In der Ampel-Koalition: Das Klima-Problem der FDP
Die Liberalen haben in der Klimaschutzpolitik ein Glaubwürdigkeitsproblem. Sie geben damit ganze Wählerschichten auf.
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Dienstagabend, im ZDF läuft Markus Lanz. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sitzt in der Sendung und windet sich. „Heizungsverbotsgesetz, was ist denn das für ein Wort?“, will Lanz wissen, „wissen Sie, wie das klingt?“, fragt Lanz, so nämlich: „Der böse Habeck, der will euch verbieten, zu heizen.“ Dürr atmet aus, setzt an, Lanz unterbricht. „Das ist doch Quatsch. Herr Dürr, warum macht man das so?“
Es geht um das Gebäudeenergiegesetz, über das in der Ampel-Koalition heftig gestritten wird. Künftig sollen neue Heizungen zu „möglichst“ 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Eigentlich ist sich die Koalition darüber einig, doch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner und seine Fraktion fordern Nachbesserungen, auch nachdem das Gesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) überarbeitet wurde.
Dürr versucht, die Haltung der FDP zu erklären. Es habe „Sorge“ gegeben, dass funktionsfähige Heizungen ausgetauscht werden hätten müssen, dieser „Eindruck“ sei entstanden. „Stands drin?“, fragt Lanz immer wieder, irgendwann sagt Dürr: „Es stand drin, das war die Lesart vieler Versorger“. „Es stand nicht drin“, widerspricht Lanz.
FDP tut sich schwer, Klimaschutz als eigenes Thema zu setzen
Die Episode zeigt, wie schwer sich die FDP noch immer damit tut, Klimaschutz als eigenes Thema zu sehen. Viel öfter scheint sie in den Debatten der vergangenen Monate einfach eine Gegenposition zu den Grünen einzunehmen. Dabei arbeitet die Partei seit einigen Jahren an ihrem Klimakonzept. Es gibt einiges, über das man reden könnte.
An dem Dienstag der Markus-Lanz-Sendung beschloss die Fraktion, die Ausweitung des Emissionshandels und somit die Deckelung der erlaubten Treibhausgasemissionen im Wärme- und Verkehrsbereich schon ab 2024 zu fordern. Würde der Vorschlag umgesetzt, hätte er weitreichende Konsequenzen.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr: „Die Lesart vieler Versorger“. © dpa/Michael Kappeler
Dürr hätte das in den Mittelpunkt seiner Argumentation rücken können. Er hätte sagen können, dass Gasheizungen mit diesem Konzept sich vermutlich nicht mehr lohnen würden, weil Gas teurer würde, und es die Ordnungspolitik von Habeck nicht bräuchte.
Tat er aber nicht. Die FDP bewegt sich bei dem Thema in einem schwierigen Spannungsfeld. Die Folgen der Klimapolitik werden mit jedem Extremwetter-Ereignis spürbarer. Dass sich etwas ändern muss, sagen auch FDP-Politiker. Trotzdem suggerieren sie ihren Wählerinnen und Wählern, dass eine wirksame Klimapolitik ohne Zumutungen gelingen könne.
Wie viel Klimaschutz kann man der Bevölkerung zumuten?
Im Interview mit dem Tagesspiegel sagte FDP-Verkehrsminister Volker Wissing in der vergangenen Woche auf die Frage, ob das 1,5-Grad-Ziel sich ohne Einschränkungen erreichen ließe: „Manche glauben, dass es ein Erfolgsmodell wäre, den Leuten Verzicht, Einschränkung und Sanktionen anzubieten. Meine Überzeugung ist: Das werden die Menschen nur kurze Zeit tolerieren.“
Es ist diese Analyse der Parteispitze, die es ihr beinahe unmöglich macht, die Klimaschutzkonzepte, die die Partei hat, offensiv zu kommunizieren.
Das liegt auch an der Geschichte der FDP. Im Jahr 2019 sagte die damalige Generalsekretärin und spätere Vize-Chefin der Partei, Nicola Beer, in einem Interview, der menschengemachte Klimawandel habe „über die Jahrhunderte betrachtet, eben nicht die Brisanz, wie es momentan dargestellt wird“.
„Atombombe für unser Land“
Frank Schäffler, FDP-Abgeordneter, über das Gebäudeenergiegesetz
Ein paar Jahre zuvor, im April 2014, hatte der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“ geschrieben, er sei „Klimaskeptiker“. Wenn es dennoch wärmer werde, „freue ich mich über die besseren Ernteerträge, die milderen Winter und den besseren Wein“, schrieb er.
Das ist lange her, auch an Schäfflers Haltung dürfte sich etwas geändert haben. Trotzdem bezeichnete er kürzlich nach eigenen Angaben das Gebäudeenergiegesetz als „Atombombe für unser Land“. Kürzlich veröffentlichte das ZDF-Magazin Frontal 21 einen Beitrag zu einem Fraktionsreferenten der FDP im Klimabereich, der die Klimakrise nicht als Krise bezeichnen wollte.
Volker Wissing und Robert Habeck: Persönlich kein schlechtes Verhältnis. © REUTERS/CHRISTIAN MANG
Als die FDP erfolgreich das Verbrennungsmotorverbot ab dem Jahr 2035 verhindert hatte, schrieb Wissing auf Twitter, sein Vorschlag sei das „Aus für das Verbrenner-Aus“. Er hätte auch schreiben können, seine Pläne seien das Ende des Zeitalters der fossilen Kraftstoffe im Autoverkehr.
Tat er aber nicht. In Momenten wie diesen scheint die Rhetorik der FDP nicht mehr zu ihrer geltenden Beschlusslage zu passen.
Dabei gibt es Politiker in der FDP, die genau das aufbrechen wollen. Prominentestes Beispiel ist der Fraktionsvize Lukas Köhler. „Autobahnen werden künftig klimaneutrale Orte sein“, sagte er kürzlich in einem Interview mit „Zeit Online“. Er hat parteiübergreifend den Ruf, für die Sache zu streiten.
Das Konzept zu einem festen CO₂-Deckel und einem früheren Einstieg in den Emissionshandel im Gebäude- und Verkehrsbereich stammt maßgeblich von ihm. „Interessante Idee der FDP“, heißt es selbst aus Grünen-Regierungskreisen, mit dem Zusatz, dass die FDP „möglicherweise“ darauf hoffe, dass das Vorhaben durch die SPD „weiterhin blockiert“ werde.
Ob die FDP Klimaschutz ernst meint? Das wirkt oft unklar. Sicher aber ist: Das bisschen Vertrauen, das die Liberalen sich in Fragen des Klimaschutzes in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, drohen sie gerade zu verspielen.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de