Der Erbonkel: Hand aufs Herz – aber links oder rechts?
© imago/UPI Photo/Richard Ellis Der Erbonkel: Hand aufs Herz – aber links oder rechts?
Für viele gehört es beim Singen von Nationalhymnen dazu: Die Hand aufs Herz zu legen. Aber einige dürften dabei, ohne es zu wissen, die falsche Seite der Brust wählen.
Eine Kolumne von
Schätzungsweise 1,8 Millionen Menschen standen im Januar 2009 bei eisiger Kälte vor dem Capitol in Washington, um die Vereidigung des neu gewählten US-Präsidenten, des ersten mit afroamerikanischer Abstammung, mitzuerleben. Es war ein historischer Moment, als Millionen Amerikaner die Hand aufs Herz legten und mit Barack Obama die Nationalhymne anstimmten. Nur der Erbonkel, damals die Zeremonie am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge am Fernseher verfolgend, konnte trotz aller Ergriffenheit nicht anders, als zu denken: Mindestens 300 dieser begeisterten Amerikaner legt gerade die Hand auf die falsche Seite ihrer Brust.
Normalerweise hat das Herz, obwohl mittig angelegt, Schlagseite nach links. Die rechte Hand gehört also auf die linke Brustseite. Aber wie so oft in der Biologie gibt es auch hier Ausnahmen. Bei jedem 6000sten bis 8000sten schlägt das Herz rechts: Statt nach links sind die beiden Hauptkammern nach rechts ausgerichtet. „Situs inversus totalis“ nennen Mediziner das, wenn auch die anderen Organe die Seiten gewechselt, etwa die Leber nach links und Blinddarm und Milz nach rechts rübergemacht haben.
Die – harmlose – Kuriosität nimmt ihren Anfang früh in der Embryonalentwicklung, wenn der Keim kaum größer als einen halben Millimeter ist, aus einigen hundert Zellen besteht und einer Himbeere ähnelt. Aber wie „wissen“ die Zellen einer solchen Kugel, wo links und rechts ist?
Durch das Signalmolekül „Nodal“. Zellen mit einer gewissen Menge dieses Botenstoffs sind „links“, alle anderen „rechts“. Die Verteilung dieses Signals übernehmen Cilien, feine Flimmerhärchen. Das heißt, anfangs produzieren alle Zellen im Himbeerstadium etwas Nodal, aber die Cilien haben Schlagseite und verteilen den Stoff eher auf einer, der linken Seite des Embryos. Schlagen die Cilien aufgrund einer Mutation oder einer Störung in dieser Phase nicht, entscheidet der Zufall, welche Körperseite die linke oder rechte wird. So kann ein „Situs inversus“ entstehen – ein Mensch mit dem Herz auf dem buchstäblich rechten Fleck.
Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.
- Der Erbonkel
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de