„Warum tust du nichts?“: Scholz erhält gleich zu Beginn eine Kostprobe des Frusts im Land

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„Warum tust du nichts?“: Scholz erhält gleich zu Beginn eine Kostprobe des Frusts im Land

© dpa/Christoph Soeder „Warum tust du nichts?“: Scholz erhält gleich zu Beginn eine Kostprobe des Frusts im Land

Beim Tag der offenen Tür stellen sich der Bundeskanzler und Finanzminister Lindner den Fragen der Bürger. Ein weitgehend nettes Beisammensein, trotz der großen Verunsicherung.

Von

  • Daniel Friedrich Sturm

Eine Kostprobe des Frusts im Land, eine ordentliche Portion Politikverdrossenheit bekommt Olaf Scholz serviert, kaum dass er am Sonntagmittag die Bühne vor dem Kanzleramt betreten hat. Die Bundesregierung hat zum Tag der offenen Tür geladen. Höhepunkt des Wochenendes in der Regierungszentrale: Die Besucher dürfen dem Kanzler Fragen stellen.

Der Erste, der während der einstündigen Fragestunde unter freiem Himmel aufgerufen wird, ein Herr, spricht Scholz zwar zunächst höflich an („Sehr geehrter…“). Doch sogleich legt er den Schalter um, schleudert dem Kanzler entgegen: „Warum tust du nichts?“

Scholz ist Hanseat, Profi, vor allem aber kann er stoisch sein. Er tue ja etwas, antwortet er, ohne auch nur einen Hauch Emotionen oder gar Ärger zu zeigen, insofern sei „die Frage ziemlich eigenwillig“. Sogleich verfällt er in eine Art Referat über die vermutete Gasmangellage im letzten Winter, was die Regierung alles getan habe, den Krieg in der Ukraine, solche Sachen. So einfach bringt Olaf Scholz nichts aus der Ruhe.

Scholz erfährt auch Auszeit vom Ärger im Volk

In den folgenden gut 60 Minuten erfährt Scholz eine kleine Auszeit vom weit verbreiteten Ärger im Volk. Die meisten Fragen sind freundlich, einige sehr fachspezifisch, was Scholz ja mag (EU-Perspektive Georgiens, Lage in Afghanistan). Immer wieder brandet Beifall auf, es herrscht eine beschwingte Stimmung für einen so wenig beschwingten Kanzler.

Vielleicht liegt es daran, dass die hunderten Zuhörer schon zuvor den Hubschrauber, mit dem Scholz geflogen wird, besichtigt haben, nach langem Warten von einem Kanzleramts-Kalligraphen eine Karte mit dem eigenen Namen erstanden haben oder dass die Havelländer Bio-Bratwurst (4,50 Euro) im Kanzlergarten einfach gut geschmeckt hat.

Scholz wird trotzdem nach dem jüngsten Koalitions-Krach gefragt. „Ich freue mich nicht, dass es schon wieder öffentlich diskutiert worden ist“, scholzt Scholz. Er verteidigt seine Ukraine-Politik, redet über Fachkräftemangel. Seine Generation gehe ja bald in Rente, „ich nicht“, fügt er hinzu.

Selbst im Urlaub gibt es keinen Tag, wo ich nichts tue.

Olaf Scholz, Kanzler

Nach der – fehlenden – Parität von Männern und Frauen im Kabinett wird Scholz gefragt. Er strebe die weiter an, auch „bei der nächsten Regierungsbildung“. „Ho!“, entfährt es bei so viel Optimismus einem Fan, der Scholz immer wieder Beifall zollt. Nach der Freizeit im Leben eines Kanzlers erkundigt sich eine Frau. Er lese und er wandere mit seiner Frau. Doch: „Selbst im Urlaub gibt es keinen Tag, wo ich nichts tue.“

Lindners Lieblingstermin

Ähnlich beschwingt ist die Stimmung im Bundesfinanzministerium, wo Ressortchef Christian Lindner (FDP) Fragen unter einem weißen Zeltdach beantwortet. Der Tag der offenen Tür ist einer der Lieblingstermine von Lindner, er beginnt dann auch gleich mit einem Nadelstich gegen den grünen Koalitionspartner.

„Warum tust du nichts?“: Scholz erhält gleich zu Beginn eine Kostprobe des Frusts im Land

Christian Lindner macht Selfies beim Tag der offenen Tür: Ein Termin nach seinem Geschmack. © picture alliance/dpa/Christophe Gateau

Wer denn an diesem Tag noch zu einem anderen Ministerium gehe, will Lindner vom Publikum wissen, viele melden sich. „Da gehen viele Hände hoch“, sagt Lindner. Auch ins Wirtschaftsministerium? „Schon weniger Hände“, stellt er zufrieden fest. „Ich glaube, der Kollege ist auch im Urlaub“, schiebt er nach. Großes Gelächter im Publikum.

Lindner als Antagonist der Grünen, speziell von Wirtschaftsminister Robert Habeck, das gefällt ihm. Doch der jüngste Ampel-Streit spielte sich vor allem zwischen ihm und Grünen-Familienministerin Lisa Paus ab, die einen sogenannten Leitungsvorbehalt gegen sein Wachstumschancengesetz einlegte, weil sie findet, im Haushalt sei zu wenig Geld für die Kindergrundsicherung eingeplant.

Als Lindner danach gefragt wird, wird er deutlich. „Ich habe kein Problem mit Ungleichheit in unserer Gesellschaft“, sagt er, doch diese dürfe sich „niemals ergeben, aufgrund des unbeeinflussbaren Zufalls, wer waren meine Eltern?“. Der Platz, den jemand in der Gesellschaft einnehme, müsse sich entscheiden an „Fleiß, Talent, Risikobereitschaft und Lebensentscheidungen“. Das sei die „große Gerechtigkeitsaufgabe“, die die Politik bislang nicht gelöst habe.

Ich habe kein Problem mit Ungleichheit in unserer Gesellschaft.

Christian Lindner, Finanzminister

Der Finanzminister stellt einen Zusammenhang her zwischen Kinderarmut und Zuwanderung. Familien, die seit 2015 nach Deutschland eingewandert seien, seien deutlich öfter von Armut betroffen. Er wolle darüber diskutieren: „Wie helfe ich am besten den Kindern und Jugendlichen?“

Lindner wird mit Fake News konfrontiert

Eine fünfköpfige Familie bekomme rund 37.000 Euro Bürgergeld im Jahr. Lindner fragt, ob es besser wäre, das Geld in die Förderung der Eltern und in die Kitas und Schulen zu investieren, statt es direkt an die Familien auszuzahlen. Wieder langer Applaus.

Es ist auffällig, dass er mit Falschnachrichten konfrontiert wird. Er wird gefragt, warum er ein Paket mit zusätzlich 22 Milliarden Euro für die Ukraine plane? Lindner korrigiert, richtig sei, dass bereits 22 Milliarden Euro ausgegeben worden seien. Er rechne nun mit einer Größenordnung von fünf Milliarden Euro.

Eine Frau glaubt, dass die Regierung ein „Lastenausgleichsgesetz“ plane, ähnlich jenem von 1952, das Vertriebenen oder anderen Kriegsgeschädigten eine finanzielle Entschädigung bot. Finanziert wurde es durch eine „Lastenausgleichsgabe“ – so etwas solle es nun für die Coronahilfen geben. „Absolut Fake News“, sagt Lindner, „aus AfD-Kreisen wird sowas verbreitet“. Das mache ihn „richtig sauer“. Es gebe genug Kontroversen über Sachfragen, da müsse man nichts dazu erfinden.

Der Frust in der Bevölkerung kommt an diesem Tag dennoch kaum bei Lindner an. Dafür aber dankt ihm ein Mann, trotz der „schlechten Arbeit“ der Ampelkoalition. „Da werden Sie mir jetzt widersprechen“. Lindner nickt. „Stimmt“, sagt er. Die Verfahren in der Koalition seien schwierig, fügt Lindner an, aber: „Mit gutem Ergebnis.“

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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