Am Mittwoch beschließt voraussichtlich das Kabinett den Gesetzentwurf für die Kindergrundsicherung. Doch der Bundesrat ist noch gefragt. Und dort stehen die Zeichen auf Konflikt.
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Nach dem Kabinett ist vor dem Bundestag – und dem Bundesrat. Der könnte die Pläne von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) für eine Kindergrundsicherung vom Kopf auf die Füße stellen oder, im für die Ministerin schlimmsten Fall, sogar stoppen.
An diesem Mittwoch wird das Kabinett aller Voraussicht nach Paus’ Gesetzentwurf beschließen. Danach steht das parlamentarische Verfahren an. Auch der Bundesrat muss dem Gesetz zustimmen, damit es in Kraft treten kann. Angesichts der dortigen Mehrheitsverhältnisse ist die Ampel-Koalition auf Stimmen aus Ländern angewiesen, in denen die Union mitregiert. Dort aber ist die Kritik an den Plänen massiv.
Zum Beispiel in der Stellungnahme des Landes Berlin, die dem Tagesspiegel vorliegt. CDU und SPD regieren in Berlin gemeinsam. Auf zwölf Seiten wird im Detail der Gesetzentwurf auseinander genommen. Das Fazit: Das Land Berlin könne den Plänen nur bei „konkreten Änderungen“ in „maßgeblichen Punkten“ zustimmen. Er halte einen Vermittlungsausschuss für „geboten“, sagt Falko Liecke (CDU), Staatssekretär für Jugend und Familie in Berlin.
Und in Kreisen der Ampel-Koalition wird mit einem Vermittlungsausschuss ohnehin schon fest gerechnet.
Union stellt die Grundsatzfrage
Die Ampel-Koalition hat Vergleichbares in dieser Legislaturperiode schon einmal erlebt: Das Bürgergeld kam aus dem Vermittlungsausschuss deutlich verändert heraus.
Bei der Kindergrundsicherung ist die Kritik ebenfalls groß. Ein Bürokratiemonster ohne praktischen Nutzen für die Familien fürchten zum Beispiel Vertreter der Kommunen und auch die Union.
Silvia Breher, familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, stellt außerdem die Grundsatzfrage. Ein Hauptargument von Ministerin Paus ist, bisher würden staatliche Leistungen viele Familien nicht erreichen.
Dabei geht es vor allem um den Kinderzuschlag für Familien, die nicht von Transferleistungen leben, aber in denen die Eltern nur wenig verdienen.
Braucht es dann überhaupt weitere Millionengelder angesichts klammer Haushaltskassen?
Silvia Breher, Unionsfraktion
Breher verweist darauf, dass die Große Koalition in der vergangenen Legislaturperiode den Kinderzuschlag bereits entbürokratisiert und leichter zugänglich gemacht habe. Im Juni 2019 seien noch 250.000 Kinder erreicht worden, nach der Reform im Juli 2023 aber bereits 965.000 Kinder.
„Lisa Paus blendet die neuesten Zahlen zur Inanspruchnahme beim Kinderzuschlag komplett aus. Kommen die bisherigen Leistungen doch besser an als gedacht? Braucht es dann überhaupt weitere Millionengelder angesichts klammer Haushaltskassen?“, fragt Breher.
Im Frühjahr hatte sie eine parlamentarische Anfrage zum Thema gestellt. Ekin Deligöz (Grüne), parlamentarische Staatssekretärin im Familienministerium, antwortete in entwaffnender Offenheit: „Der Bundesregierung liegen keine verlässlichen und belastbaren Zahlen zur Inanspruchnahme des Kinderzuschlags vor.“
Und so steht Paus immer wieder vor der Grundsatzfrage: Macht ihre Reform das Leben von Familien in Deutschland tatsächlich besser? Auch im parlamentarischen Verfahren im Bundestag wird genau diese Frage diskutiert werden.
Software muss programmiert werden
Dabei hat ihr Haus in den vergangenen zwei Wochen sein Möglichstes getan, um endlich einen beschlussreifen Gesetzentwurf zu erarbeiten. Vor zwei Wochen hatte der geplante Kabinettsbeschluss sehr kurzfristig verschoben werden müssen, weil noch immer Fragen offen waren. Seitdem konnten diese aber zumindest innerhalb des Kabinetts geklärt werden.
Dabei ging es zum Beispiel um Schnittstellen zwischen Kindergrundsicherung und Bürgergeld, und es wurden um 20 Euro mehr oder weniger für Kinder, die im Asylverfahren sind, gestritten. In dieser Frage hat sich die FDP durchgesetzt: Der bisherige Sofortzuschlag wird hier ohne Ausgleich abgeschafft.
Für Aufsehen hatte auch gesorgt, dass die Bundesagentur für Arbeit warnte, die geplante Umsetzung zum 1.1.2025 sei mit Blick auf die nötigen IT-Änderungen unmöglich. Der Tagesspiegel hatte die Stellungnahme der Bundesagentur öffentlich gemacht. In den vergangenen Wochen wurde versucht, der Bundesagentur mit Vereinfachungen entgegenzukommen. Ob das reicht, ist ungewiss.
Zumal die notwendige Software erst programmiert werden kann, wenn endgültig klar ist, wie die Kindergrundsicherung aussehen soll. Je länger also die Suche nach einem Kompromiss dauert, zum Beispiel im denkbaren Vermittlungsausschuss, desto stärker gerät der ohnehin schon höchst sportliche Zeitplan weiter unter Druck.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de