© dpa/Patrik Stollarz/AFP-Pool „Ende des transatlantischen Honeymoons“: Was eine erneute Präsidentschaft Trumps für Deutschland bedeuten würde
Trotz Anklage deutet vieles auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur Trumps hin. Ist Deutschland gewappnet, sollte er wieder gewählt werden?
Von Daniel Friedrich Sturm
Auf eine spezielle Attacke wollte Donald Trump, während er Ende 2022 seine Kandidatur für das Präsidentenamt erklärte, nicht verzichten. „Erinnert Ihr Euch an Angela?“, rief Trump dem handverlesenen Publikum in seinem Anwesen Mar-a-lago (Bundesstaat Florida) spöttisch zu. „Niemand erinnert sich mehr an sie“, beantwortete er selbst seine Frage, gemünzt auf die frühere deutsche Bundeskanzlerin.
„Sie beziehen 78 Prozent Ihrer Energie aus Russland“, habe er, Trump, Merkel einst vorgehalten. Das sei „nicht gut für Deutschland“. In der ihm eigenen Kreativität ließ er seine Fans noch wissen, Deutschland habe „alle seine Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke abgeschaltet. Und jetzt bauen sie Kohlekraftwerke“.
Man kann über Trump, seine Merkel-Obsession und die sagenhafte Vorliebe für Halbwahrheiten schmunzeln, doch eines ist klar: Sollte Trump, 77, Ende 2024 abermals zum US-Präsidenten gewählt werden, so kämen auf Deutschland und Europa schwere Zeiten zu. In den parteiinternen Umfragen bei den Republikanern führt Trump mit Abstand.
„Eine erneute Präsidentschaft Donald Trumps wäre das Ende des transatlantischen Honeymoons“, ist Jürgen Trittin (Grüne) überzeugt. Trittin führt die deutsch-amerikanische Parlamentariergruppe des Bundestages.
Was bedeutet Trump für den Krieg?
„Ein Präsident Donald Trump dürfte, wie in seiner ersten Amtszeit, die Verbündeten gegeneinander ausspielen wollen. Trump will den Westen spalten, um für sein Land bessere ,deals’ zu machen. Nun haben wir aber einen Krieg in Europa. Trump würde die westliche Haltung gegen Russland chaotisieren, jede Chance ergreifen, um sich mit Putin zu treffen. Die große Trump-Show eben“, sagte Metin Hakverdi (SPD), Vize-Vorsitzender der Parlamentariergruppe Deutschland-USA.
Ein Präsident Trump werde wohl erheblichen Druck auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj machen, „ihn zu einer wie auch immer gearteten Verhandlung mit Putin drängen“, sagte Hakverdi dem Tagesspiegel. Ob die USA in der Sache die Ukraine künftig weniger unterstützen, hinge davon ab, welche Partei ab 2025 im Senat die Mehrheit habe.
Trittin ist da noch skeptischer. „Trump würde, sofern das nicht vorher geschieht, die militärische Unterstützung der Ukraine umgehend aufgeben. Die Hilfe für die Ukraine wäre schlagartig allein Aufgabe der Europäer. Wir wären geforderter denn je“, sagt Trittin dem Tagesspiegel. Die Ukraine verlöre damit die für ihre Kriegsführung wichtigen Geheimdienst-Erkenntnisse der USA. Das könne Europa, selbst bei bestem Willen, nicht kompensieren, sagte Trittin.
Was bedeutet Trump für die Nato?
Für Trump seien Frieden und internationale Sicherheit keine Werte, sondern ein Geschäftsmodell, sagte Hakverdi: „Ich bin sicher, dass die USA nicht die Nato verlassen werden.“ Trump aber werde den Druck auf die Nato-Partner, die das Zwei-Prozent-Ziel nicht erfüllen, erhöhen, ist der Sozialdemokrat überzeugt. Trumps Wahl wäre eine schlechte Nachricht für die globale Sicherheit. „Es wäre an Moskau das Signal, dass sich Europa nicht auf die USA verlassen kann.“
Durch Trumps Geringschätzung der Nato wären die Europäer selber für ihre Sicherheit verantwortlich.
Jürgen Trittin (Grüne) führt die deutsch-amerikanische Parlamentariergruppe des Bundestages
Das wiederum würde den Druck auf uns alle in Europa erhöhen“, sagte Hakverdi. Doch er sieht Licht bei allem Schatten: „Eine Wahl Trumps wäre ein Integrations-Booster für die europäische Integration.“ Die EU würde ihre zaghaften Mühen um eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit Trump im Weißen Haus beschleunigen.
Ähnlich sieht es Trittin: „Durch Trumps Geringschätzung der Nato wären die Europäer selber für ihre Sicherheit verantwortlich. Die europäische Säule der Nato würde viel wichtiger als bisher. Trump würde letztlich die europäische Souveränität stärken.“
Was bedeutet Trump für Multilaterialismus und Handel?
„Trump würde Europa, nach China, als größten Gegner, als größte Gefahr für die USA definieren und entsprechend herausfordern. Mit neuen Zöllen wäre zu rechnen“, sagte Trittin. Trump sei ein Anhänger des Modells der multipolaren Welt, wie China und Russland es vertreten: Es gilt das Recht des Stärkeren, die Welt besteht aus Einflusssphären. „In seinem Wettkampf mit China würde er von Deutschland und Europa blinden Gehorsam verlangen“, sagte Trittin.
Hakverdi ist überzeugt, eine Wahl Trumps würde Handelsabkommen der EU mit Drittstaaten, etwa mit dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur, „erheblich dringlicher machen“.
Wie ist Berlin auf Trump vorbereitet?
Vor der Wahl 2016 rechnete die damalige Bundesregierung mit einem Sieg der Demokratin Hillary Clinton – und lag daneben. Und nun? Anruf bei Michael Link (FDP), Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, gerade zurück aus dem Süden der USA.
Die Mitglieder von EU und Nato dürfen sich im Falle einer erneuten Präsidentschaft Trumps nicht spalten lassen.
Michael Link (FDP), Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung
„Donald Trump hat mehrfach gesagt, diesmal habe er sehr genaue Pläne, wenn er wieder Präsident wird. Man muss nicht alles wörtlich nehmen, was er sagt. Aber wir sollten seine Aussagen, auch seine Drohungen, sehr ernst nehmen“, sagt Link. Daher müsse man jetzt belastbare Beziehungen zu all jenen Republikanern aufbauen, denen an Zusammenarbeit und Freundschaft mit Europa gelegen ist, etwa Senatoren und Abgeordnete im Kongress, aber auch Gouverneure und Parlamente der Bundesstaaten.
„Bei meiner jüngsten Reise durch vier Südstaaten habe ich den Eindruck gewonnen, dass etliche Republikaner von Trump zunehmend genervt sind, auch wenn sie es sich aus Angst vor Trumps starker Wählerbasis nicht offen zu sagen trauen“, sagt Link.
Und wenn er doch ins Weiße Haus zieht? „Die Mitglieder von EU und Nato dürfen sich im Falle einer erneuten Präsidentschaft Trumps nicht spalten lassen. In der letzten Amtszeit hatte Trump genau dies bereits versucht, in einer zweiten Amtszeit könnten sich solche Manöver Trumps noch verstärken“, sagt Link. Ein Sieg Trumps bei den Vorwahlen sei durchaus möglich. „Ob er aber auch die Präsidentschaftswahl gewinnen kann, steht auf einem völlig anderen Blatt.“
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de