West Hams Trainer David Moyes: Großes Finale für einen Gescheiterten
© REUTERS/Tony Obrien West Hams Trainer David Moyes: Großes Finale für einen Gescheiterten
Wenn West Ham United am Mittwoch gegen den AC Florenz um den Titel in der Uefa Conference League spielt, könnte es für Trainer David Moyes das letzte Spiel als Coach der Londoner sein.
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Ob es das größte Spiel seiner Karriere sein würde, wollte David Moyes einige Tage vor dem Finale der Conference League nicht beurteilen. „Ich habe in meiner Karriere viele große Spiele erlebt”, sagte der Trainer von West Ham United. „Jetzt gibt es noch ein großes Spiel, und ich freue mich darauf.“
Viel größer als das Spiel gegen den AC Florenz am Mittwochabend (21 Uhr/RTL) wird es aber kaum. Für West Ham geht es in Prag um den ersten großen Titel seit 43 Jahren, für Moyes selbst vielleicht sogar um noch mehr. Lange galt der 60-Jährige Schotte bei seinen Kritikern als ein Gescheiterter. Nun steht er kurz davor, als erster britischer Trainer seit mehr als einem Jahrzehnt einen europäischen Titel zu gewinnen.
Damit würde er sich neben seine legendären Landsmänner wie Matt Busby, Bill Shankly oder Alex Ferguson einreihen. „Als Schotte würde mir das viel bedeuten, mit diesen Namen auf einer Liste zu stehen“, sagte Moyes vor dem Finale. Das trifft wohl insbesondere bei Ferguson zu, der 2009 als letzter Brite eine Mannschaft zum Europapokalsieg führte.
Schließlich sollte Moyes schon immer in diese Fußstapfen treten. Es war Ferguson, der ihn 2013 persönlich zum Nachfolger erwählte, als er 2013 nach einem Vierteljahrhundert bei Manchester United zurücktrat. Das Abenteuer United ging für Moyes bekanntlich schief, und trotz vieler anderer Erfolge ist er seither vor allem dafür bekannt, in Old Trafford gescheitert zu sein. Die Chance, sich als großer Trainer auf der allerhöchsten Ebene zu etablieren, hat Moyes mit jener unglücklichen Amtszeit verpasst.
Als er in den Jahren danach bei Sunderland und Real Sociedad San Sebastian ähnlich erfolglos blieb, wurde die Kritik nur noch heftiger. Dass er bei Everton eine Ära des Erfolgs und der Stabilität eingeleitet hatte, die erst jetzt zu Ende geht, geriet schnell in Vergessenheit. Dass er den Krisenklub West Ham zu dessen größten Erfolgen seit vier Jahrzehnten führen würde, schien vor ein paar Jahren unvorstellbar.
Verliert Moyes gegen Florenz das Endspiel, verliert er auch seinen Job
„Als ich hier ankam, hätten nur wenige daran geglaubt, dass wir in den folgenden Jahren den siebten und sechsten Platz, ein Europa-League-Halbfinale und ein Conference-League-Finale erreichen würden”, sagte Moyes. In der Tat waren viele West-Ham-Fans entsetzt, als Moyes 2019 zu einer zweiten Amtszeit zurückkehrte. Zwar hatte er den Klub schon ein Jahr zuvor vor dem Abstieg gerettet, doch populär wurde er dadurch nicht. Für viele passte der pragmatische, etwas altmodische Schotte eher schlecht zu einem Klub, der sich am liebsten über Angriffsfußball, Emotionen und Talentförderung definiert.
Auch jetzt – und gerade nach einer in der Liga enttäuschenden Saison – wird er in manchen Ecken noch kritisch gesehen, kämpft sogar laut Medienberichten um seinen Job. In der Ära von Jürgen Klopp und Pep Guardiola wirkt Moyes eher unsexy und aus der Zeit gefallen. Teilweise ist die Kritik an seiner Art auch durchaus berechtigt – wie etwa nach seinem sexistischen, aggressiven Kommentar gegenüber einer BBC-Journalistin 2017. Manchmal, wie bei der snobistischen Häme über seine Spanisch-Kenntnisse, ist es aber oberflächlich.
Denn anders als manchmal dargestellt ist Moyes alles andere als ein reaktionärer Fußball-Dinosaurier. In Wirklichkeit ist er einer der wenigen britischen Trainer seiner Generation, der ständig über den Tellerrand schaute. Schon lange vor seiner Tätigkeit bei United oder seiner Zeit in San Sebastian sprach er davon, sich im europäischen Ausland profilieren zu wollen. Auch jetzt reist er so oft wie möglich nach Deutschland, Spanien und Italien, um Erkenntnisse zu sammeln. Und er hatte trotz der Rückschläge immer auch Erfolg: mit Everton und West Ham hat er zwei der wenigen Mannschaften aufgebaut, die in den vergangenen 20 Jahren die Hegemonie der „Big Six“ gefährden konnten.
Für diesen Moyes wäre der Sieg der Conference League auch ein passender Triumph. Auch, wenn er wohl weiterhin unterschätzt bleibt. Wie der „Guardian“ jüngst berichtete, wird Moyes im Falle einer Niederlage aller Wahrscheinlichkeit nach entlassen. Auch bei einem Sieg, witzelte er zuletzt, werde man ihm wohl kein Denkmal bauen. Doch darüber und über die Spekulation um seine Zukunft will er sich nicht den Kopf zerbrechen. Dafür ist David Moyes zu lange im Geschäft, hat zu viele Tiefen erlebt. „Mein einziger Fokus liegt darauf, das Spiel zu bestreiten und zu gewinnen”, sagte er vor seinem Endspiel am Mittwoch. „Über alles andere mache ich mir keine Gedanken.”
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de