CDU-Chef Friedrich Merz und die AfD: Kriegt er das wieder eingefangen?

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CDU-Chef Friedrich Merz und die AfD: Kriegt er das wieder eingefangen?

© dpa/Dominik Asbach/Bearbeitung: Tagesspiegel CDU-Chef Friedrich Merz und die AfD: Kriegt er das wieder eingefangen?

Mit seinen Äußerungen zur Zusammenarbeit mit der AfD in den Kommunen löste Merz eine Welle der Empörung in der eigenen Partei aus. Jetzt versucht er, den Schaden zu begrenzen.

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Schließlich meldet sich selbst CSU-Chef Markus Söder zu Wort. Eigentlich gilt zwischen ihm und CDU-Chef Friedrich Merz derzeit eine Art Harmoniegebot. Die Erkenntnis, dass gegenseitige Angriffe nur schaden, ist noch frisch. Doch am Montagmorgen geht auch Söder auf Distanz zu Merz. „Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab – egal auf welcher politischen Ebene“, twittert er.

Zuvor hatten bereits zahlreiche prominente Christdemokraten offene Kritik an Parteichef Merz geübt – vom Berliner Regierenden Bürgermeister Kai Wegner über den früheren saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans bis hin zur Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas. Sie alle betonten: Mit der AfD dürfe es keine Zusammenarbeit geben, egal wo.

Die Kritiker kamen bei weitem nicht nur aus dem Lager derer, die das Erbe von Alt-Kanzlerin Angela Merkel hochhalten. Es war eine Welle der Entrüstung, mit der Friedrich Merz nicht gerechnet haben dürfte und die wohl ziemlich einzigartig ist. Wann ist es schon einmal vorgekommen, dass ein Parteichef nach einem Interview derart aus den eigenen Reihen öffentlich angezählt wurde?

Merz hatte im ZDF-Sommerinterview am Sonntagabend erklärt, der Ausschluss einer Zusammenarbeit der CDU mit der AfD gelte für Europaparlament, den Bundestag und die Landtage. In der Kommunalpolitik sei die Lage anders. Wenn Bürgermeister von der AfD gewählt würden, müsse man nach Wegen suchen „wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet.“

Die AfD jubelte

Es ist zwar Tatsache, dass es in den Kommunalparlamenten immer wieder zu gemeinsamen Abstimmverhalten der AfD mit anderen Parteien kommt. Doch die Aussage von Merz erweckt in der Öffentlichkeit den Eindruck, er rüttele an der Brandmauer zur AfD. „Wehret den Anfängen“, schreibt etwa der Saarländer Hans.

Während die AfD jubelt, wächst über Nacht die Zahl der Kritiker in der CDU immer weiter an. Am Montagmorgen, kurz nach dem Söder-Tweet, rudert Merz schließlich zurück. „Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben“, schreibt er.

Das hier ist eine schleichende Verwässerung von Parteitagsbeschlüssen nach Wahlerfolgen der extremen Rechten. Wehret den Anfängen!

Der frühere saarländische Ministerpräsident Tobias Hans

Es ist ein bemerkenswerter Vorgang, der drei Fragen aufwirft. Erstens: Was hat Merz zu seiner Aussage im Sommerinterview getrieben? Zweitens: Wohin führt er die CDU? Und drittens: Hat Merz mit dieser Aussage seine Chancen auf die Kanzlerkandidatur verspielt?

Um zu verstehen, wohin Merz mit seiner Aussage wollte, muss man ein wenig zurückgreifen. Das seit 2018 bestehende Kooperationsverbot seiner Partei mit der AfD bringt Merz immer wieder in heikle Situationen. So etwa als ein Teil der CDU-Fraktion im sächsischen Bautzen einem Antrag der AfD zustimmte, abgelehnten Asylbewerbern bestimmte Leistungen zu streichen.   

Unüberlegte Äußerungen

Merz wurde damals gefragt, ob er diejenigen, die zugestimmt hatten, nun aus der Partei schmeißen wolle. Schließlich hatte er selbst 2021 angekündigt: „Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an.“ Doch auf kommunaler Ebene lässt sich das nur schwer durchsetzen, das hat auch Merz erkannt. Und so versuchte er im ZDF-Sommerinterview, nicht zum ersten Mal, die Maßstäbe umzudefinieren.

Dass das derart nach hinten losgehen würde – Merz hat damit offenbar nicht gerechnet. Dabei hatten nicht wenige in der CDU bereits den Kopf über ihn geschüttelt, als er vergangene Woche bei seinem Besuch im bayerischen Andechs davon gesprochen hatte, seine Partei sei „eine Alternative für Deutschland mit Substanz“.

Klar ist: Die Zeiten, in denen Merz versuchte, es allen in seiner Partei recht zu machen, sind vorbei. Er feuerte den früheren Berliner Sozialsenator Mario Czaja als Generalsekretär und setzte mit dem Wirtschaftsexperten Carsten Linnemann einen loyalen Verbündeten ein. Er erklärte die Grünen zum Hauptgegner in der Bundesregierung – auch um die AfD kleinzuhalten.

Und als der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, in einem Gastbeitrag in der „FAZ“ forderte, das Individualrecht auf Asyl abzuschaffen, gab Merz ihm Rückendeckung. Der CDU-Chef ist außerdem für bundesweite Grenzkontrollen. Während sich die einen in der CDU über Merz neue Linie freuen, wittern andere wie der Vizechef des Sozialflügels der CDU, Christian Bäumler, eine schrittweise Öffnung nach rechts.

Einige Merz-Gegner in der Union stellen hinter vorgehaltener Hand auch schon länger infrage, ob Merz als Kanzlerkandidat geeignet ist. Immer wieder hat er mit unüberlegten Äußerungen Schlagzeilen gemacht. Manche hat er zurückgenommen („Sozialtourismus“), an anderen hielt er fest („kleine Paschas“). Seinen Kritikern in der CDU gilt Merz als unbeherrscht und impulsiv.

Mittlerweile sagen das auch manche öffentlich. Der Berliner Abgeordnete Christian Gräff und Czaja-Verbündete, sprach Merz am Montag sogar die Eignung als Kanzlerkandidat ab. „Bei allen Talenten“ habe Merz „leider oft kein Gespür für die richtigen Themen, schon gar nicht den richtigen Zeitpunkt“, erklärte er. Wenn sich künftig noch andere so äußern, könnte es für Merz gefährlich werden.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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