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Andauerndes Haushaltschaos: „Lindner denkt wenig international“
Die Ampel-Koalition streitet um den Haushalt 2024. Der Nachhaltigkeitsrat warnt vor Kürzungen bei globaler Hilfe. Aus der CDU kommt der Ruf nach längerer Arbeitszeit.
Von
- Daniel Friedrich Sturm
Im Streit um einen neuen Bundeshaushalt 2024 warnt der Nachhaltigkeitsrat vor den von Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorgeschlagenen Kürzungen. Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) der CDU fordert die Bundesregierung zu einer „effektiven Erhöhung der Arbeitszeit“ vor. Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte seine Reise zur UN-Klimakonferenz COP in Dubai ab, um mit den Ampel-Spitzen den Haushaltsstreit zu lösen.
„Die von Finanzminister Lindner vorgeschlagenen Einsparungen im Bundeshaushalt sind verantwortungslos“, sagte Reiner Hoffmann (SPD), Vorsitzender des Nachhaltigkeitsrates, dem Tagesspiegel. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung berät die Bundesregierung zur Nachhaltigkeitspolitik: „Lindners Sparvorschläge dokumentieren, wie wenig er international denkt. Provinzialismus in globalen Krisen können wir uns nicht erlauben. Das würde echt teuer.“
„Glaubwürdigkeit bei geopolitischen Krisen sieht anders aus“
Lindners Kürzungsideen „gefährden den sozialen Zusammenhalt, verhindern dringend notwendige Zukunftsinvestitionen und die vorgeschlagenen massiven Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit sind ein Risiko für das internationale Ansehen Deutschlands“, sagte Hoffmann: „Glaubwürdigkeit bei der wirksamen Bekämpfung multipler geopolitischer Krisen sieht anders aus.“
Nach Lindners Vorstellungen sollen die Mittel für die internationale Zusammenarbeit des Entwicklungshilfeministeriums um 0,5 Milliarden Euro gekürzt werden, sagte Ex-DGB-Chef Hoffmann: „Völlig falsch liegt er bei der Aussage, dass Deutschland bei der Entwicklungszusammenarbeit auf Platz eins liegt.“ Gemessen an der Wirtschaftsleistung läge Deutschland auf dem vierten Platz.
Entwicklungspolitik mache es ärmeren Ländern möglich, in Klimaschutz zu investieren, sagte Hoffmann. Das sei im deutschen Interesse. Klimaschutz muss weltweit stattfinden, um katastrophale Veränderungen des Weltklimas zu verhindern. „Es wäre unverantwortlich, wenn Deutschland seine Zusagen nicht einhält. Bundeskanzler Scholz hat es auf der COP in Dubai gesagt: Wir müssen alle beim Klimaschutz unterstützen und mitnehmen.“
17Milliarden Euro „Handlungsbedarf“ sieht Finanzminister Christian Lindner (FDP) für den Haushalt 2024. Dieser umfasst nach bisheriger Planung 445,7 Milliarden Euro.
„Wer falsch spart, zahlt schnell das Doppelte“
Armut und Hunger gelte es weltweit zu reduzieren, sagte Hoffmann, das sei die wirksamste Bekämpfung von Fluchtursachen. „Wer an der falschen Stelle spart, zahlt schnell das Doppelte. Allein mit Grenzzäunen und Polizeikontrollen werden wir die Menschen nicht von der Flucht nach Europa abhalten können.“ Solidarität mit der Ukraine bedeutet nicht nur militärische, sondern auch zivile Unterstützung, die Geld koste. „Auch hier wäre es fatal, wenn nun auch der vergleichsweise geringe Anteil der zivilen Unterstützung auf nahezu null zurückgefahren wurde.“
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) der CDU sprach sich derweil für längere Arbeitszeiten aus. „Deutschland arbeitet inzwischen zu wenig“, sagte die MIT-Vorsitzende Gitta Connemann dem Tagesspiegel: „Die OECD hat nachgezählt: Unsere durchschnittliche Arbeitszeit beläuft sich auf 1341 Stunden pro Jahr. Hört sich viel an, aber der Schein trügt. Die Franzosen arbeiten 150 Stunden, die Italiener sogar 353 Stunden mehr.“
„Das Bürgergeld muss weg“
An erster Stelle müssten „die Fehlanreize weg, vorneweg das Bürgergeld. Die Erhöhung muss gestoppt und diese Arbeitslosenhilfe reformiert werden“, sagte Connemann. Zurzeit können zwei Millionen Stellen nicht besetzt werden, bei 3,9 Millionen erwerbsfähigen Bürgergeldempfängern. „Brächte man nur 100.000 Bürgergeld-Empfänger zurück in Vollbeschäftigung, hätte der Staat drei Milliarden Euro mehr in der Kasse.“ Es müsse wieder „Fördern und Fördern in Reinform gelten“.
„Wer nicht arbeiten will, obwohl er kann, muss sanktioniert werden. Geld gegen Leistung“, sagte die CDU-Abgeordnete Connemannn. Weitere „Fehlanreize wie etwa die Rente mit 63 müssen abgeschafft werden. Alle Sozialausgaben gehören auf den Prüfstand.“ Die „Gießkanne der Ampel müsse eingemottet werden. Die Bundesregierung sollte bei der Kompromisssuche eben nicht nur Ausgabenkürzungen in den Blick nehmen, sondern auch eine effektive Erhöhung der Arbeitszeit.“
- Bundesministerium der Finanzen
- Robert Habeck
- SPD
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de