Verbot von Palästinenser-Demos: Die Versammlungsfreiheit gilt für alle

© imago Verbot von Palästinenser-Demos: Die Versammlungsfreiheit gilt für alle

Die Berliner Behörden haben mehrere Palästinenser-Demonstrationen untersagt, weil sie mit antisemitischen Parolen rechnen. Sawsan Chebli hält das Verbot für einen Fehler.

Eine Kolumne von Sawsan Chebli

Als Kind palästinensischer Flüchtlinge bin ich mit Leib und Seele pro-palästinensisch – und setze mich aus tiefer Überzeugung gegen Antisemitismus und für die Sicherheit von Juden in Israel und auf der Welt ein. Man kann aus meiner Sicht nicht glaubhaft pro-palästinensisch und zugleich antisemitisch sein. Wer aufrichtig für das Selbstbestimmungsrecht und die Freiheit eines Volkes, der Palästinenser, eintreten will, kann Gleiches einem anderen Volk, dem jüdischen, nicht verwehren oder gar dessen „Auslöschung“ propagieren.

Umso mehr beschämen mich die antisemitischen Parolen auf Berlins Straßen. Demonstrationsverbote für Palästinenser, die inzwischen fast zur Regel geworden sind, halte ich aber für falsch und gefährlich. Das Demonstrationsrecht ist ein Grundrecht und in Artikel 8 des Grundgesetzes festgeschrieben, das muss auch für Palästinenser gelten.

Ich wünsche mir, dass meine Heimatstadt Berlin denen, die sich für ihre Rechte und gegen Judenhass und Gewalt einsetzen, echte Wahrnehmungs- und Gesprächsräume bietet. Viele Akteure, die sich pro-israelisch nennen, haben das Demonstrationsverbot begrüßt. Andere, denen nicht weniger am Wohl der Juden in Israel und Deutschland gelegen ist, haben es kritisiert. Für mich zeigt dies, wie dringend wir die Kategorien pro-israelisch und pro-palästinensisch hinterfragen müssen.

Gleiches gilt auch für die Nahostpolitik. Das Verhältnis Deutschlands zum Staat Israel, das aufgrund der nationalsozialistischen Geschichte ein besonderes ist und bleiben wird, darf nicht zu einer Entrechtung der Palästinenser und einem Schweigen zu Menschenrechtsrechtsverletzungen führen. Wir lassen damit nicht nur die Palästinenser im Stich, sondern fallen auch jenen Israelis in den Rücken, die gerade um ihre Demokratie bangen und verstehen, dass Besatzung nicht zum Frieden führt und beiden schadet, dem palästinensischen wie auch dem jüdischen Volk.

Vor einigen Tagen wurde eine 19-jährige Berliner Jura-Studentin am Flughafen Tel Aviv von Sicherheitsleuten gedemütigt, drangsaliert und als Schlampe bezeichnet. Der deutsche Botschafter hat deutlich reagiert. Gut so. Sie hat in ihrer Erklärung zum Vorfall etwas gesagt, das sich alle zu Herzen nehmen sollten, die sich mit dem deutsch-israelisch-palästinensischen Verhältnis befassen: „Ein Menschenrecht wiegt nicht mehr als ein anderes aufgrund von geopolitischen Faktoren.“

Die gesellschaftspolitische Kolumne von Sawsan Chebli erscheint einmal im Monat.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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