© dpa/Michael Kappeler Update Hofreiter gegen Obergrenze: „Zu sagen, es sollen nur 200.000 Geflüchtete kommen, ist überhaupt keine Lösung“
Kanzler Olaf Scholz hat sich offen für Gespräche über die Migrationspolitik gezeigt. Ministerin Faeser lehnt unterdessen eine Obergrenze ab. Ebenso Anton Hofreiter von den Grünen.
Von
| Update:
Eine Zusammenarbeit von Regierung und Opposition, um die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge zu reduzieren, rückt näher. So gab es am Wochenende mehrere Appelle, in der Migrationsfrage zu gemeinsamen Lösungen zu kommen.
Bereits am Samstag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) baldige Kontrollen an der Grenze zu Polen angekündigt, womit er einer der zentralen Forderungen von CDU und CSU entgegengekommen war.
„Der Kanzler ist ohnehin im ständigen Austausch mit den unionsregierten Ländern und auch in Migrationsfragen offen für weitere Gespräche“, hieß es am Sonntag gegenüber dem Tagesspiegel aus Regierungskreisen.
Bundeskanzler Olaf Scholz beim Wahlkampf in Hessen. © imago/Eibner/IMAGO/Socher/ Eibner-Pressefoto
Dies sei „jedoch getrennt von seinem Angebot zu sehen, im Rahmen eines ,Deutschland-Pakts’ bürokratische Hemmnisse abzubauen und die Wirtschaft anzukurbeln“.
Lassen Sie uns das zusammen machen und wenn Sie das mit den Grünen nicht hinbekommen, dann werfen Sie sie raus, dann machen wir es mit Ihnen.
Friedrich Merz, CDU-Chef beim CSU-Parteitagt an die Adresse des Kanzlers
Die Union hatte ihrerseits einen „Deutschland-Pakt gegen irreguläre Migration“ gefordert und diesen Vorschlag am Samstag auf dem CSU-Parteitag in München erneuert. „Lassen Sie uns das zusammen machen“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz dort an die Adresse des Kanzlers, „und wenn Sie das mit den Grünen nicht hinbekommen, dann werfen Sie sie raus, dann machen wir es mit Ihnen.“
„Schnell zu Lösungen kommen“
Aus der SPD-Bundestagsfraktion gab es am Sonntag ebenfalls eine grundsätzlich positive Reaktion. „Gerade bei dem so sensiblen Thema der Migration wäre es wünschenswert, wenn wir Regierungsparteien mit der Union zu einem breit getragenen Kompromiss kommen könnten“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Johannes Fechner dem Tagesspiegel.
Ob dies ebenfalls „unter der Überschrift ,Deutschland-Pakt’ steht, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass wir schnell zu Lösungen auch mit den Bundesländern kommen“.
Bijan Djir-Sarai (FDP), Generalsekretär seiner Partei, fordert von den Grünen, sich für „parteiübergreifende Lösungen“ zu öffnen. © dpa/Axel Heimken
Er schränkte jedoch ein, dass die Sozialdemokraten „keine populistischen und ineffektiven Forderungen wie die nach einer Obergrenze unterstützen“ würden. Einigkeit bestanden habe dagegen „bereits in der Vorgängerregierung mit CDU und CSU darüber, dass die Liste der sicheren Herkunftsstaaten ausgeweitet werden muss – da bremsen aktuell noch die Grünen.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lehnt den Vorschlag einer jährlichen Obergrenze für Geflüchtete in Deutschland von CSU-Chef Markus Söder ab. „Obergrenzen sind halt insofern nicht einzuhalten, weil wir europäisches Recht haben, internationales Recht, wir können gar nicht das Individualrecht auf Asyl alleine reduzieren“, sagte Faeser am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“ und fügte hinzu: „Wir sind an die Genfer Flüchtlingskonvention, an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden.“
Die Grünen sind in der Migrationspolitik ein Sicherheitsrisiko für das Land.
Bijan Djir-Sarai, FDP-Generalsekretär
Der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai griff den Koalitionspartner wegen dieser Haltung scharf an. „Ob bei Reformen auf europäischer Ebene oder bei der Einstufung der sicheren Herkunftsländer“, sagte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, „die Grünen sind in der Migrationspolitik ein Sicherheitsrisiko für das Land und erschweren durch realitätsferne Positionen konsequentes Regierungshandeln und parteiübergreifende Lösungen.“
FDP greift Grüne scharf an
Seine Parteifreundin Marie-Agnes Strack-Zimmermann forderte die Grünen ebenfalls zu einem Kurswechsel auf. „Auch die Grünen sind keine Kinder mehr – die Hände vor die Augen zu halten, und dann anzunehmen, alles sei wohlig schön, ist naiv, weltfremd und stärkt nur die Hetzer in diesem Land“, sagte sie dem Tagesspiegel: „Damit ist keiner Kommune und keiner Hilfsorganisation gedient, die in der Flüchtlingshilfe sich engagieren.“
Die Verteidigungspolitikerin setzte sich ebenfalls für einen lagerübergreifenden Konsens ein: „Die Regierungsparteien müssen gemeinsam mit CDU und CSU an einen Tisch und das Problem lösen – umgehend!“
Derweil erneuerte CDU-Chef Merz sein Angebot an Kanzler Scholz, „dass wir als ersten Teil seines Deutschlandpaktes gemeinsam die Flüchtlingskrise lösen“. Weiter sagte er: „Wenn wir die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung und die Integrationsfähigkeit unseres Landes nicht überstrapazieren wollen, müssen wir schnell die Zahlen der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, reduzieren.“
Außenministerin Annalena Baerbock wiederum dringt in der Flüchtlingspolitik auf eine europäische Lösung. Die Lage in den Kommunen in Deutschland sei absolut angespannt, sagte die Grünen-Politikerin am Montagmorgen im Deutschlandfunk. Deswegen arbeiteten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und sie so hart, „dass wir in Europa endlich zu gemeinsamen Regelungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik kommen“.
Es brauche Struktur und Ordnung. An den Außengrenzen müssten klare Regeln geschaffen werden, „damit endlich Menschen geordnet in Europa verteilt werden“. Sie verwies auf schnelle Verfahren an den Außengrenzen und schnelle Rückführungen.
Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter fordert mehr finanzielle Mittel und weniger Bürokratie hat sich gegen eine „Obergrenze“ ausgesprochen. „Schnell helfen kann Geld, Entbürokratisierung und schnelle Arbeitserlaubnisse – alles andere sind, das muss man ehrlicherweise sagen, Parolen“, sagte Hofreiter am Montag im ARD-“Morgenmagazin“.
Er kritisierte, in der laufenden Diskussionen gebe es besonders aus den Unionsparteien „keine Lösungen, sondern einfach schlichtweg entweder platte Parolen oder Ziele“. Forderungen aus CDU und CSU nach einer Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen jährlich wies der Grünen-Politiker zurück. „Einfach zu sagen, es sollen nur 200.000 Geflüchtete kommen, das ist halt überhaupt keine Lösung, weil es einfach schlichtweg gar nichts ändert.“
Hofreiter sprach sich dafür aus, sich verstärkt um Migrationsabkommen zu bemühen. „Da muss man den Ländern anbieten, dass es legale Migration gibt, aber dann kriegt man vielleicht als Ergebnis auch, dass die Länder bereit sind, wenn Leute wirklich nach einem fairen Verfahren nicht hier bleiben können, dass sie die zurücknehmen“, sagte der Grünen-Politiker.(mit Agenturen)
- Bündnis 90 / Die Grünen
- CDU
- CSU
- FDP
- Flüchtlinge
- Marie-Agnes Strack-Zimmermann
- Migration
- Olaf Scholz
- SPD
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de