© dpa/Christoph Soeder Nach Maut-Debakel: Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ex-Verkehrsminister Scheuer
Dem früheren Verkehrsminister und seinem damaligen Generalsekretär wird vorgeworfen, im Maut-Ausschuss „bewusst wahrheitswidrig“ ausgesagt zu haben.
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In den vergangenen Jahren stand er immer wieder in der Kritik: Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wurde nicht nur die Verschwendung von Steuergeldern vorgeworfen, sondern auch, dass er aus den Vorwürfen, die seine gesamte Amtszeit begleiteten, keine Konsequenzen zog.
Der CSU-Politiker hatte, als damaliger Verkehrsminister am 30. Dezember 2018 mit der AutoTicket GmbH Verträge zur Umsetzung der Pkw-Maut in Deutschland abgeschlossen – zu einem Zeitpunkt als die Prüfung der Maut vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) noch lief.
Im Juni 2019 kippte der EuGH das Maut-Projekt, noch am selben Tag kündigte Scheuer die Verträge mit den Betreibern – aus „ordnungspolitischen Gründen“ und wegen „Schlechtleistung“.
Der angemeldete Entschädigungsanspruch beläuft sich auf 560 Millionen Euro
Letztere betraf eine angeblich nicht vertragskonform vorgelegte „Feinplanungsdokumentation“. Laut eines Zwischenschiedsspruch hat die AutoTicket GmbH, hinter der CTS Eventim und Kapsch TrafficCom stehen, wegen des Nichtzustandekommens der Maut trotz abgeschlossener Verträge einen Anspruch auf Schadensersatz.
Sollte die finale Entscheidung bei diesem Urteil bleiben, müsste die Bundesregierung zahlen. Der angemeldete Entschädigungsanspruch beläuft sich auf 560 Millionen Euro.
Dass Andreas Scheuer nach so einem gravierenden Fehlschlag nicht das Amt niederlegen musste beziehungsweise nicht die Größe hatte, selbst den Hut zu nehmen, stieß bei einem Großteil der Bevölkerung und auch einer Vielzahl von Politiker*innen auf Unverständnis.
Bis zur Bildung der neuen Regierung harrte Scheuer als Verkehrsminister mit erstaunlich wenig Selbstreflexion und guter Laune der Dinge. Nun könnte es für den Niederbayern aber doch noch ein juristisches Nachspiel geben:
Die Berliner Staatsanwaltschaft hat bekanntgegeben, wegen eines bestehenden Anfangsverdachtes der falschen uneidlichen Aussage vor dem Maut-Untersuchungsausschuss gegen Andreas Scheuer und seinen damaligen Staatssekretär Gerhard Schulz zu ermitteln.
Es besteht Anfangsverdacht wegen falscher uneidlicher Aussage
Den beiden wird vorgeworfen, „in ihren zeugenschaftlichen Vernehmungen bewusst wahrheitswidrig“ ausgesagt zu haben, teilte die Staatsanwaltschaft am Dienstag mit. Sie sollen demnach gesagt haben, dass es nach ihrer Erinnerung kein Angebot der designierten Betreiber zur Verschiebung des Vertragsabschlusses auf die Zeit nach dem Urteil des EuGH gegeben habe.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sei vor der Aufnahme des Ermittlungsverfahrens „unter Beachtung der immunitätsrechtlichen Vorgaben“ über die geplanten Ermittlungen gegen Scheuer informiert worden, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit.
Scheuer ist seit dem Antritt der neuen Bundesregierung einfacher Abgeordneter. Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, heißt es in § 153 des Strafgesetzbuchs.
Dass es für Andreas Scheuer so weit kommen könnte, hält der Strafrechtsprofessor Tobias Singlnstein jedoch für äußerst unwahrscheinlich. „Auf den ersten Blick wirkt das zunächst wie ein Standardvorgang. Wenn mehrere Leute Anzeige erstatten, ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet zu ermitteln, sofern das ganze nicht augenscheinlich völlig an den Haaren herbeigezogen ist.“
Wenn es sich um eine prominente Person handle, gehe die Staatsanwaltschaft aus Transparenzgründen damit in der Regel an die Öffentlichkeit, „um nach außen zu dokumentieren, dass Personen des öffentlichen Lebens wegen ihres Status nicht mit Samthandschuhen angefasst werden.“
Von einer Verurteilung sei Andreas Scheuer „sehr, sehr weit entfernt.“ Auch der frühere Linken-Parlamentarier Fabio de Masi, der im November 2019 bei der Berliner Staatsanwaltschaft Anzeige wegen Untreue gegen Scheuer gestellt hatte, zeigt sich hinsichtlich einer Verurteilung skeptisch.
„Ich hoffe, es gibt diesmal mehr Ermittlungseifer gegen Andi Scheuer als bei meiner Strafanzeige wegen Haushaltsuntreue“, sagte de Masi dem Tagesspiegel. Es sei schlimm genug, dass er über 500 Millionen Steuergeld für seinen Wahlkampfgag PKW Maut mutwillig verbrannt habe.
In der JVA Moabit sitzen Leute, die weniger auf dem Kerbholz haben als Herr Scheuer.“
„Wenn er aber vor einem Untersuchungsausschuss ungestraft die Unwahrheit sagen dürfte, würde dies das Vertrauen in den Rechtsstaat beschädigen. In der JVA Moabit sitzen Leute, die weniger auf dem Kerbholz haben als Herr Scheuer.“
Es lasse auf Gerechtigkeit hoffen, dass die Staatsanwaltschaft nun ermittle, meint de Masis früherer Kollege Victor Perli, der dereinst mit ihm Anzeige stellte. Perli ist Mitglied im Haushaltsausschuss und dort Mitberichterstatter für das Verkehrsministerium. „Die Auftritte von Scheuer und seinem Staatssekretär im Untersuchungsausschuss waren nicht glaubhaft.
Es steht zudem weiter der Vorwurf im Raum, dass Steuergelder veruntreut worden sind, um Maut-Amigos zu beglücken und Wahlen zu gewinnen.“
Auch für den ehemaligen Verkehrsminister gelte die Unschuldsvermutung, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen Stefan Gelbhaar dem Tagesspiegel. „Nach dem Untersuchungsausschuss ist das Strafverfahren ein weiterer schillernder Akt zu Scheuers versprochener „maximaler Transparenz“. Die Staatsanwaltschaft wird nun für Aufklärung sorgen, ob und ggf. inwieweit Scheuer vor Straftaten nicht zurückschreckte, um seine Verantwortung zu verschleiern.“
Unabhängig vom Ausgang des strafrechtlichen Verfahrens dürfte dieses dem stark angeschlagenen Image Scheuers den Rest geben. „Wenn Andreas Scheuers politische Karriere nicht ohnehin längst beendet wäre, sieht man einmal von seinem – sicherlich letzten – Bundestagsmandat ab, dann wäre es sie wohl spätestens jetzt“, sagte der Parteienforscher Albrecht von Lucke von den Blättern für Deutsche und internationale Politik dem Tagesspiegel
Scheuer selbst hatte sich am Dienstagnachmittag zu der Causa geäußert. „Ich habe vor dem Untersuchungsausschuss wahrheitsgemäß ausgesagt. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ich gehe fest davon aus, dass auch eine Überprüfung zu keinem anderen Ergebnis kommen wird.“ Laut Staatsanwaltschaft liegen dem bereits am 13. April eingeleiteten Ermittlungsverfahren mehrere Strafanzeigen von Privatpersonen zugrunde.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de