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Treffen der Rechtsextremen in Potsdam: Faeser fühlt sich an Wannseekonferenz der Nazis erinnert
Die Innenministerin zeigt sich erschüttert über die Deportationspläne der Rechtsextremen. Ein AfD-Verbotsverfahren sieht sie ebenso skeptisch wie juristische Schritte gegen Höcke.
Das Treffen von Rechtsradikalen in Potsdam in der letzten Novemberwoche 2023, bei dem über die Vertreibung von Menschen ausländischer Abstammung diskutiert worden war, hat in Deutschland großes Entsetzen und Empörung ausgelöst sowie die Debatte über den Umgang mit der AfD und ihren Spitzenpolitikern verstärkt.
Bei Bundesinnenministerin Nancy Faeser rufen die Berichte über das Geheimtreffen düstere Bilder hervor. „Das weckt unwillkürlich Erinnerungen an die furchtbare Wannseekonferenz“, sagte die SPD-Politikerin der Funke Mediengruppe. Sie wolle beides allerdings nicht miteinander gleichsetzen.
Bei der Wannseekonferenz schmiedeten die von Adolf Hitler geführten Nazis am 20. Januar 1942 Pläne zur Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas. Beteiligt waren Spitzen von SS, NSDAP und mehrerer Reichsministerien.
Die AfD verachtet unser modernes Deutschland.
Nancy Faeser, Bundesinnenministerin (SPD)
Faeser sagte zu dem Treffen weiter: „Was hinter harmlos klingenden Begriffen wie ‚Remigration‘ versteckt wird, ist die Vorstellung, Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen Haltung massenhaft zu vertreiben und zu deportieren“.
Damit bezog Faeser sich auf Berichte des Medienhauses Correctiv über ein Treffen Rechtsradikaler am 25. November in Potsdam, an dem mehrere AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion teilgenommen hatten.
Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte dort nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen. Wenn Rechtsextremisten diesen Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.
Ein AfD-Verbotsverfahren sieht Faeser skeptisch. „Unsere Verfassung sieht dieses schärfste Instrument der wehrhaften Demokratie zurecht als Ultima Ratio vor.“ Es gebe sehr hohe Hürden.
Bei entsprechender Sachlage könne dies niemand ausschließen. In der politischen Auseinandersetzung sei dies jedoch kein Mittel. „Wenn sich Menschen einer solchen Partei zuwenden, müssen wir dafür werben, dass diese Menschen zu den demokratischen Parteien zurückkommen.“
Faeser sieht auch wenig Chancen, dem AfD-Politiker Björn Höcke einzelne Grundrechte zu entziehen. „Das Bundesverfassungsgericht hat in der Geschichte der Bundesrepublik noch in keinem Fall entschieden, dass eine Person ihre Grundrechte verwirkt hat“, sagte Faeser den Zeitungen.
Bei Höcke und seinem als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Thüringer AfD-Landesverband müsse es „zuerst um die politische Auseinandersetzung gehen“, betonte die SPD-Politikerin.
Eine gegen den AfD-Politiker Höcke gerichtete Online-Petition hatte am Dienstag nach zwei Monaten die Zahl von einer Million Unterschriften überschritten. Die Petition fordert, dass die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 des Grundgesetzes stellt.
Wie am Freitag bekannt geworden war, hat Höcke sich aktuell wieder eindeutig geäußert. Bei einer Bürgersprechstunde mit 200 Besuchern der Thüringer AfD Landtagsfraktion im Volkshaus in Gera-Zwötzen zum Thema Asyl am Donnerstagabend verglich er die Demonstrationen gegen die Partei mit dem Fackelmarsch von Nationalsozialisten am Tag der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933.
Faeser warnte vor einer Regierungsübernahme der AfD. Die Rechten liegen vor den Landtagswahlen im September in Thüringen, Brandenburg und Sachsen dort derzeit in Umfragen vorn, zum Teil deutlich. Auch in bundesweiten Erhebungen kommt sie seit längerem stabil auf mehr als 20 Prozent.
„Die AfD verachtet unser modernes Deutschland“, sagte Faeser. „Sie will die Rolle der Frau zurückdrehen, freie Medien und die unabhängige Justiz angreifen – und offenkundig viele Menschen, die eine Einwanderungsgeschichte haben, nicht in unserem Land haben.“
Deutschland sei heute ein anderes Land als in den 1930er Jahren, sagte Faeser mit Blick auf Vergleiche mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten. „Trotzdem müssen wir aufpassen und die Gefährdung unserer Demokratie erkennen.“ (lem)
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de