© Imago/Future Image/Christoph Hardt „Zu oft von den Ereignissen überrascht“: BND leitet nach Wagner-Aufstand interne Untersuchung ein – Ampel kritisiert Dienst scharf
Schon vor den Vorfällen in Russland stand der BND wegen Informationsdefiziten in der Kritik. Jetzt soll es offenbar eine Überprüfung geben.
Bereits unmittelbar nach dem Aufstand der Wagner-Söldnergruppe in Russland am vergangenen Wochenende war Kritik am Bundesnachrichtendienst (BND) aufgekommen. Nun zieht der Dienst offenbar erste Konsequenzen. Wie der „Spiegel“ berichtet, hat der BND eine Überprüfung seiner Informationslage vor dem Aufstand gegen das Regime von Präsident Wladimir Putin in Moskau eingeleitet.
Damit solle aufgearbeitet werden, ob der Dienst die Pläne der Söldner hätte früher erkennen müssen – und ob Hinweise ausländischer Nachrichtendienste richtig bewertet wurden. Schon kurz nach den Vorfällen in Russland um die Gruppe von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin am Wochenende war in Berlin Kritik aufgekommen, der BND habe womöglich Teile der Bundesregierung verspätet über die Vorgänge informiert.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Mittwoch in der ARD-Sendung „Maischberger“ bestätigt, dass der BND von dem Aufstand in Russland überrascht wurde. Die Dienste in Deutschland „haben das natürlich nicht vorher gewusst“, sagte Scholz. „Aber sie haben uns dann auch immer weiter berichtet, was zu beobachten ist.“
Die Informationslage des BND zum Innenleben Russlands war offensichtlich dünn.
Ulrich Lechte, außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion
Inzwischen wird auch innerhalb der Ampel-Parteien kritisiert, dass der BND nicht im Vorhinein über die mutmaßlichen Pläne der Miliz zur Einnahme von Rostow am Don und dem später gestarteten Marsch auf Moskau informiert war. „Wir sind jetzt langsam zu oft von den Ereignissen überrascht worden“, sagt Ralf Stegner (SPD), der Vorsitzende des Afghanistan-Untersuchungsausschusses im Bundestag, dem „Spiegel“.
„Die Informationslage des BND zum Innenleben Russlands war offensichtlich dünn“, sagt Ulrich Lechte, der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag. „Nicht anders ist es zu erklären, dass über den bevorstehenden Aufstand Prigoschins und der Wagner-Gruppe keinerlei Informationen an uns Parlamentarier herangetragen worden sind.“
„Definitiv ist die Lage frustrierend“, sagte die Grünen-Abgeordnete Sara Nanni. Es sei aber zu leicht, den Dienst dafür zu kritisieren. All dies sei auch eine Ressourcenfrage.
In US-Medien heißt es seit dem Wochenende vielfach, US-amerikanische Geheimdienste hätten entsprechende Hinweise gehabt. Dem BND sollen weder aus eigenen Recherchen noch aus Hinweisen von Partnerdiensten entsprechende Informationen vorgelegen haben. Auch dies soll die interne Überprüfung nun klären. „Der Umstand, dass offenbar kein Austausch zwischen den Geheimdiensten stattgefunden hat, gibt mir persönlich zu denken“, sagte Lechte.
Zuvor hatte sich schon der Vorsitzende des Geheimdienst-Kontrollgremiums des Bundestags (PKGr), Konstantin von Notz (Grüne), kritisch geäußert. „Der BND ist ohne Zweifel gerade in diesen Zeiten ein relevanter Pfeiler unserer wehrhaften Demokratie“, sagte er dem „Handelsblatt“. Umso wichtiger seien dort „funktionierende und effektive Strukturen“.
Geheimdienst-Kontrollgremium will sich mit BND befassen
Das Kontrollgremium werde sich nun „mit den aktuellen Fragen der Informationslagen und Kooperationen mit Partnerdiensten intensiv befassen“, kündigte er an.
Zu dem Punkt, dass andere westliche Geheimdienste offenbar besser informiert waren, sagte der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner: „Es ist im Interesse unserer Sicherheit zwingend erforderlich, dass solche Überraschungen künftig möglichst vermieden werden“.
Die deutschen Dienste würden von Entwicklungen „zu häufig überrascht“. Den Ursachen hierfür müsse „politisch konsequent nachgegangen werden“. Dies gelte auch, wenn es einen „mangelnden Informationsaustauschs mit den Nachrichtendiensten unserer Verbündeten“ gebe.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki machte die vorherige Bundesregierung für Versäumnisse beim BND verantwortlich. „Es ist wieder offenbar geworden, dass Deutschland nach 16 Jahren Merkel Defizite bei seiner Sicherheitsarchitektur hat“, sagte Kubicki dem „Handelsblatt“. Bei der Bundeswehr seien in kurzer Zeit durch die Ampel schon viele Verbesserungen erreicht worden. „Ich gehe davon aus, dass das Bundeskanzleramt auch im Bereich der Nachrichtendienste Maßnahmen ergreifen wird“, sagte Kubicki.
Schon vor dem Wagner-Aufstand war der BND wegen Informationsdefiziten und undichten Stellen kritisiert worden. Ende vergangenen Jahres war ein russischer Spion bei dem deutschen Geheimdienst erst auf einen Hinweis von Partnerdiensten hin enttarnt worden.
Der Bundesnachrichtendienst in Berlin ist neben dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) einer der drei deutschen Nachrichtendienste des Bundes und als einziger deutscher Nachrichtendienst zuständig für die zivile und militärische Auslandsaufklärung. (lem)
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de