© REUTERS/Kacper Pempel Pistorius in Polen: Verbleib der Patriots hängt von Einrichtung einer Leopard-2-Werkstatt ab
Eine deutsche Raketenabwehrstellung bei Zamosc schützt die Nato-Ostflanke und Waffenlieferungen an die Ukraine. Ob sie dort bleibt, ist auch nach dem Ministerbesuch unklar.
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Auf einer Anhöhe inmitten von Maisfeldern stehen zwei Radargeräte. Die Sicht reicht kilometerweit. Aus diesem Grund hat die Bundeswehr hier im äußersten Osten Polens mit ihrem Patriot-Flugabwehrraketenverband Stellung bezogen. In einem Halbkreis angeordnet, in einigen hundert Meter, Entfernung, stehen zehn Abschussrampen. Von einem Lastwagen werden gerade die rund drei Meter langen und etwa zwei Tonnen schweren Lenkflugkörper auf eine der „Feuereinheiten“ geladen. Sie werden nach Osten ausgerichtet.
In die Ukraine ist es vom polnischen Militärstützpunkt Zamosc, den die 300 deutschen Soldatinnen und Soldaten nach ihrer Arbeit im Dreischichtbetrieb aufsuchen, nur ein Katzensprung. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) besucht an diesem Montag die Kaserne wie die Stellung. Zur Grenze, die auch die des Nato-Bündnisgebiets markiert, sind es kaum 50 Kilometer.
In der Gegend liegt auch das Dorf Przewodow, wo im Herbst zwei Menschen beim Einschlag einer Rakete starben. Weil sie erst für eine russische gehalten wurde, was einem Angriff auf Nato-Gebiet gleichgekommen wäre, herrschte in der Allianz kurzzeitig Alarmstimmung. Obwohl es sich schlussendlich um einen ukrainischen Irrläufer handelte, wurde entschieden, die Raketenabwehr an der Ostflanke zu verstärken. Deutschland bot Hilfe an, die nach einigem Hin und Her von der rechtspopulistischen Warschauer Regierung auch angenommen wurde.
Drei deutsche Patriot-Staffeln sind seit Februar in Position gegangen, eine wurde gerade vorübergehend zum Schutz des Nato-Gipfels in Litauen abgezogen. Ein offizielles Enddatum für den Einsatz gibt es nicht. Intern jedoch war mit etwa sechs Monaten geplant worden, weshalb der deutsche Minister mit seinem polnischen Amtskollegen Mariusz Blaszczak vor Ort klären will, ob und wie es mit der Mission „eVA POL“ weitergehen soll. Die Abkürzung steht für „enhanced Vigilance Activities“, erhöhte Wachsamkeit.
Erhöhte Wachsamkeit an der Nato-Ostflanke
Die gilt nicht nur ganz allgemein im Nato-Gebiet. Es geht auch darum, „strategisch wichtige Infrastrukturen zu schützen“, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagt. In Schussweite der Stellung in Zamosc befindet sich der Eisenbahnknotenpunkt, über den jene Waffenlieferungen erfolgen, mit denen die Ukraine im Krieg gegen Russland bestehen soll. „Die Patriots“, sagt Blaszczak, „schützen auch diese Lieferungen.“
Meist auf dem Schienenweg kommt auch das Gerät zurück, das im Gefecht oder durch Verschleiß beschädigt worden ist und repariert werden muss. Ebenfalls in der Nähe von Zamosc und damit unter dem Patriot-Raketenschirm soll eine Werkstatt für kaputte Leopard-Panzer entstehen. Ähnliches gibt es für andere Waffensysteme bereits in Rumänien und der Slowakei.
Bisher aber hat sich trotz einer Mitte April von beiden Ministern unterzeichneten Absichtserklärung wenig getan. Der Termin Ende Mai, zu dem der Reparaturbetrieb Pistorius zufolge aufgenommen werden sollte, ist längst verstrichen. Die deutschen Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall sowie Polens Waffenschmiede PGZ konnten sich bisher nicht auf die Modalitäten einer Arbeitsgemeinschaft einigen.
Es geht um komplexe juristische Fragen industrieller Zusammenarbeit. Der „Spiegel“ hatte zudem am Sonntag berichtet, dass das polnische Unternehmen „Mondpreise“ für eine Inspektion verlangen wolle – ein heikler Punkt, da 150 Millionen Euro für die Reparaturen in Polen aus dem Bundesetat kommen sollen.
Ein politisch aufgeladenes Thema
Polen ist sehr daran interessiert, dass die Patriots in Polen bleiben.
Warschaus Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak
Formal geht es nur um eine Industriekooperation, vor dem Hintergrund des ohnehin nicht einfachen deutsch-polnischen Verhältnisses ist das Thema aber politisch aufgeladen – und mit der weiteren Patriot-Stationierung verknüpft. So geht Pistorius am Montag nicht darauf ein, als sein Amtskollege um weitere Unterstützung bittet: „Polen ist sehr daran interessiert, dass die Patriots in Polen bleiben – zumindest bis Ende des Jahres.“ Die Antwort des deutschen Ministers? Er macht Druck in Sachen Panzerwerkstatt.
„Die Zeit drängt“, sagt Boris Pistorius in Zamosc – im Wissen, dass die Zahl beschädigter Leopard-Panzer steigt und die Ukraine nur mit der Reparatur bereits gelieferter Waffen über genug Gerät verfügen wird. Bis in zehn Tagen „müssen“ nach seiner Ansicht Lösungen gefunden werden, passend zum Nato-Gipfel. Erst dann, so klingt es an, dürfte entschieden werden, ob die Patriot-Raketen in den Maisfeldern von Zamosc stehen bleiben.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de