© imago/Future Image/Frederic Kern Linke klagt gegen Ampel-Wahlrecht: Wie Gregor Gysi in Karlsruhe auftreten will
Nach der Union zieht nun auch die Linke vor das Verfassungsgericht. Zwei Punkte hält sie für grundgesetzwidrig – einer könnte das ganze Gesetz kippen
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Nach der CSU und dem Freistaat Bayern hat jetzt auch die Partei Die Linke angekündigt, gegen das Wahlgesetz der Ampel-Koalition Klage beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Die Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan sagten am Freitag in Berlin, dass aus ihrer Sicht die im März vom Bundestag beschlossene Wahlrechtsreform in Teilen verfassungswidrig sei.
Wissler warf SPD, Grünen und FDP vor, gezielt der Opposition im Bundestag schaden zu wollen. Man könne nicht mit der Regierungsmehrheit ein Wahlgesetz beschließen, das die Parteien dieser Mehrheit schon bei der nächsten Wahl bevorzuge. Schirdewan sprach von „Demokratieabbau“.
Nach dem Ampel-Gesetz werden die per Erststimme bestimmten Direktmandate in Wahlkreisen nur so lange vergeben, wie sie durch Zweitstimmen einer Partei gedeckt sind. Das bedeutet, dass die nach Prozentergebnissen schwächsten Wahlkreissieger einer Partei nicht in den Bundestag einziehen, wenn Überhänge entstanden sind. Diese ergeben sich, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil insgesamt an Sitzen zusteht.
Das Wahlgesetz der Ampel ist ein Angriff auf die Opposition
Janine Wissler, Linken-Chefin
Um den Einfluss der Erststimme zu begrenzen, hat die Ampel zudem die Grundmandatsklausel gestrichen – also jene Regelung, wonach eine Partei mit ihrem bundesweiten Ergebnis auch dann ins Parlament einzieht, wenn sie zwar unter der Fünfprozenthürde bleibt, aber mindestens drei Direktmandate gewinnt.
Die Linke – sie wird in Karlsruhe unter anderem durch ihren Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi vertreten werden – moniert vor allem, dass mit der Abschaffung der Grundmandatsklausel die Zugangshürde zum Bundestag gesenkt werden müsse. Grundmandats- und Sperrklausel seien nach Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wie kommunizierende Röhren zu verstehen, sagte Gysi. Die eine sei nicht ohne die andere Klausel möglich.
Die Grundmandatsklausel solle sicherstellen, dass regional starke Parteien im Bundestag vertreten sein könnten. Falle diese Klausel, müsse man, um das Ziel zu erreichen, die Sperrklausel senken. Die Linke hat bei der Wahl 2021 die Fünfprozenthürde nicht geschafft, aber in Berlin und Leipzig drei Direktmandate geholt – und ist deswegen im Bundestag vertreten.
Am eigenen Beispiel
Einen zweiten kritischen Punkt im Ampel-Wahlgesetz, den die Partei in Karlsruhe anfechten will, machte Gysi am eigenen Beispiel deutlich. Die Koalitionsfraktionen hatten sich nämlich entschieden, trotz des Wegfalls der Direktmandatsgarantie für Parteibewerber diese für unabhängige Wahlkreiskandidaten beizubehalten. Ansonsten wären sie mit der Vorgabe aus Karlsruhe kollidiert, dass bei einer Mehrheitswahl das passive Wahlrecht für Parteilose nicht wegfallen kann.
Gysi erläuterte, dass er nach dem neuen Ampel-Wahlrecht in seinem Wahlkreis Köpenick (den er 2021 gewonnen hat) entweder als Kandidat der Linken oder auch als unabhängiger Einzelbewerber antreten könne, ohne seine Parteimitgliedschaft aufgeben zu müssen.
Vorausgesetzt wäre dann, dass es gegen ihn in dem Fall keine offizielle Linken-Kandidatur gäbe. Er dürfe sich finanziell auch nicht von der Partei unterstützen lassen. Auf eine Listenkandidatur würde er wie zuletzt verzichten. Sie wäre nach dem Ampel-Gesetz, träte Gysi als Unabhängiger an, auch nicht mehr möglich.
Läge Gysi im Wahlkreis wieder vorn und bliebe die Linke wieder unter fünf Prozent, dann zöge er nicht in den Bundestag ein. Hätte er als Einzelbewerber die Nasser vorn, wäre er im Parlament. Mit einem leichten Schmunzeln sagte er, es würde ihn doch reizen, das dann auszuprobieren. Zumal es, wie er hinzufügte, schon ab einem Ergebnis von zehn Prozent der Erststimmen eine Wahlkampfkostenerstattung gebe.
Und was könnte verfassungswidrig daran sein? Es ist eben die Tatsache, dass im Ampel-Gesetz für Einzelbewerber nicht gilt, was Parteikandidaten akzeptieren müssen – dass sie das Direktmandat unter Umständen nicht bekommen. In Karlsruhe wird dann die Frage sein, ob die Ausnahme für die unabhängigen Kandidaten das eigentliche Problem ist oder die Regel für die Parteileute. Wäre es Letzteres, an dem sich die Richter stoßen, wäre das Ampel-Wahlrecht tot.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de