Von Bundeswehr bis Steuern: Die Knackpunkte im Haushaltsstreit der Ampel
© Imago/Political-Moments/imago stock Von Bundeswehr bis Steuern: Die Knackpunkte im Haushaltsstreit der Ampel
Warum der Konflikt in der Ampel-Koalition bei der Aufstellung des Bundesetats für 2024 so hart ist – und welche Fragen im Mittelpunkt stehen.
Von
Es kracht, rumpelt und rauscht gerade in der Ampel-Koalition. Der Grund: Die Aufstellung des Bundeshaushalts für 2024. Wer am Anfang des Verfahrens nicht wach ist, hat später unter Umständen das Nachsehen. So ringen erst die Staatssekretäre der Fachressorts, dann die Kabinettskollegen mit Bundesfinanzminister Christian Lindner und dessen Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer um die großen Linien wie um die Details in ihren Einzeletats.
Zwar sind die Eckwerte, um die es nun erst einmal geht, nur der Einstieg in das große Verteilspiel. Nach dem Eckwertebeschluss im Kabinett am 15. März und der Steuerschätzung im Mai wird die Ministerrunde dann den endgültigen Gesetzentwurf Anfang Juli beschließen.
Im Bundestag wird danach noch bis Ende November um das Zahlenwerk gerungen werden. Es kann sich also noch einiges ändern. Doch werden am Start wichtige Festlegungen getroffen, bei denen es schon um viel Geld geht. Haushaltspolitik ist ein Profilierungswettbewerb, bei dem keiner verlieren will.
Haushalt für das Vorwahljahr
Zumal der Etat für 2024 in zweierlei Hinsicht wichtig ist. Zum einen ist es der Haushalt für das Vorwahljahr. Da wollen die Koalitionäre mit ihren Anliegen punkten und gestärkt ins Wahlkampfjahr 2025 ziehen. Zum anderen wird es der erste Normalhaushalt seit Jahren sein, zumindest der Planung nach. Pandemiekosten kommen kaum noch vor, und auch die massiven akuten Stützungsmaßnahmen wegen der hohen Energiekosten laufen dann aus.
Beim Etat für 2023, der auch schon ein Normalhaushalt sein sollte, hat Putins Krieg der Ampel die Agenda diktiert. Allerdings hat die Koalition die Zusatzausgaben nicht allein im Etat, sondern über kreditfinanzierte Nebenhaushalte gestemmt: den Klima- und Transformationsfonds (KTF), das Sondervermögen Bundeswehr und den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF).
Finanzierungen an der Schuldenbremse vorbei, sozusagen, die ja für den Kernhaushalt schon in diesem Jahr wieder gilt. Eine Wiederholung dessen schließt Lindner für 2024 aus. Doch auch darum dreht sich der Streit.
Nach der Finanzplanung aus dem vorigen Jahr sind für 2024 Ausgaben in Höhe von 424 Milliarden Euro vorgesehen. Davon sollen 374 Milliarden aus Steuereinnahmen kommen. Über Neuverschuldung sollen gut zwölf Milliarden gedeckt werden, der Rest fällt unter Sonstiges.
Die Kabinettskollegen haben beim Finanzminister allerdings einen Mehrbedarf von 70 Milliarden Euro angemeldet. Finanzierbar wäre das nur durch deutlich höhere Steuereinnahmen und/oder mehr Schulden. Acht Streitpunkte sind es vor allem, die in der Koalition geklärt werden müssen – in den Grundzügen schon bis zur Kabinettsklausur am 5. März.
1. Schuldenpolitik
Die Schuldenbremse gilt. Das hat auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gerade erst in seinem Protestbrief an Lindner so vermerkt. Aber lässt sie sich ändern? Oder zumindest anders auslegen? Kann eventuell doch wieder die Notlagenklausel genutzt werden? Der FDP-Chef ist dagegen und will standhaft bleiben.
Im Hintergrund gibt es bei den Grünen und in der SPD offenbar Überlegungen, die mit dem WSF zusammenhängen – sollten die dort gelagerten Kreditermächtigungen für die diversen Energienotbremsen nicht vollständig gebraucht werden.
Schon zu Beginn ihrer Regierungszeit hatte die Ampel nicht genutzte Pandemie-Kreditermächtigungen umgewidmet und in den KTF übertragen. Zwar sind die WSF-Mittel per Gesetz zweckgebunden für Entlastungsmaßnahmen. Aber das ließe sich ändern. Somit bekämen Grüne und SPD Geld für Projekte, die sich im regulären Rahmen nicht finanzieren ließen.
2. Lindner fürchtet den Zins
Lindner dagegen fürchtet höhere Zinsausgaben und würde wohl nicht genutzte WSF-Ermächtigungen am liebsten verfallen lassen. Immerhin geht der Trend beim Leitzins deutlich Richtung drei Prozent, eine Rückkehr zum Niedrigzins ist nicht in Sicht.
Schon 2023 sind etwa 40 Milliarden Euro an Zinsausgaben im Etat vorgesehen, im kommenden Jahr dürften es deutlich mehr werden – erst recht, wenn die 200 Milliarden WSF-Mittel voll genutzt würden. Schon ohne diese belief sich die Gesamtverschuldung des Bundes Ende Januar auf 1,73 Billionen Euro.
3. Steuerpolitik
Wenn’s nicht über Kredite geht, dann vielleicht über höhere Steuern? Wohl kaum. In der Ampel setzt sich nämlich das Patt fort, das schon die Steuerpolitik der „Groko“ bestimmt hat. Steuersenkungen sind mit SPD und Grünen praktisch kaum zu machen, Steuererhöhungen jedweder Art lehnt die FDP ab.
Lindner gelang es immerhin, mit dem Inflationsausgleichsgesetz die Einkommensteuer an die Preisentwicklung anzupassen, womit natürlich Mindereinnahmen einhergehen. Da nicht zuletzt Gutverdiener hier profitieren, ist das von SPD und Grünen ohne größere Begeisterung mitgetragen worden.
4. SPD und Grüne schielen auf höhere Steuern
Nun haben Habeck wie auch SPD-Chefin Saskia Esken „Einnahmeverbesserungen“ gefordert. Allerdings wachsen die Steuereinnahmen durch die Inflation ohnehin, wobei natürlich auch der Staat durch die Preis- und Lohnsteigerungen höhere Ausgaben hat. Genaueres aber weiß man erst, wenn im Mai die nächste Steuerschätzung vorliegt.
In der FDP wird ein Deal erwogen – Entlastung bei der Gewinn- und der Einkommensteuer, höhere indirekte Steuern, etwa durch Abstriche beim verminderten Mehrwertsteuersatz. Da aber kam gleich Protest von Rot und Grün.
5. Die FDP kann sich einen Deal vorstellen
Zudem können sich die Freien Demokraten einen „Abbau fragwürdiger Steuerermäßigungen“ vorstellen. Hier könnte es eine Verständigung geben, die Grünen verlangen seit Jahren das Streichen ökologisch nachteiliger Vergünstigungen. Aber die FDP fordert „Aufkommensneutralität“ – Gewinne und Verluste aus solchen Maßnahmen müssen sich im Etat ausgleichen. Mit dem Deal ließe sich aus Sicht von SPD und Grünen also nur wenig gewinnen.
6. Bundeswehr
Eine Gewinnerin von Putins Krieg ist die Bundeswehr. Sie wird aufgerüstet. Das Verteidigungsressort führt die SPD. Der neue Minister Boris Pistorius will sich als Macher profilieren. Zehn Milliarden Euro mehr für die Armee im Kernetat kann er sich vorstellen, über die schon vorgesehenen 50 Milliarden und das Sondervermögen hinaus, das insgesamt 100 Milliarden für neue Waffen und Ausrüstung vorsieht.
Kanzler Olaf Scholz und Lindner weiß er da hinter sich. Esken und die Grünen haben Vorbehalte angemeldet. Erst einmal müsse sichergestellt werden, dass das Geld für neue Beschaffungen vernünftig angelegt sei und nicht in „merkwürdigen Projekten versinkt“, wie Grünen-Chef Omid Nouripour sagt. Will heißen: Scholz, Pistorius und die FDP müssen damit rechnen, dass vor allem die Grünen hier den Hebel ansetzen, um Vorteile für eigene Projekte auszuhandeln.
7. Kindergrundsicherung
Das grüne Projekt mit höchstem Vorrang ist in der Anfangsphase der Etataufstellung die neue Kindergrundsicherung. Es konkurriert allerdings mit Vorstellungen der SPD, mehr beim Wohngeld und im Wohnungsbau zu tun. Das Problem: Familienministerin Lisa Paus (Grüne) ist bisher nur mit Eckpunkten aufgetreten, es fehlt der Gesetzentwurf, auf dessen Basis Lindner die Kindergrundsicherung im Etatplan verankern könnte.
Nicht alles, was wünschenswert ist, geht sofort.
Christian Lindner, Bundesfinanzminister
Die Grünen, unterstützt aus der SPD und den Gewerkschaften, wollen aber mit der Zusammenfassung von Kindergeld und anderen Zuschüssen für Kinder aus ärmeren Familien die Gesamtleistungen finanziell nach oben schrauben. Mehrausgaben also. Lindner lehnt das bislang ab und verbindet mit der Kindergrundsicherung vor allem einfachere Auszahlungsverfahren. „Nicht alles, was wünschenswert ist, geht sofort“, sagt er. Aber die Grünen wollen ihr sozialpolitisches Vorzeigethema jetzt im Etat verankert sehen.
8. Rentenreform
Eher im Hintergrund spielt sich vorerst noch der Koalitionsstreit um die Finanzierung der Rentenreform ab. Die ist für den Etat 2024 nicht ganz so entscheidend, wohl aber für die Jahre danach. Denn der Bundeszuschuss an die Rentenversicherung wird mittelfristig zu gering sein, um das Rentenniveau halten zu können. Das will die SPD garantieren, doch woher nehmen? Mit der FDP ist das über höhere Steuern nicht zu machen. Höhere Beiträge scheuen alle drei Parteien.
Lindner will nun über das „Generationenkapital“ (zuvor auch als Aktienrente im Gespräch) Abhilfe schaffen, also durch Kapitaldeckung, mittels derer der Rentenzuschuss teilfinanziert werden könnte. Das Geld für den dafür vorgesehenen Fonds will er über neue Kredite mobilisieren, unter der Annahme, dass die Zinsen dafür immer unter dem Aktienertrag liegen werden. Die Grünen haben da schon Zweifel angemeldet, auch die SPD ist skeptisch.
Die Grünen halten ihr eigenes Modell eines „Bürgerfonds“ außerhalb der Rentenversicherung dagegen. Seit drei Wochen arbeitet eine „Fokusgruppe“ daran, die unterschiedlichen Vorstellungen zusammenzubringen. Bis zum Sommer soll ein Ergebnis vorliegen. Aber alle drei Ampel-Parteien versuchen, Vorentscheidungen dafür mit den Eckwerten des Etats zu verbinden.
Zur Startseite
- Christian Lindner
- Robert Habeck
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de