„Bitte entkleiden Sie sich nicht“: Techno-Fans feierten in Berlin „Rave the Planet“
© IMAGO/Bernd Elmenthaler/IMAGO/Bernd Elmenthaler Update „Bitte entkleiden Sie sich nicht“: Techno-Fans feierten in Berlin „Rave the Planet“
200.000 Menschen feierten bei der Techno-Parade „Rave the Planet“. Die Polizei war mit ihrem Einsatz zufrieden, die DLRG fischte Menschen aus der Spree.
Von
- Colin Ivory Meyer
- Claudia Liebram
| Update:
Die Techno-Parade „Rave the Planet“ zogüber die Straße des 17. Juni. Die Veranstalter hatten 300.000 Menschen erwartet. Neben Dr. Motte legten laut Veranstalter weitere 200 DJs auf. Zudem gab es 25 Paradewagen – Floats genannt. Außerdem wurden Reden gehalten. Den Veranstaltern zufolge war die Parade als „friedensstiftende Maßnahme“ gedacht.
Von der Polizei gab es zunächst keine Angaben dazu, wie viele Menschen sich zum Start bei strahlendem Sonnenschein und hohen Temperaturen am Brandenburger Tor versammelt hatten. Der Bahnhof und der U-Bahnhof Bundestag wurden sicherheitshalber geschlossen, Züge hielten nicht.
Gegen 17 Uhr hatte die Polizei dann aus einem Hubschrauber heraus 130.000 Teilnehmer gezählt. Zwischen den Trucks seien noch immer auch Lücken zu sehen, sagte ein Sprecher. Die Veranstalter sprachen von etwa 150.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Gegen Abend zog der Rave weitere Besucher an. Die Polizei sprach um 19.45 Uhr von 200.000 Teilnehmern.
© REUTERS/Fabrizio Bensch
Bei Temperaturen über 30 Grad ist es einigen Ravern offensichtlich zu heiß geworden. Die Polizei forderte Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf, ihre Kleidung anzulassen. Bei Twitter hieß es: „Eine Bitte, von der wir auch nicht dachten, dass wir sie mal absetzen müssen: Bitte entkleiden Sie sich nicht.“ Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten sich beschwert. Mit ähnlichen Worten wandten sich auch die Veranstalter an die Feiernden. Manche Frauen hatten obenrum nur einen BH an oder trugen hüftabwärts nicht mehr als einen Tanga.
Die Wasserrettung DLRG berichtete bei Twitter, am Bundestag seien bei laufendem Schiffsverkehr mehrere Personen in die Spree gesprungen. Helfer seien vor Ort und würden die Menschen aus dem Wasser geleiten. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft ist nach eigenen Angaben bis in die Nacht im Bereich der Innenstadt im Einsatz.
© dpa/Fabian Sommer
Bis zum frühen Abend mussten etwa 60 Personen ärztlich versorgt werden, zwölf seien in eine Klinik gekommen, sagte ein Feuerwehrsprecher. Am späteren Abend berichtete die Polizei auf Twitter, dass mehrere Menschen auf Laternen geklettert seien. Eine Raverin stürzte dabei ab und musste vom Sanitätsdienst versorgt werden.
Der Sprecher des privaten Sanitätsdienstes zeigte sich am Abend insgesamt zufrieden. Die Situation sei bislang deutlich ruhiger als erwartet.
Ein eher harmloser Zwischenfall ereignete sich an einer Kreuzung: Ein Truck touchierte eine Ampel. Höhenkletterer der Polizei renkten sie gleich wieder ein.
Die Polizei bot am Bundestag einen Alkohol-Test – „für alle, die wissen wollten, ob sie nach dem #ravetheplanet noch mit Auto und Roller oder besser mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause kommen“, twitterte die Behörde. Den Service hatte demnach gleich die ganze Runde eines Junggesellenabschieds genutzt.
Nach dem Abschluss der Veranstaltung twitterte die Polizei: „Unser Einsatzleiter ist mit dem Einsatzverlauf zufrieden.“
© dpa/Fabian Sommer
Eine Viertelstunde vor dem offiziellen Start hatte sich der Platz vor der Straße des 17. Juni langsam gefüllt. Das Hin und Her rund ums Stattfinden scheint die Menschen nicht vom Feiern abzuhalten. Die Stimmung ist ausgelassen. Der Rave ist gut gefüllt, aber nicht überfüllt.
Kurz vor dem geplanten Start hatte die Berliner Polizei grünes Licht für die Veranstaltung gegeben. „Die Innenstadt gehört heute den Raverinnen und Ravern“, teilte die Behörde am Sonnabend bei Twitter mit. Die musikalische Demo könne wie geplant um 14 Uhr am Brandenburger Tor starten, sagte eine Polizeisprecherin. Zuvor hatten Feuerwehr und Polizei geprüft, ob der Veranstalter alle geforderten Sicherheitsauflagen erfüllt.
© REUTERS/Fabrizio Bensch
Der Spanier Christian organisiert queere Parties im KitKat Club. Heute ist mit seinen Kollegen mit einem Wagen dabei. Er sei nervös und aufgeregt in den Tag gestartet, sagt er.
© Tsp/Colin Ivory Meyer
Mauren führt Torsten heute an einer metallenen Kette aus. Die beiden haben die Berliner Ravekultur verinnerlicht. „Wir haben richtig Bock auf gutes Wetter, coole Leute und geile Musik“, sagt Mauren.
© Tsp/Colin Ivory Meyer
Lola ist DJ und Organisatorin aus Warschau. Als vor zweieinhalb Jahren bekannt wurde, dass die Loveparade wieder aufgelegt wird, war für sie klar: „Es ist mein größter Traum einen eigenen Wagen zu stellen“. Sie ist für die Eventagentur Instytue tätig, die sie als „Pioniere des Techno in Polens“ bezeichnet. Es sei eine Ehre, heute dabei zu sein. Sie wird um 19 Uhr auf dem neongrünen Wagen auflegen.
© Tsp/Colin Ivory Meyer
Vom ersten Wagen ertönten politische Forderungen zum Beispiel nach einem bedingungslosen Grundeinkommen für Künstler. Wie die legendären Berliner Techno-Paraden in den 1990er Jahren war der Rave als Demonstration angemeldet. Neben der Botschaft, elektronische Musik als immaterielles Kulturerbe anzuerkennen und Technokultur von Förderungen profitieren zu lassen, ist auch Abrüstung eine Kernbotschaft der Veranstalter. „Uns geht’s um Clubkultur, um Technokultur, und Technokultur ist friedlich“, sagte Sprecherin Ellen Dosch-Roeingh.
© dpa/Fabian Sommer
Für Berlins Kultursenator Joe Chialo kommt mit der Techno-Parade „Rave The Planet“ ein Stück Berlin nach Hause. „Ich feiere die Musik“, sagte der CDU-Politiker zum Auftakt des Raves. Wenig später stand er im blauen Blumenhemd tanzend auf dem Paradewagen der Veranstalter – und knüpfte damit an frühere Erlebnisse an.
„Ich bin jemand, der schon in den 90er Jahren bei den Love Parades hier in Berlin mit dabei war“, sagt Chialo. „Ich kann also aus eigenem Erleben sagen, wie geil das ist und warum das auch so richtig toll ist.“ Mit „Rave The Planet“ werde eine Tradition fortgesetzt, die die Hauptstadt geprägt habe. Die Love Parade sei ein „urberlinerisches Ereignis“, betonte der Senator bei seiner Rede. Zugleich sagte er: „Berlin ist eine Stadt der Vielfalt, nicht der Einfalt. Wir haben hier keinen Platz für Antisemitismus, Rassismus und Homophobie.“
© REUTERS/Fabrizio Bensch
In den vergangenen Tagen herrschte viel Verwirrung um fehlende Verträge mit Sanitätsdiensten. Das Problem sei auch dank eingegangener Spenden gelöst und ein privater Sanitätsdienst engagiert worden, hieß es schließlich am Freitag von den Veranstaltern. Dr. Motte und Co. hatten am Freitagmorgen bekannt gegeben, dass ein kommerzieller Sanitätsdienst auf der Techno-Parade die Einsatzleitung übernehme. Die Verträge seien bereits unterschrieben. Den Namen des Hilfsdienstes gaben die Organisatoren nicht an. Das werde zwar „schweineteuer“, aber somit könne die Veranstaltung wie geplant starten.
Am Sonnabend waren Fahrzeuge der Firma „Blauer Stern von Berlin“ zu sehen.
© Tsp/Colin Ivory Meyer
Auch mit Blick auf die Katastrophe bei der völlig überfüllten Loveparade anderer Organisatoren 2010 in Duisburg hatten die fehlenden Verträge mit Sanitätsdiensten eine besondere Brisanz. In Duisburg waren 21 Menschen gestorben, mehr als 500 wurden verletzt.
Am Sonnabend waren in Berlin aus Sicht von Polizei und Feuerwehr aber alle Auflagen erfüllt. „Das hat auf uns einen vernünftigen Eindruck gemacht“, sagte ein Feuerwehrsprecher. Etwa 270 Menschen seien als medizinisches Personal vor Ort, die Veranstalter sprachen von 240 Helfern.
Die Feuerwehr begleitet die Parade mit eigenen Kräften und koordiniere Notrufe, so der Sprecher. „Bei dem Wetter rechnen wir ohnehin mit einer erhöhten Anzahl von Einsätzen“, erklärte der Feuerwehrsprecher. Bis zum Nachmittag gab es nach seinen Angaben allerdings kein erhöhtes Aufkommen.
Timm Zeiss, Geschäftsführer von „Rave The Planet“, schätzt den finanziellen Aufwand für die Veranstaltung auf rund 170.000 Euro. 40.000 Euro seien durch die Spendenaktion gesammelt worden, 50.000 Euro kämen aus Eigenkapital. „Die entstanden Lücke wird sich irgendwie füllen lassen“, sagt Zeiss.
© REUTERS/Fabrizio Bensch
Dr. Motte, mit bürgerlichem Namen Matthias Roeingh, hatte die Raver am Großen Stern begrüßt. „Unser Motto: Music is the answer. Schön, euch zu sehen!“ Während der Veranstaltung klagte er über Kreislaufbeschwerden. Ihm falle es jetzt schwer, sich wirklich über die Veranstaltung zu freuen, sagte er.
© IMAGO/Bernd Elmenthaler/IMAGO/Bernd Elmenthaler
Die Techno-Party bewegte sich auf den Spuren der legendären Love Parade von Dr. Motte im Tiergarten auf der Straße des 17. Juni zwischen dem Brandenburger Tor und dem Großen Stern. Rund 1000 Polizistinnen und Polizisten seien im Einsatz, teilte die Behörde mit.
© dpa/Christoph Soeder
Neben der Polizei bereitete sich auch die Berliner Stadtreinigung (BSR) auf einen Einsatz vor. Die BSR wollte mit 140 Beschäftigten und 55 Fahrzeugen im Einsatz sein, teilte sie bei Twitter mit. Bei der Parade im vergangenen Jahr seien etwa 135 Kubikmeter Abfall eingesammelt worden. (mit dpa)
Zur Startseite
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de