Alfred Grosser ist tot: Ein großer Mittler zwischen Deutschland und Frankreich

© dpa/Maurizio Gambarini

Alfred Grosser ist tot: Ein großer Mittler zwischen Deutschland und Frankreich

Der deutsch-französische Publizist und Politologe Alfred Grosser ist im Alter von 99 Jahren gestorben. Der zuweilen scharfzüngige Denker hat Generationen auf beiden Seiten des Rheins geprägt.

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Bis zuletzt hat er sich eingemischt, bisweilen polemisch, aber immer engagiert im Sinne Europas. In einem Interview sagte Alfred Grosser im Juni 2017, dass Donald Trump „weitgehend ein Psychopath“ sei. Den US-Präsidenten sah er als Katalysator für die Einigung Europas. Auch die Reformen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in seinem Heimatland hat er wohlwollend begleitet.

Dabei stammt der deutsch-französische Publizist selbst noch aus einer Ära, die von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer geprägt wurde. Als der französische Präsident und der deutsche Kanzler 1963 den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag unterzeichneten, da war Grosser bereits Inhaber eines Lehrstuhls an der Pariser Universität „Sciences Po“.

Legendär waren dort in den Achtzigerjahren seine wöchentlichen Vorlesungen, in denen er eine Presseschau mit seinen Kommentaren zur jeweiligen Tagesaktualität verband. Grosser sprach meist vor einem vollen Amphitheater, obwohl der Besuch der Veranstaltung nicht verpflichtend war.

Flucht vor den Nazis nach Frankreich

Zu diesem Zeitpunkt war der im Jahr 1925 in Frankfurt am Main geborene Grosser bereits zu einem der wichtigsten Protagonisten der deutsch-französischen Verständigung geworden. Das war keine Selbstverständlichkeit: Als Achtjähriger musste er nach der Machtergreifung der Nazis mit seiner Familie nach Frankreich emigrieren.

In einer Grundschule bei Paris verdankte der Sohn eines jüdischen Arztes der „école republicaine“, die auch die Zuwanderer gezielt einschließt, seine Integration in Frankreich. Nach dem Studium der Politikwissenschaft und Germanistik lehrte er als Professor am „Sciences Po“, wo er bis 1992 Forschungsdirektor war.

Alfred Grosser und die damalige Kanzlerin Angela Merkel im Jahr 2014 in Berlin.

© Imago/Photothek/Michael Gottschalk

Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit sah sich Grosser stets als Mittler – nicht nur zwischen Deutschen und Franzosen, was ihm 1975 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels einbrachte, sondern auch zwischen Israelis und Palästinensern. Seine scharfe Israel-Kritik löste indes mehrfach Kontroversen aus.

Vor wenigen Tagen, aus Anlass seines 99. Geburtstags, würdigte ihn der deutsche Botschafter in Paris, Stephan Steinlein, auf der Plattform X. Steinlein rief in Erinnerung, dass die beindruckende Arbeit Grossers mehrere Generationen auf beiden Seiten des Rheins geprägt habe. Sein Wirken in Sinne der deutsch-französischen Freundschaft sei „ein Vorbild für uns alle“, schrieb Steinlein.

Aber auch mit der Nation, die zu seiner Heimat wurde, ging er immer wieder scharf ins Gericht. Nach dem islamistischen Terroranschlag von Nizza schrieb er im Juli 2016 in einem Essay im Tagesspiegel: „Dieses Frankreich ist leider heute in einer Lage, die ich als Patriot nur beklagen kann.“ Alfred Grosser ist in Paris gestorben, wie sein Sohn Pierre Grosser am Donnerstag mitteilte..

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de