Grüne Woche in Berlin: Özdemirs schwerer Gang

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Grüne Woche in Berlin: Özdemirs schwerer Gang

Proteste von Landwirten soll es bei der Agrarmesse nicht geben. Aber Agrarminister Özdemir kann beim Agrardiesel nicht weiter entgegenkommen.

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Cem Özdemir hätte sich sicher einfachere Rahmenbedingungen für seinen Auftritt auf der Grünen Woche an diesem Freitag gewünscht. Normalerweise ist der traditionelle Rundgang des Ministers eine Gelegenheit, landwirtschaftliche Produkte zu verkosten und sich volksnah in Szene zu setzen. Aber die Grüne Woche wird in diesem Jahr vom Protest der Bauern gegen die geplanten Kürzungen der Agrardiesel-Beihilfen überschattet.

Schon vor der Agrarmesse hat der Landwirtschaftsminister zugegeben, dass der Frust in der Branche tief sitzt. Der Protest der Landwirte, die am Montag bei einer Großkundgebung in Berlin auf die Straße gegangen waren, werde „breit geteilt“, sagte der Grünen-Politik dieser Tage in Berlin.

Wenn die Currywurst um ein paar Cent teurer wird, dann ist die Furcht vor einem Shitstorm groß.

Cem Özdemir, Bundeslandwirtschaftsminister

Dass die Bauern bei der Grünen Woche aber ihren Protest ähnlich lautstark zum Ausdruck bringen werden wie bei der Großdemonstration in Berlin, ist nicht zu befürchten. Sein Verband plane bei Özdemirs Besuch keine Protestaktion, erklärte Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes.

Dabei haben Amtsvorgängerinnen Özdemirs sehr wohl Erfahrungen mit Protesten auf der Grünen Woche gemacht. So musste der Sicherheitsdienst einschreiten, als ein Demonstrant 2013 auf die damalige Ressortchefin Ilse Aigner (CSU) losging und schrie: „Tiere haben Aigner satt, Tiere haben Aigner satt.“ Die Grünen-Politikerin Renate Künast, in deren Amtszeit von 2001 bis 2005 der Höhepunkt der BSE-Krise mit Massenkeulungen von Rindern fiel, wurde seinerzeit auf der Messe von sechs Bodyguards begleitet.

Özdemir versuchte dem Protest am Donnerstag im Bundestag schon einmal die Spitze zu nehmen. Man müsse anerkennen, dass die Bauern „ganz überwiegend friedlich“ demonstriert und sich nicht von Rechtsextremen hätten vereinnahmen lassen, betonte er. „Die Landwirtschaft ist bunt, aber sie ist aber nicht braun“, sagte er bei der Debatte über den agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung.

Das ändert aber nichts daran, dass die Bundesregierung beim Agrardiesel keine weiteren Zugeständnisse machen will. Özdemir bezeichnete den zu Jahresbeginn verkündeten Kompromiss – die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge bleibt erhalten – als „fair und vertretbar“. Auch sah es nicht danach aus, dass in der sogenannten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses für den Etat 2024 am Donnerstag die Kürzungen beim Agrardiesel wieder zurückgenommen werden. Vorsorglich kündigte Bauernpräsident Rukwied daher auch an: „Wenn jetzt beim Agrardiesel nichts kommt, kommen die nächsten Proteste und Aktionen ab der kommenden Woche.“

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, droht mit weiteren Demonstrationen ab der kommenden Woche.

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In dem gemeinsamen Entschließungsantrag der Ampel-Fraktionen zur Verbesserung der Wirtschaftslage der Branche, der am Donnerstag vom Bundestag angenommen wurde, ist von weiteren Zugeständnissen beim Agrardiesel ebenfalls keine Rede. Statt dessen heißt es in dem Antrag, dass der „Landwirtschaft durch Bürokratieabbau effizient und monetär“ geholfen werden soll. Auch alternative Antriebe und Treibstoffe für landwirtschaftliche Maschinen sollen unterstützt werden.

Özdemir kündigte zudem an, dass das Kartellamt beauftragt werden soll, die Stellung der Landwirte in der Wertschöpfungskette gegenüber den Handelskonzernen unter die Lupe zu nehmen. Bis zum Sommer soll zu dem Sieben-Punkte-Katalog ein Gesetzespaket verabschiedet werden, kündigte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch an.

Der springende Punkt im Antrag von SPD, Grünen und FDP liegt indes darin, zu einer verlässlichen Finanzierung für die artgerechte Tierhaltung zu kommen. Özdemir verteidigte im Bundestag eine moderate Erhöhung des Fleischpreises um „wenige Cent“ pro Kilo für einen tierwohlgerechten Umbau der Ställe. Der Agrarminister weiß allerdings sehr wohl, dass dies ein heikles Thema ist: „Wenn die Currywurst um ein paar Cent teurer wird, dann ist die Furcht vor einem Shitstorm groß.“

Das unmittelbare Problem liegt für die Ampel-Regierung indes weiter in der Agrardiesel-Frage. „Die Verantwortung liegt jetzt einzig bei der Bundesregierung und den Regierungsfraktionen“, erklärte Bauernpräsident Rukwied. „Nur sie können weitreichendere Bauernproteste verhindern.“

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de