© Imago/Eibner/Dimitri Drofit Eklat bei Tagung: Boris Palmer benutzt wiederholt das N-Wort
Bei einer Konferenz über die Integration von Migranten hat Tübingens OB in Frankfurt (Main) heftige Aufregung und Protest ausgelöst. Es ging auch um eine Äußerung zum Judenstern.
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer macht erneut Schlagzeilen. Bei einer umstrittenen Tagung an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main löste er am Freitagabend einen Eklat aus, wie unter anderem die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtet. Der Politiker war demnach Teilnehmer der Diskussionsrunde „Migration steuern, Pluralität gestalten“. Im Vorfeld der Veranstaltung unterhielt sich Palmer mit anderen Konferenzgästen – und nutzte dabei mehrfach das N-Wort.
Auf Videos in den sozialen Netzwerken ist zu sehen, wie Palmer versucht, seine Wortwahl vor Studierenden auf dem Uni-Campus zu rechtfertigen. „Ihr beurteilt Menschen anhand von einem einzelnen Wort.“ Nach einer kurzen Unterbrechung fügte er hinzu: „Das ist nichts anderes als ein Judenstern.“ Diese Äußerung wurde als Verharmlosung des Holocaust kritisiert.
Die anwesenden Studierenden, die teilweise gekommen waren, um gegen die Veranstaltung zu demonstrieren, waren sichtlich aufgebracht. Etliche riefen im Sprechchor „Nazis raus“. Auch der Politiker schloss sich dem an. „Ich will auch keine Nazis in diesem Land“, sagte er.
Auf der sich anschließenden Podiumsdiskussion soll die Situation wegen der Äußerungen weiter eskaliert sein. Wie die „Frankfurter Rundschau“ (FR) berichtete, beharrte der Politiker darauf, dass es bei der Verwendung des N-Wortes auf den Kontext ankomme.
Wenn man es gegenüber einer Person, die vor ihm stehe, benutze, weil sie schwarze Hautfarbe habe, sei dies „eine justiziable Beleidigung“. Darüber brauche man nicht zu diskutieren. Palmer erklärte dazu wörtlich: „Wenn ich eine Person, die vor mir steht als N… bezeichne, ist das eine justiziable Beleidigung. (…) Wenn ich aber die Frage diskutiere, ob Astrid Lindgrens Roman in Zukunft Südseekönig oder N…könig schreiben soll, dann ist das eine vollkommen legitime Verwendung des Wortes N… (…) Ich lasse mich nicht aus der Verbindung des Wortes an sich als Rassist abstempeln.“
Andere Konferenzteilnehmer wie der Psychologe Ahmad Mansour, der Sozialwissenschaftler Ruud Koopmans und der Politiker Manuel Ostermann entgegneten der FAZ zufolge, dass das Wort eine Beleidigung darstelle – vor allem, wenn man es mehrfach wiederhole. Der Moderator der Veranstaltung verließ schließlich den Raum. „Herr Palmer, mit Ihnen will ich nichts mehr zu tun haben“, sagte er demnach.
Trotz des Eklats hielt Palmer seinen Vortrag mit dem Titel „Memorandum für eine andere Migrationspolitik“. Darin schlug er der FAZ zufolge unter anderem Qualitätsabstriche bei der Versorgung von neu ankommenden Flüchtlingen sowie eine Erstversorgung mit Sachleistungen statt mit Geldmitteln vor.
Dies sei notwendig, um den begrenzten Ressourcen auf dem Wohnungsmarkt, im Gesundheits- und Bildungswesen zu begegnen.
Sein Verhalten hat die sehr gute und differenziert geführte Tagung schwer beschädigt und ist nicht akzeptabel.
Susanne Schröter vom Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam, die Boris Palmer zu der Konferenz eingeladen hatte
Am Samstagvormittag äußerte sich schließlich auch die Organisatorin der Konferenz zu dem Vorfall am Freitagabend. „Ich distanziere mich nachdrücklich von den Äußerungen von Boris Palmer“, schreibt Susanne Schröter vom Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam, die Palmer zu der Konferenz eingeladen hatte. „Sein Verhalten hat die sehr gute und differenziert geführte Tagung schwer beschädigt und ist nicht akzeptabel.“
Bereits vor diesem Vorfall war die Veranstaltung kritisiert worden. Sie sei keine „seriöse wissenschaftliche Konferenz“, hieß es in einer Stellungnahme des Asta der Uni Frankfurt. Die Veranstaltung trage durch ihre Gäste dazu bei, „rechtsoffene und populistische Narrative“ zu verbreiten, sagte Nabila Saya vom Asta der FR zufolge. Die Konferenz sei „politisch motiviert“. Und eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema Migration finde dort nicht statt.
Palmer ist seit 2007 Tübingens OB und war im Oktober 2022 für weitere acht Jahre im Amt bestätigt worden. Der 50-Jährige war als unabhängiger Kandidat angetreten, weil seine Mitgliedschaft bei den Grünen bis Ende 2023 wegen Streitereien um Tabubrüche und Rassismusvorwürfe ruht. Im Februar hatte sich eine neue Gruppe innerhalb der Grünen in einem heftig diskutierten Papier für eine radikale Umkehr in der Migrationspolitik ausgesprochen. Palmer war einer der prominentesten Unterzeichner. (lem)
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de