„Damit landen wir bei den Vorschlägen von Seehofer“: Grüne rebellieren gegen Asyl-Verschärfung

© AFP/Aris Messinis „Damit landen wir bei den Vorschlägen von Seehofer“: Grüne rebellieren gegen Asyl-Verschärfung

Auf EU-Ebene will die Ampel über eine strengere Asyl-Politik verhandeln. Bei den Grünen gibt es deshalb Ärger, die ersten drohen schon mit dem Parteiaustritt.

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Svenja Borgschulte klingt entschlossen: „Wenn wir uns nicht auf unsere humanitären Werte besinnen, dann sind die Grünen keine Menschenrechtspartei mehr, und dann ist das nicht mehr meine Partei“, sagt Borgschulte am Telefon. Es ist eine unverhohlene Drohung mit dem Austritt aus der Partei, für die sie seit 2019 die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Migration und Flucht ist.

Was war passiert? Vor rund zehn Tagen überraschte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) mit der Aussage, dass die Ampel-Koalition sich einig sei, Asylverfahren an den EU-Außengrenzen anzustreben. Seit Jahren stocken die Bemühungen einer gemeinsamen EU-Asylpolitik. Seit 2020 liegt ein Vorschlag der EU-Kommission auf dem Tisch, der beschleunigte Asylverfahren, die im Regelfall an den EU-Außengrenzen stattfinden sollen, und vereinfachte Rückführungen vorsieht.

„Das hat 0,0 Überschneidung mit dem, was wir als Partei im Grundsatzprogramm, aber auch als Ampel im Koalitionsvertrag vereinbart haben“, beklagt Borgschulte. Tatsächlich hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, „bessere Standards für Schutzsuchende“ zu erarbeiten und „das Leid an den Außengrenzen“ zu beenden. „Der Asylantrag von Menschen, die in der EU ankommen oder bereits hier sind, muss inhaltlich geprüft werden“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Im Juni treffen sich die EU-Innenminister

„De facto verhindern wir aber, dass Menschen in der EU ankommen“, beklagt Borgschulte. Bei den Grünen ist sie mit ihrer Kritik nicht allein. In der Bundestagsfraktion gibt es einigen Unmut über das Vorgehen der Bundesregierung und der Parteispitze, weil die sich bislang nur vage geäußert und „Humanität und Ordnung“ gefordert hatte. „Ich erwarte eine ganz klare Positionierung von der Parteispitze“, sagt Borgschulte.

Doch mit einer klaren Aussage tun sich Spitzengrüne schwer: „Die Vorzeichen sind durchaus schwierig“, räumt Fraktionschefin Katharina Dröge immerhin am Dienstag im Vorfeld der Verhandlungen der EU-Innenminister Anfang Juni ein. Die Argumentation der Grünen-Spitze: Die meisten anderen Länder in der EU würden sich für noch deutlich strengere Regeln aussprechen. Nur, wenn die Ampel intern einig sei, könne man aber auf EU-Ebene mitverhandeln. Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen und überlasteter Kommunen will die Ampel diesen Eindruck jedoch nicht vermitteln.

Die selbst ernannte Fortschrittskoalition landet damit bei den alten Vorschlägen von Horst Seehofer.

Timon Dzienus, Sprecher der Grünen Jugend, kritisiert das Vorhaben der Ampel.

Man wolle den Vorschlag der Kommission „deutlich humanitärer ausgestalten“, so Dröge. Konkret soll es etwa keine Asylverfahren für Minderjährige an der Außengrenze geben, und es brauche einen verbindlichen Verteilmechanismus innerhalb Europas. „Das ist aus unserer Sicht eine Voraussetzung für eine gemeinsame Einigung“, sagte Dröge.

Doch in der Partei gibt es daran offene Kritik: „Natürlich soll Deutschland verhandeln, aber nicht mit dieser restriktiven Position. Da wird die Ampel ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht“, sagt etwa der Sprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus. Er sieht in den Plänen der EU „die größte Einschränkung des individuellen Asylrechts seit den 90er Jahren“ und fürchtet, dass sich das Sterben im Mittelmeer ebenso fortsetzt wie Pushbacks an den Grenzen.

Diese Zurückweisungen an den Außengrenzen sind bislang eigentlich illegal, doch die EU plant eine Ausweitung sogenannter sicherer Drittstaaten. Dazu sollen zum Beispiel die Türkei, Serbien und Bosnien gehören. Würden Flüchtlinge aus diesen Ländern in die EU einreisen wollen, könnten sie dann legal ohne Anspruch auf Asyl zurückgeschickt werden. „Das Konzept von sicheren Herkunftsstaaten ist der völlig falsche Weg“, sagt Dzienus.

Auch Verfahren an der Außengrenze lehnt er kategorisch ab: „Die selbst ernannte Fortschrittskoalition landet damit bei den alten Vorschlägen von Horst Seehofer.“ Tatsächlich hatte sich der frühere CSU-Innenminister schon 2018 Transitzentren an den Außengrenzen vorgeschlagen. Damals hatten die Grünen dies vehement abgelehnt. „Mit den Grenzverfahren an der EU-Außengrenze drohen Lager wie in Moria zum Regelfall zu werden“, sagt Dzienus.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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