distanziert sich die Parteispitze zunehmend.
Jüngere Grüne haben mehr Sympathien für die Aktivisten
Es gibt jedoch auch andere Stimmen in der Partei. Es sind vor allem die jüngeren, neuen Abgeordneten, die teils selbst aus Bewegungen kommen, wie Kathrin Henneberger oder Julian Pahlke. Sie sehen die Aufgabe der Grünen darin, die Forderungen der Straße in politische Beschlüsse zu transferieren.
Auch Johannes Wagner ist einer dieser jungen Abgeordneten, die früher selbst auf der Straße demonstriert haben. Vor seiner Wahl habe er bei den Fridays for Future und der Bewegung Health for Future protestiert, erzählt Wagner. „Ich kann es nachvollziehen, dass sich Menschen auf die Straße kleben und sie haben das Recht zu demonstrieren“, sagt der Grünen-Politiker.
Als parlamentarischer Beobachter hat er bereits Blockaden begleitet und Respekt vor der Courage der Aktivisten. Dass die Bewegung nun die Hauptstadt lahmlegen will, kritisiert er nicht: „Letztlich wollen sie, dass wir uns an unsere eigenen Gesetze halten. Das ist keine Erpressung“, sagt Wagner. Er sieht die Ampel in der Pflicht. „Teilweise wird der Klimaschutz von der Regierung ausgebremst. Dann ist ziviler Ungehorsam legitim.“
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de