„Bankrotterklärung für Berlin“: Sozialverbände schlagen wegen drohender Haushaltskürzungen Alarm

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„Bankrotterklärung für Berlin“: Sozialverbände schlagen wegen drohender Haushaltskürzungen Alarm

© Jens Büttner/dpa (Symbolbild) „Bankrotterklärung für Berlin“: Sozialverbände schlagen wegen drohender Haushaltskürzungen Alarm

Mehrere Bezirke wollen wegen drohender Haushaltskürzungen Sozialleistungen streichen. Sozialverbände warnen, dass viele grundlegende Angebote wegfallen könnten.

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Berlins Wohlfahrtsverbände schlagen wegen der befürchteten Kürzungen sozialer Angebote in der Stadt in einem offenen Brief an Senat und Abgeordnetenhaus Alarm. „Das erste Opfer des Sparkurses ist die soziale Infrastruktur“, warnen sie mit Blick auf die aktuellen Haushaltsverhandlungen und die erwarteten finanziellen Einschnitte.

Das Vorgehen bedeute auf Dauer „die soziale, wirtschaftliche und politische Bankrotterklärung für Berlin“, schreibt die Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Berlin. Dazu gehören die Awo, die Caritas, die Diakonie, der Paritätische, das DRK und die Jüdische Gemeinde zu Berlin.

In dem Papier, das am Donnerstagvormittag veröffentlicht wurde, nehmen die Verbände auch Bezug auf einen Brandbrief der Bezirksbürgermeister. Darin hatten diese in der vergangenen Woche vor dramatischen Einschnitten im Sozialbereich und beim Personal gewarnt. Der Brief spreche eine deutliche Sprache. „Wir können nicht zulassen, dass durch Sparvorgaben elementare sozialpolitische Notwendigkeiten ignoriert werden“, appellieren die Verbände.

Sie führen aus, welche mögliche Folgen das haben könne: Wenn bei den „freiwilligen sozialen Leistungen“ wie befürchtet zuerst gespart werde, könnten die auf Hilfen angewiesenen Bürger nicht mehr darauf vertrauen, „dass ihre Schuldnerberatung im kommenden Jahr noch ansprechbar ist, dass die Jugendhilfe im Notfall unterstützt, dass die Wohnungslosenunterkunft noch Obdach und Vermittlung in ein geregeltes Leben bietet“.

Ein erheblicher Einschnitt in das Berliner Sozialsystem.

Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege Berlin

Die Verbände verweisen auch darauf, dass die Vergütung für ihre Mitarbeiter 2024 im Schnitt zehn Prozent steigen dürfte – ohne Refinanzierung des Landes. Dies werde dazu führen, dass sie auch zehn Prozent weniger leisten könnten. „Ein erheblicher Einschnitt in das Berliner Sozialsystem“, konstatieren sie.

Die Liga der Wohlfahrtsverbände bekräftigt ihre Forderung nach gleicher Bezahlung für die Mitarbeiter der Freien Träger wie staatliche Beschäftige im sozialen Bereich. Sie fordern eine Gleichbehandlung und „ein zusätzliches, unbürokratisches Budget für Zuwendungen“ im neuen Haushalt.

Neukölln stellt Wachschutz an Schulen und Tagesreinigung ein

Zuvor hatte zunächst der Bezirk Neukölln erklärt, wegen der bislang vorgesehenen Einsparungen im Landeshaushalt etliche soziale Angebote reduzieren oder ganz streichen zu müssen. Das Bezirksamt Neukölln hatte dazu am Dienstag einen Eckwertebeschluss für den Haushalt gefasst. Demnach fehlen dem Bezirk durch die aktuell geplante Zuweisung des Senats für die Haushaltsjahre 2024/25 „pro Jahr 22,8 Millionen Euro, um den Status Quo zu erhalten“.

Um die notwendigen Gelder einzusparen, hat das Bezirksamt unter anderem beschlossen, in den Jahren 2024/2025 den Wachschutz an zwölf Neuköllner Schulen und die Tagesreinigung aller Schulen einzustellen. Zudem soll die Obdachlosenhilfe reduziert und die Suchthilfe ganz eingestellt werden.

Auch alle Wasserspielplätze im Bezirk sollen in den kommenden beiden Jahren geschlossen bleiben und defekte Spielgeräte auf Spielplätzen nicht mehr erneuert werden. Drei Jugendfreizeit- beziehungsweise Familieneinrichtungen müssten demnach nach der aktuellen Planung geschlossen werden, auch Jugendreisen für bedürftige Kinder und Jugendliche können nicht mehr finanziert werden. Außerdem soll in den Parks und Grünanlagen die Müllentsorgung halbiert werden.

Von den Kürzungen seien daher vor allem jene Menschen betroffen, die ohnehin zu den Schwächsten der Gesellschaft zählten und auf staatliche Leistungen angewiesen seien, erklärte der Bezirk.

Auch andere Bezirke erklärten, vergleichbar auf die Haushaltskürzungen reagieren zu müssen. „Ähnlich dem Bezirk Neukölln“ seien „alle sozialen Angebote“ betroffen: Stadtteilkoordination, Suchthilfe, Straßensozialarbeit, Angebote für Obdachlose, Jugendangebote, Reinigung der Parks, Spielplätze und mehr.

Auch Treptow-Köpenick fehlen 20 Millionen Euro

Auch aus Charlottenburg-Wilmersdorf heißt es, dass die Situation mit der in Neukölln vergleichbar sei. „Ohne massive Kürzungen im Bereich der freiwilligen sozialen Leistungen und beim Personal“ könne „ein ausgeglichener Haushalt nicht realisiert werden“.

Dem Bezirk Treptow-Köpenick fehlten laut Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) ebenfalls 20 Millionen Euro. Er sieht „finanziell stürmische Zeiten auf die Bezirke zukommen“.
Ein „richtig, richtig großes Problem für ganz Berlin“ sieht Tempelhof-Schönebergs Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann (Grüne). „Auch wir in Tempelhof-Schöneberg werden gehalten sein, beim Personal und bei den freiwilligen sozialen Ausgaben zu kürzen.“ Außerdem „werden alle Bezirke darüber nachdenken müssen, Einrichtungen zu schließen“, sagte er dem Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint.

In ihrem Brandbrief an Finanzsenator Stefan Evers und den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (beide CDU) hatten die Bezirke in der vergangenen Woche vor den Folgen der Sparpolitik gewarnt. Derzeit arbeitet die schwarz-rote Koalition an der Aufstellung des neuen Doppelhaushalts für die Jahre 2024/25.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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