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„Reinen Tisch machen“: Lindner kündigt Aussetzung der Schuldenbremse für 2023 an
Nach dem Karlsruher Urteil reagiert die Koalition. Der Finanzminister will dem Kabinett kommende Woche einen Nachtragsetat vorlegen.
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Die Ampelkoalition wird in der kommenden Woche die Wirkung der Schuldenbremse für 2023 aussetzen und dies abermals – wie schon von 2020 bis 2022 – mit einer Notlage begründen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) kündigte am Donnerstag an, dass er dafür dem Kabinett am kommenden Mittwoch einen Nachtragshaushalt für 2023 vorlegen werde.
Die Notlage muss dann der Bundestag erklären. Nach Informationen des Tagesspiegels könnte es wegen der Haushaltskrise am Dienstag auch eine Regierungserklärung im Parlament geben. Bislang hatten die FDP und der Finanzminister ein Aussetzen der Schuldenbremse ausgeschlossen.
Mit der Verbindung von Notlagenerklärung und Nachtragsetat reagiert die Koalition auf das Karlsruher Schuldenbremsen-Urteil.
In dessen Folge erhöhen die im Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) genutzten Kredite, über die vor allem Energiehilfen gezahlt werden, die unter der Schuldenbremse erlaubte Nettokreditaufnahme deutlich. Sie liegt bei etwa 45 Milliarden Euro. Mit den WSF-Krediten in Höhe von etwa 40 Milliarden kommen dann 85 Milliarden Euro zusammen. Der Etat 2023 wäre damit verfassungswidrig, was durch den Nebenhaushalt und die nötige Notlagenerklärung nun vermieden wird.
Lindner: „Verfassungsrechtlich gesicherte Grundlage“
„Wir werden die Ausgaben, insbesondere für die Strom- und Gaspreisbremse, jetzt auf eine verfassungsrechtlich gesicherte Grundlage stellen“, sagte Finanzminister Lindner. Seine Aufgabe sei es, „reinen Tisch zu machen“, bevor über den Haushalt 2024 gesprochen werde, sagte Lindner.
Gegenüber dem Handelsblatt schwor Lindner (FDP) auf einen strikten Sparkurs ein: „Wir reden von einem erheblichen zusätzlichen Konsolidierungsbedarf.“
Weiter sagte der FDP-Chef: „Wir reden über zweistellige Milliardenbeträge, um beispielsweise die ambitionierten Pläne zur Erneuerung der Infrastruktur und für Investitionen in Technologie umzusetzen.“ Dabei müsse man die Haushalte 2024 und 2025 zusammen betrachten. „Denn strukturelle Änderungen sind aus meiner Sicht unausweichlich.“
Wir werden auch über Verbesserungen im Sozialstaat nachdenken.
Christian Lindner
Lindner sieht Sparpotenzial im Sozialetat. „Wir werden auch über Verbesserungen im Sozialstaat nachdenken“, ergänzte der FDP-Politiker. Steuererhöhungen lehnte Lindner dagegen kategorisch ab. „In einer Phase geringer wirtschaftlicher Dynamik muss es darum gehen, Bürger und Unternehmen zu entlasten. Dafür steht diese Bundesregierung“.
Auch eine von SPD und Grünen ins Spiel gebrachte Reform der Schuldenbremse erteilte Lindner eine klare Absage: „Die Schuldenbremse ist geltendes Verfassungsrecht. Sie ist gerade gestärkt worden.“ Die Schuldenregel schütze den Steuerzahler vor Überlastung durch Zins und Tilgung in der Zukunft. „Im Übrigen würde die notwendige Zweidrittelmehrheit im Bundestag fehlen“, so Lindner.
Kai Wegner für Reform der Schuldenbremse
Für einen Subventionsabbau zeigte sich Lindner grundsätzlich offen, betonte aber auch Schwierigkeiten. „Subventionsabbau klingt abstrakt gut, aber wenn es konkret wird, dann kommen die Klagen“, sagte der Finanzminister. Trotzdem werde man sich vieles ansehen.
Der Berliner Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sprach sich am Donnerstag abermals für eine Neugestaltung der Schuldenbremse aus. „Es ist zu befürchten, dass die Schuldenbremse mehr und mehr zur Zukunftsbremse wird“, sagte er dem „Stern“. „Ohne Investitionen bröckeln nicht nur unsere Straßen, Schienen und Schulen, ohne Investitionen bröckelt die Zukunft unseres Landes.“
Der Vorstoß stieß innerhalb der Union auf Widerspruch. „Die Schuldenbremse bietet genug Flexibilität, um auf schwierige Situationen zu reagieren“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber dem Tagesspiegel. „Eine Reform ist nicht notwendig.“ Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Andreas Jung erklärte: „Die Schuldenbremse ist in die Verfassung gegossene Nachhaltigkeit – deshalb bin ich gegen eine Aufweichung.“
Das Bundesverfassungsgericht hatte vergangene Woche die massive Aufstockung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) mit nicht genutzten Krediten aus der Corona-Pandemie für unzulässig erklärt. Dadurch fehlen der Ampel-Koalition in den kommenden Jahren nun 60 Milliarden Euro für Vorhaben der Energiewende. Lindner verhängte danach eine Ausgabensperre über weite Teile des Haushalts 2023 und auch für den ähnlich konstruierten WSF, über den insbesondere die Energiepreisbremsen finanziert werden.
Das Verfassungsgericht habe klargestellt, wie mit Sondervermögen und mit Notlagenkrediten umzugehen sei, sagte Lindner am Donnerstag. Ziel des Nachtragshaushaltes 2023 sei es insbesondere, die Ausgaben „für die Strom und Gaspreisbremse jetzt auf eine verfassungsrechtlich gesicherte Grundlage“ zu stellen.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de