Deutsch-französische Freundschaft 2.0: „Nicht nur Partner, sondern auch beste Freundinnen“

© Reuters/Pool/Ludovic Marin Deutsch-französische Freundschaft 2.0: „Nicht nur Partner, sondern auch beste Freundinnen“

Mit mehr Begegnungen wollen Paris und Berlin ihre Politik besser synchronisieren. Im Juli kommt auch Macron zum ersten Staatsbesuch seit 23 Jahren.

Von Hans Monath

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat nach ihrer Teilnahme an einer Kabinettsitzung in Paris die Beziehungen zum Nachbarland gewürdigt. „Frankreich ist nicht nur unser Partner und Nachbar, sondern auch unsere beste Freundin“, erklärte sie. Ihre französische Kollegin Catherine Colonna betonte: „Es ist ein Zeichen der innigen Verbundenheit und des gegenseitigen Vertrauens.”

Der Besuch Baerbocks im französischen Kabinett gilt nach einer Reihe von Unstimmigkeiten zwischen Berlin und Paris als Auftakt einer Reihe von wichtigen Begegnungen in den kommenden Monaten, mit denen die beiden Partner ihre Zusammenarbeit vertiefen oder gar einen Neuanfang wagen wollen. Daran hat vor allem Paris ein Interesse.

Bereits am Vorabend hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Baerbock zu einem etwa einstündigen Gespräch im Elysée getroffen. Es sei ein „guter und vertrauensvoller Austausch“ gewesen, hieß es anschließend aus diplomatischen Kreisen. Es war das zweite Mal innerhalb eines halben Jahres, dass Baerbock im Elysée empfangen wurde.

Die Teilnahme an einer Kabinettssitzung der jeweils anderen Regierung ist im Aachener Vertrag vorgesehen, den Frankreich und Deutschland 2019 unterzeichnet haben.

Für Anfang Juni hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Macron in seinen Wahlkreis Potsdam eingeladen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird dann seinen französischen Kollegen Anfang Juli zu einem Staatsbesuch Macrons in Deutschland empfangen, der die beiden auch nach Ostdeutschland führen soll. Es wäre der erste Besuch in diesem Format seit 23 Jahren.

Zuletzt hatten mehrere Konflikte für Unstimmigkeit zwischen den Partnern gesorgt. Als politische Katastrophe bewerteten es Außenpolitiker in Berlin, dass Macron nach einem Besuch in Peking dafür plädiert hatte, Europa dürfe sich im Konflikt um Taiwan nicht an die Seite der USA stellen. Berliner Diplomaten betonten, dieser Appell stehe im Widerspruch zum faktischen Handeln der Regierung in Paris, die zeitgleich ein Kriegsschiff in die Straße von Taiwan geschickt und damit dokumentiert hatte, dass sie die Souveränität des Landes achte.

Der deutsch-französische Ministerrat war im vergangenen Herbst abgesagt worden, weil sich für Konflikte keine Lösungen abzeichnete und mehrere deutsche Minister lieber in Urlaub gehen statt nach Paris fahren wollten. Im Januar wurde der Termin aus Anlass des 60-jährigen Jubiläums der deutsch-französischen Aussöhnung nachgeholt.

Die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland ist kein Selbstläufer und ‘Verständigung’ muss immer wieder neu erarbeitet werden.

Stefan Seidendorf, Vizedirektor des Deutsch-Französischen Instituts

Wenige Wochen später stritten Deutsche und Franzosen über das nächste Thema: Paris wollte aus Atomkraft gewonnenen Wasserstoff als grüne Energie einstufen, Berlin war dagegen und setzte sich durch. Im Streit drohte Paris sogar damit, ein deutsch-spanisches Pipeline-Projekt zu blockieren.

„Frankreich und Deutschland sind sehr unterschiedliche Länder, strukturell, politisch, kulturell“, sagte der Vizedirektor des Deutsch-Französischen Instituts, Stefan Seidendorf, dem Tagesspiegel: „Die Zusammenarbeit ist kein Selbstläufer und ‘Verständigung’ muss immer wieder neu erarbeitet werden.“

Vermutlich gebe es sogar keine zwei so unterschiedlichen Länder, die gleichzeitig so enge, dichte Beziehungen in allen Bereichen haben, sosehr voneinander abhängig sind und sosehr aufeinander angewiesen sind. Beide seien füreinander wirtschaftlich die wichtigsten Partner, politisch häufig Gegenpole in der EU. Gleichzeitig seien beide für einen EU-Kompromiss aber unumgänglich und deshalb immer noch „Motor“ der EU, sagte Seidendorf.

Kompromisse zu finden, erfordere die Investition von Zeit und Arbeit. „Nach den Schwierigkeiten im letzten Herbst sind sich die handelnden Akteure dieser Konstellation bewusst geworden“, meinte Seidendorf. Offensichtlich müssten neue französische Präsidenten und neue Bundesregierungen tatsächlich erst entsprechende persönliche Erfahrungen machen. Es reiche nicht, wenn sie entsprechend beraten werden. Der Frankreich-Experte weiter: „Vertrauen benötigt persönlichen Umgang und Erfahrung, kann dann aber Kooperation auch zwischen schwierigen oder sogar kaum kompatiblen Konstellationen erlauben.“

Macron erwartet nach dem Urteil Seidendorfs Macron „nicht einfach ein deutsches Entgegenkommen in einem einzelnen Punkt, sondern die grundsätzliche Bereitschaft, gemeinsam mit Frankreich an Vorschlägen für die weitere Entwicklung und Vertiefung der EU zu arbeiten – etwa bei der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, aber auch bei weiteren Themen“.

Vor allem bei dem Treffen mit dem Bundeskanzler im Juni dürfte der französische Präsident dann versuchen, diese Bereitschaft abzufragen. (mit AFP)

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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