Diskussion um Mauerabriss: Kann ein Zaun die Lage am Görlitzer Park in Berlin verbessern?
© dpa/Paul Zinken Diskussion um Mauerabriss: Kann ein Zaun die Lage am Görlitzer Park in Berlin verbessern?
Für den Senat ist die Steinmauer um den Görli ein Sichtschutz für Dealer. Ersatzweise ist ein Zaun im Gespräch. Anwohner sehen das Vorhaben kritisch – sie fürchten eine Verlagerung der Probleme.
Von
Die Steinmauer um den Görlitzer Park soll abgerissen werden. Als Sichtschutz für Dealer betrachtet der Senat die etwa drei Meter hohe Steinwand. Fü bessere Sicht in den von Drogenkriminalität belasteten Park soll die Mauer verschwinden.
Brennpunktstreifen fänden immer wieder Drogenverstecke in Mauervorsprüngen oder hinter losen Ziegelsteinen, berichtet die Umweltverwaltung aus Gesprächen mit der Berliner Polizei. Erwischte Dealer trügen oft nur kleine Mengen ihrer Bunkerware bei sich.
Aus polizeilicher Sicht sind gut durchschaubare Zäune auch aus einem anderen Grund sinnvoll: Sie reduzierten objektiv die „Tatgelegenheitsstruktur“ in der Beschaffungskriminalität, heißt es weiter. „Licht, Sicht und Menschen“ – diese drei Faktoren sprächen in der Kriminalprävention für Mauerabriss und Zaunbau.
Ein Zaun als Ersatz könnte auch dem zweiten Senatsanliegen zur Durchsetzung verhelfen: eine nächtliche Absperrung. „So schnell wie möglich“ sollten die Pläne umgesetzt werden, sagte Sprecherin Christine Richter.
© Tagesspiegel/Klöpfel
Seit Jahrzehnten ist die Park-Mauer an der Görlitzer Straße eine Kreuzberger Leinwand: Voller bunter Graffiti, Schichten geklebter Plakate. Sträucher wuchern zwischen Ziegelsteinen. Zwei Schuppen und ein altes Bürogebäude dahinter zählen zu den letzten Resten des alten Görlitzer Bahnhofs, der auf dem heutigen Parkgelände stand.
In Richtung Görlitzer Ufer und Wiener Straße an der Südseite ist die Begrenzung schon jetzt mehr Zaun als Mauer. Bei der Parkgestaltung Ende der Achtziger ließ man nur einen Sockel und die Pfeiler stehen. Dazwischen wurde ein Metallzaun eingelassen. Überhaupt sei an der Parkumfassung nichts mehr historisch, sagt der Bezirk. Man habe die marode Wand um das 14 Hektar große Gelände eingerissen und neu aufgemauert. Rund 1,8 Kilometer verläuft die Mauer um den Park, wovon rund ein Kilometer die volle Höhe besitzt.
© dpa/Jörg Carstensen
Unter Denkmalschutz steht die Mauer nicht, anders ein Pendant um das ehemalige Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) in Friedrichshain. Dafür dürfte die umfassende Beseitigung der Bahnanlagen verantwortlich sein: 1962 ließ der Senat den kriegsbeschädigten Bahnhof sprengen und die meisten Gebäude abtragen. Die Ruinen seien zum Ärgernis geworden, hieß es damals. Obdachlose hätten sich darin niedergelassen. Den Hoffnungen auf einen Wiederaufbau hatte der Bau der Berliner Mauer 1961 ein Ende gesetzt.
In den Achtziger Jahren entdeckte die Anwohnerschaft das vermüllte und verlassene Gelände für ihre Bedürfnisse: Hinter der Mauer entstand ein grüner Gegenpol zur stark verdichteten Umgebung. Mit Spiel- und Bolzplätzen, einem Kinderbauernhof.
Parkrat: „Überlegter Rückbau“ statt pauschaler Abriss
Für Christopher Wollin gehört die Ziegelmauer zum Stadtbild und baulichen Ensemble des ehemaligen Bahnhofs. Statt sie komplett abzureißen, schlägt Wollin als Mitglied des Parkrats einen „überlegten Rückbau“ vor. Wo mehr Einsicht geschaffen werden soll, könnte die Mauer gekürzt und wie auf der Südseite ein Zaun zwischen die Pfeiler gesetzt werden, sagt der Interessenvertreter von Parknutzer:innen.
© IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Einen pauschalen Abriss und Zaun-Neubau unterstützt der Parkrat auch deshalb nicht, weil er die vom Senat angestrebte nächtliche Sperrung für falsch hält. Der Park werde bis spät in die Nacht hinein von vielen Menschen als kürzester Weg zur Querung in alle Himmelsrichtungen gebraucht. Zudem sei er nicht der einzige dunkle Ort Berlins, den es zur Gewaltprävention abzuschließen gälte.
„Ein Zaun mit einem abgeschlossenem Park löst keines der Probleme hier“, meint David Kiefer von der Initiative „Wrangelkiez United“. Er hält den geplanten Abriss für populistischen Aktionismus, der von Unkenntnis der hiesigen Situation zeuge. „Ein Zaun wäre kontraproduktiv. Die Drogenprobleme würden noch massiver in die angrenzenden Wohngebiete hineingetragen, in Hausflure oder Treppenhäuser.“ Man könne nicht den ganzen Park zu einer einsehbaren Zone umbauen: „Hinter der Mauer stehen Büsche und Bäume. Es gibt im Park Hügel und Gebäude, die einen Sichtschutz bieten.“
Eine nächtliche Sperrung hält Kiefer für unsinnig. Er hat eine Petition gegen die Schließung bei der Online-Plattform Campact gestartet, die sich an den Senat richtet und bis zum Freitagnachmittag knapp 1.000 Unterschriften gesammelt hatte. Auch in der Berliner SPD regt sich Widerstand: Die Jusos haben sich gegen Videoüberwachung, Schließung und vollständige Umzäunung des Parks ausgesprochen. Am Sonnabend soll die Thematik auf dem Landesparteitag zur Sprache kommen.
Anwohnerin: Situation hat sich stetig verschlimmert
Für Laura H. ist mit der aktuellen Situation ein Punkt überschritten, an dem sie selbst aktiv werden muss. Seit 21 Jahren wohnt die Mutter zweier Kinder in der Falckensteinstraße, direkt an einem begrünten Durchgang zur Cuvrystraße, nicht weit vom Görli. „Kurz vor dem Durchdrehen“ sei ihre Hausgemeinschaft. Mehrfach müsse nachts die Polizei gerufen werden, weil Drogensüchtige und Dealer dort campierten und in Streit gerieten, zum Teil direkt unter ihrem Fenster.
© imago/Emmanuele Contini
In jedem der vergangenen Sommer sei es schlimmer geworden, sagt Laura H. Besonders, seit sich das Geschehen im Park durch verstärkte Polizeipräsenz auf das Umfeld verlagert. „Sie streiten und bewerfen sich mit Flaschen“, benutzen die kleine Grünanlage als Klo.
Wenn die Polizei schließlich räumt, dann oft mit eingeschalteter Sirene, erzählt Laura H. Viele aus der Drogenszene schnappten sich dann ihre Sachen und verschwänden, um eine Stunde später wiederzukommen. In ihrer Verzweiflung wünscht sich die Anwohnerin hin und wieder, ein neuer Wohnblock oder ein Zaun würde den Zugang zu dem kleinen grünen Fleck zwischen den Häusern versperren.
Vom Runden Tisch, den der Bezirk organisiert, erwartet Laura H. keine Hilfe. Dort sah sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, der Gentrifizierung das Wort zu reden. Als tolerant, mit einer grünen Grundhaltung – so fühlt sich die Anwohnerin. Doch sie käme nicht auf die Idee, der vertriebenen Park-Drogenszene Essen im Kiez auszutragen, wie es in ihrer Nachbarschaft bereits angedacht wird. „Es braucht eine Lösung für diese kranken Menschen“, fordert sie. Doch die läge wohl in langfristiger Sozialarbeit. Ein Zaun mit nächtlicher Sperrung des Parks würde die Kiez-Probleme unerträglich machen, fürchtet Laura H.
Mauerabriss- und Zaunbaupläne stehen noch am Anfang. „Wir haben eine Lenkungsgruppe in der Verwaltung von Manja Schreiner eingesetzt, um den Zaun zu bauen“, sagte Christine Richter. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg habe seine Ablehnung bereits deutlich gemacht. Doch laut Richter ist es möglich, dass der Senat das Verfahren an sich zieht und den Zaun baut. Dies sei rechtlich geprüft worden. Über die genaue Ausschreibung müsse noch geredet werden, weshalb auch die Kosten nicht beziffert werden könnten.
„Schauen Sie sich das Tempelhofer Feld an“, sagte Christine Richter. Da habe man Zaun und nächtliche Schließung – aber keine größeren Gewalt- oder Drogenprobleme. „Deswegen werden wir einen Zaun um den Görlitzer Park bauen.“
- Drogen: Alle News & Hintergründe zum Thema
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Gentrifizierung
- Görlitzer Park
- Iris Spranger
- Obdachlosigkeit
- Senat
- Wohnen
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de